Eingelangt am 03.08.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.
Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin
für Frauen‚ Familie‚ Integration und Medien
betreffend
Gequälter Bub - wo bleiben konkrete und systemische Reflexion und
Konsequenzen?
Im Fall einer
32-jährigen Mutter, die ihren zwölfjährigen Sohn im Waldviertel
in eine Hundebox gesperrt, gequält und hungern lassen haben soll, wurden
nun weitere Details bekannt: Der Bub dürfte zuvor mehrmals um Hilfe
gebeten haben. Unter anderem soll er bei Spitalsaufenthalten und in der
Schule auf seine Situation hingewiesen haben. Der Bub soll Medienberichten
zufolge mehrmals aufgrund von Verletzungen stationär aufgenommen worden
sein. Gegen die Mutter wird wegen versuchten Mordes, Quälens und
Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen
und Freiheitsentziehung ermittelt.1 Sie sitzt seit Herbst in
Krems in U-Haft. Anfang März wurde eine weitere verdächtigte
40-Jährige - nach der Sichtung von Chats - aus dem Umfeld der Mutter auf
Anordnung der Staatsanwaltschaft Krems festgenommen. Sie befindet sich ebenfalls
in Untersuchungshaft.2
Wie die ZIB 1 seit dem
26.6.2023 berichtete, verdichten sich die Anzeichen, dass Behörden Fehler
gemacht haben sollen. Es stehe sogar ein Polizist in Verdacht, bei der
Vertuschung des Falles geholfen zu haben. Dieser soll laut Medienberichten der
Ex-Partner der Verdächtigten sein und ihr beim Verschleiern der Tat
geholfen haben, wie beispielsweise beim Löschen von Nachrichten sowie
Bild- und Videomaterial.3
Die erstmalige
Kontaktaufnahme mit dem Jugendamt fand bereits im Jahr 2020 statt, woraufhin ab
dem Jahr 2021 vermehrte Beratungsgespräche mit der Mutter seitens der
zuständigen Stellen geführt wurden. Zudem sollen seit Oktober 2022
mehrere Gefährdungsmeldungen aus der Schule bei der Sozialarbeit
eingelangt und auch das Fehlen des Kindes in der Schule gemeldet worden sein.
Eine Reaktion des Jugendamtes darauf folgte in Form von unangekündigten
Besuchen und verpflichtenden Arztbesuchen des Kindes. Letztlich soll es seit
Frühjahr eine Gefährdungsmeldung seitens des Krankenhauses gegeben
haben.4
Für das
Behördenversagen in erster Linie verantwortlich ist das Land
Niederösterreich als Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Die
zuständige Landesrätin berichtete, eine "unabhängige
Expertenkommission" einrichten zu wollen, verweigerte weitere
Auskünfte allerdings mit Verweis auf die Persönlichkeits- und
Datenschutzrechte des Betroffenen. Dadurch bleibt allerdings offen, wie solche
Fehler aktuell und künftig kritisch und systemisch reflektiert werden und
auch, welche Konsequenzen solche Fehler mit sich ziehen.
Auf Bundesebene ist im
Ressort der Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien
die Abteilung "Kinder- und Jugendhilfe" angesiedelt, die unter
anderem für folgende Themen verantwortlich ist: Kinder- und Jugendhilfe;
Eltern- und Kinderbegleitung; Gewaltprävention im sozialen Nahraum sowie
Initiativen gegen psychische, physische und sexuelle Gewalt an
Kindern. Laut der Homepage des Ministeriums besteht seit 1993 eine
Plattform gegen die Gewalt in der Familie, welche das einzige
österreichweite Netzwerk, in dem – derzeit 45 – etablierte
Beratungseinrichtungen (Vernetzungsträgerinnen oder
Vernetzungsträger) unter anderem aus dem Bereich "Gewalt gegen
Kinder" im Bereich der Gewaltprävention zusammenarbeiten.
Quellen:
1https://noe.orf.at/stories/3212198/
2https://www.derstandard.at/story/3000000174559/polizei-gibt-weitere-weitere-person-im-fall-um-in-hundebox-versperrtes-kind-fest
3Kind in Hundebox gequält: Unabhängige Kommission ermittelt
gegen Polizisten | PULS 24
4 https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-1/1203/ZIB-1/14184023/Gequaelter-Bub-Verdacht-auf-Behoerdenversagen/15418590
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Wann und auf welche
Weise haben Sie von dem oben geschilderten Fall des im Waldviertel von seiner
Mutter mutmaßlich gequälten Buben erfahren?
- Welche Maßnahmen
ergriff welche Stelle in Ihrem Ressort in dem konkreten Fall wann?
- Welches Vorgehen durch
welche Stelle in Ihrem Ressort in einem derartigen Fall vorgesehen?
- Wurde das Vorgehen im
konkreten Fall evaluiert?
- Wenn ja, mit welchem
Ergebnis?
- Wenn nein, warum
nicht?
- Wie werden
öffentliche Äußerungen bei solchen medienwirksamen
Fällen abgestimmt? Welche Koordinationsarbeit wird von wem geleistet,
um ein einheitliches und effizientes Vorgehen zu ermöglichen?
- Wie wurden
öffentliche Äußerungen in diesem Fall abgestimmt? Welche
Koordinationsarbeit wurde von wem geleistet, um ein einheitliches und
effizientes Vorgehen zu ermöglichen?
