15873/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.08.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Frauen‚ Familie‚ Integration und Medien

betreffend Gequälter Bub - wo bleiben konkrete und systemische Reflexion und Konsequenzen? 

 

Im Fall einer 32-jährigen Mutter, die ihren zwölfjährigen Sohn im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt, gequält und hungern lassen haben soll, wurden nun weitere Details bekannt: Der Bub dürfte zuvor mehrmals um Hilfe gebeten haben. Unter anderem soll er bei Spitalsaufenthalten und in der Schule auf seine Situation hingewiesen haben. Der Bub soll Medienberichten zufolge mehrmals aufgrund von Verletzungen stationär aufgenommen worden sein. Gegen die Mutter wird wegen versuchten Mordes, Quälens und Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen und Freiheitsentziehung ermittelt.1 Sie sitzt seit Herbst in Krems in U-Haft. Anfang März wurde eine weitere verdächtigte 40-Jährige - nach der Sichtung von Chats - aus dem Umfeld der Mutter auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Krems festgenommen. Sie befindet sich ebenfalls in Untersuchungshaft.2 

Wie die ZIB 1 seit dem 26.6.2023 berichtete, verdichten sich die Anzeichen, dass Behörden Fehler gemacht haben sollen. Es stehe sogar ein Polizist in Verdacht, bei der Vertuschung des Falles geholfen zu haben. Dieser soll laut Medienberichten der Ex-Partner der Verdächtigten sein und ihr beim Verschleiern der Tat geholfen haben, wie beispielsweise beim Löschen von Nachrichten sowie Bild- und Videomaterial.3

Die erstmalige Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt fand bereits im Jahr 2020 statt, woraufhin ab dem Jahr 2021 vermehrte Beratungsgespräche mit der Mutter seitens der zuständigen Stellen geführt wurden. Zudem sollen seit Oktober 2022 mehrere Gefährdungsmeldungen aus der Schule bei der Sozialarbeit eingelangt und auch das Fehlen des Kindes in der Schule gemeldet worden sein. Eine Reaktion des Jugendamtes darauf folgte in Form von unangekündigten Besuchen und verpflichtenden Arztbesuchen des Kindes. Letztlich soll es seit Frühjahr eine Gefährdungsmeldung seitens des Krankenhauses gegeben haben.4

Für das Behördenversagen in erster Linie verantwortlich ist das Land Niederösterreich als Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Die zuständige Landesrätin berichtete, eine "unabhängige Expertenkommission" einrichten zu wollen, verweigerte weitere Auskünfte allerdings mit Verweis auf die Persönlichkeits- und Datenschutzrechte des Betroffenen. Dadurch bleibt allerdings offen, wie solche Fehler aktuell und künftig kritisch und systemisch reflektiert werden und auch, welche Konsequenzen solche Fehler mit sich ziehen. 

Auf Bundesebene ist im Ressort der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien die Abteilung "Kinder- und Jugendhilfe" angesiedelt, die unter anderem für folgende Themen verantwortlich ist: Kinder- und Jugendhilfe; Eltern- und Kinderbegleitung; Gewaltprävention im sozialen Nahraum sowie Initiativen gegen psychische, physische und sexuelle Gewalt an Kindern. Laut der Homepage des Ministeriums besteht seit 1993 eine Plattform gegen die Gewalt in der Familie, welche das einzige österreichweite Netzwerk, in dem – derzeit 45 – etablierte Beratungseinrichtungen (Vernetzungsträgerinnen oder Vernetzungsträger) unter anderem aus dem Bereich "Gewalt gegen Kinder" im Bereich der Gewaltprävention zusammenarbeiten.

Quellen:

1https://noe.orf.at/stories/3212198/

2https://www.derstandard.at/story/3000000174559/polizei-gibt-weitere-weitere-person-im-fall-um-in-hundebox-versperrtes-kind-fest

3Kind in Hundebox gequält: Unabhängige Kommission ermittelt gegen Polizisten | PULS 24

4 https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-1/1203/ZIB-1/14184023/Gequaelter-Bub-Verdacht-auf-Behoerdenversagen/15418590

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wann und auf welche Weise haben Sie von dem oben geschilderten Fall des im Waldviertel von seiner Mutter mutmaßlich gequälten Buben erfahren?
  2. Welche Maßnahmen ergriff welche Stelle in Ihrem Ressort in dem konkreten Fall wann? 
  3. Welches Vorgehen durch welche Stelle in Ihrem Ressort in einem derartigen Fall vorgesehen? 
  4. Wurde das Vorgehen im konkreten Fall evaluiert? 
    1. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
    2. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Wie werden öffentliche Äußerungen bei solchen medienwirksamen Fällen abgestimmt? Welche Koordinationsarbeit wird von wem geleistet, um ein einheitliches und effizientes Vorgehen zu ermöglichen?
  2. Wie wurden öffentliche Äußerungen in diesem Fall abgestimmt? Welche Koordinationsarbeit wurde von wem geleistet, um ein einheitliches und effizientes Vorgehen zu ermöglichen?
  3. Wurde das Vorgehen bzgl. der Kommunikation im konkreten Fall evaluiert? 
    1. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
    2. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Welche Vorgaben gibt es seitens Ihres Ministeriums für die Äußerung von Polizei, Landesregierungen, Kinder- und Jugendhilfe und Bildungsdirektionen? 
  2. Inwiefern ist das Vorgehen an sich und war in diesem konkreten Fall koordiniert?
  3. Inwiefern war es für Aufklärung dieses Falles förderlich, dass Behörden Antworten verweigerten? 
  4. Laut den bis dato vorliegenden Informationen gibt es Hinweise auf ein Behördenversagen, da es bereits Hinweise von der Schule und dem Spital gab, wonach der Bub Opfer von Gewalt in der Familie wird, diesen Hinweisen wurde jedoch nicht ausreichend nachgegangen. Wurde das Vorgehen der Behörden im konkreten Fall evaluiert? 
    1. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
    2. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Welche Maßnahmen wurden daher wann getroffen, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern?
  2. Ist geplant, die Ressourcen der Kinder- und Jugendhilfe oder sonstiger zuständiger Stellen aufzustocken, um eine ausreichende personelle Betreuung solcher Fälle gewährleisten zu können? 
    1. Wenn ja, welche Maßnahmen werden in welcher Behörde und in welchem Zeitrahmen gesetzt/ sind vorgesehen, um mehr Ressourcen zu schaffen? 
    2. Wenn nein, wieso sehen Sie keinen Bedarf, hier Ressourcen zu schaffen? 
  1. Wie werden behördliche Fehler in solchen Fällen aufgearbeitet? Welches Prozedere ist vorgesehen, um eine lückenlose Aufklärung solcher Fälle zu gewährleisten? 
  2. Welche (disziplinarrechtlichen) Konsequenzen sind für solche Fälle vorgesehen? 
  3. Welche Schulungen, Fortbildungen, Sensibilisierungsworkshops oder Ähnliches gab es seit dieser Bundesregierung für den Umgang mit solchen Fällen von derartig schwerer Gewalt? 
  4. Wurde evaluiert, ob die gegebenen Maßnahmen ausreichend sind? 
    1. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
    2. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Welche Maßnahmen sind daher wann geplant? 
  2. Welche Möglichkeiten des Austausches/der Kommunikation zwischen Kinder- und Jugendhilfe, Bildungsdirektionen und Polizei gibt es aktuell?
  3. Ist geplant, einen solchen Austausch in Fällen des Kinder- und Jugendschutzes zu fördern?
    1. Wenn ja, inwiefern? 
    2. Wenn nein, wie wollen Sie sonst ein besseres, schnelleres Vorgehen und eine effiziente Zusammenarbeit zwischen den genannten Institutionen ermöglichen?
  1. Sind Sie mit den zuständigen Behörden in Niederösterreich bezüglich dieses Falles im Austausch?
    1. Falls ja: wie erfolgte dieser Austausch? Bitte um genauer chronologische Schilderung.
    2. Falls nein: wieso nicht?
  1. Welchen Austausch gibt es aktuell zwischen Ihrem Ressort und den Ländern im Hinblick auf den Kinder- und Jugendschutz? Welche behördlichen Stellen arbeiten hier zusammen? 
  2. Inwiefern soll der Austausch zwischen Ihrem Ressort und den Ländern als Trägern der Kinder- und Jugendhilfe nun verbessert werden, um eine koordiniertere Zusammenarbeit zu ermöglichen?
  3. Gibt es allgemein einen Austausch zwischen dem Ministerium und den zuständigen Behörden der Länder, in dem Fälle wie dieser aufgearbeitet werden und gemeinsam Präventionskonzepte erstellt werden?
    1. Falls ja: bitte um Beschreibung.
    2. Falls nein: wieso nicht?
  1. Gab es anlässlich dieses Falles einen Austausch innerhalb der Plattform "Gewalt in der Familie"?
    1. Falls ja: welche Maßnahmen wurden ergriffen?
    2. Falls nein: warum nicht?
  1. Ein Ziel der Plattform ist laut Website des Bundeskanzleramtes die "Entwicklung von Präventionskonzepten" und "Öffentlichkeitsarbeit". Inwiefern arbeitet die Plattform in diesen Bereichen mit Ihnen zusammen? Welche Form des Austausches gab/ gibt es hier? In welcher Regelmäßigkeit? 
  2. Inwiefern ist die Plattform gegen "Gewalt in der Familie" in die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den in den Bundesländern zuständigen Behörden eingebunden? 
  3. Inwiefern sind die Kinder- und Jugendhilfeträger in die Zusammenarbeit mit der Plattform gegen "Gewalt in der Familie" eingebunden? 
  4. Inwiefern kann die Zusammenarbeit mit der Plattform gegen "Gewalt in der Familie" verbessert werden? 
  5. Welche Maßnahmen kann die Plattform "Gewalt in der Familie" treffen, um solche Fälle in Zukunft zu verhindern?
  6. Aktuell sind 45 Organisationen an der Plattform gegen "Gewalt in der Familie" beteiligt. Wie hat sich die Anzahl der an der Plattform "Gewalt in der Familie" beteiligten Organisationen in den letzten 5 Jahren geändert? Ist geplant, Initiativen für die Ausweitung der teilnehmenden Organisationen zu schaffen? 
    1. Wenn ja, wann inwiefern? 
    2. Wenn nein, wieso wird dafür kein Bedarf gesehen?