- Wurde das Vorgehen bzgl.
der Kommunikation im konkreten Fall evaluiert?
- Wenn ja, mit welchem
Ergebnis?
- Wenn nein, warum
nicht?
- Welche Vorgaben gibt es
seitens Ihres Ministeriums für die Äußerung von Polizei,
Landesregierungen, Kinder- und Jugendhilfe und Bildungsdirektionen?
- Inwiefern ist das
Vorgehen an sich und war in diesem konkreten Fall koordiniert?
- Inwiefern war es
für Aufklärung dieses Falles förderlich, dass
Behörden Antworten verweigerten?
- Laut den bis dato
vorliegenden Informationen gibt es Hinweise auf ein Behördenversagen,
da es bereits Hinweise von der Schule und dem Spital gab, wonach der Bub
Opfer von Gewalt in der Familie wird, diesen Hinweisen wurde jedoch nicht
ausreichend nachgegangen. Wurde das Vorgehen der Behörden im
konkreten Fall evaluiert?
- Wenn ja, mit welchem
Ergebnis?
- Wenn nein, warum nicht?
- Welche Maßnahmen
wurden daher wann getroffen, um solche Fälle in Zukunft zu
verhindern?
- Ist geplant, die
Ressourcen der Kinder- und Jugendhilfe oder sonstiger zuständiger
Stellen aufzustocken, um eine ausreichende personelle Betreuung solcher
Fälle gewährleisten zu können?
- Wenn ja, welche
Maßnahmen werden in welcher Behörde und in welchem Zeitrahmen
gesetzt/ sind vorgesehen, um mehr Ressourcen zu schaffen?
- Wenn nein, wieso sehen
Sie keinen Bedarf, hier Ressourcen zu schaffen?
- Wie werden
behördliche Fehler in solchen Fällen aufgearbeitet? Welches
Prozedere ist vorgesehen, um eine lückenlose Aufklärung solcher
Fälle zu gewährleisten?
- Welche
(disziplinarrechtlichen) Konsequenzen sind für solche Fälle
vorgesehen?
- Welche Schulungen,
Fortbildungen, Sensibilisierungsworkshops oder Ähnliches gab es seit
dieser Bundesregierung für den Umgang mit solchen Fällen von
derartig schwerer Gewalt?
- Wurde evaluiert, ob die
gegebenen Maßnahmen ausreichend sind?
- Wenn ja, mit welchem
Ergebnis?
- Wenn nein, warum
nicht?
- Welche Maßnahmen
sind daher wann geplant?
- Welche
Möglichkeiten des Austausches/der Kommunikation zwischen Kinder- und
Jugendhilfe, Bildungsdirektionen und Polizei gibt es aktuell?
- Ist geplant, einen
solchen Austausch in Fällen des Kinder- und Jugendschutzes zu
fördern?
- Wenn ja,
inwiefern?
- Wenn nein, wie wollen
Sie sonst ein besseres, schnelleres Vorgehen und eine effiziente
Zusammenarbeit zwischen den genannten Institutionen ermöglichen?
- Sind Sie mit den
zuständigen Behörden in Niederösterreich bezüglich dieses
Falles im Austausch?
- Falls ja: wie erfolgte
dieser Austausch? Bitte um genauer chronologische Schilderung.
- Falls nein: wieso
nicht?
- Welchen Austausch gibt
es aktuell zwischen Ihrem Ressort und den Ländern im Hinblick auf den
Kinder- und Jugendschutz? Welche behördlichen Stellen arbeiten hier
zusammen?
- Inwiefern soll der
Austausch zwischen Ihrem Ressort und den Ländern als Trägern der
Kinder- und Jugendhilfe nun verbessert werden, um eine koordiniertere
Zusammenarbeit zu ermöglichen?
- Gibt es allgemein einen
Austausch zwischen dem Ministerium und den zuständigen Behörden
der Länder, in dem Fälle wie dieser aufgearbeitet werden und
gemeinsam Präventionskonzepte erstellt werden?
- Falls ja: bitte um
Beschreibung.
- Falls nein: wieso
nicht?
- Gab es anlässlich dieses
Falles einen Austausch innerhalb der Plattform "Gewalt in der
Familie"?
- Falls ja: welche
Maßnahmen wurden ergriffen?
- Falls nein: warum
nicht?
- Ein Ziel der Plattform
ist laut Website des Bundeskanzleramtes die "Entwicklung von
Präventionskonzepten" und
"Öffentlichkeitsarbeit". Inwiefern arbeitet die Plattform
in diesen Bereichen mit Ihnen zusammen? Welche Form des Austausches gab/
gibt es hier? In welcher Regelmäßigkeit?
- Inwiefern ist die
Plattform gegen "Gewalt in der Familie" in die Zusammenarbeit zwischen
Ihnen und den in den Bundesländern zuständigen Behörden
eingebunden?
- Inwiefern sind die
Kinder- und Jugendhilfeträger in die Zusammenarbeit mit der Plattform
gegen "Gewalt in der Familie" eingebunden?
- Inwiefern kann die
Zusammenarbeit mit der Plattform gegen "Gewalt in der Familie"
verbessert werden?
- Welche Maßnahmen
kann die Plattform "Gewalt in der Familie" treffen, um solche
Fälle in Zukunft zu verhindern?
- Aktuell sind 45
Organisationen an der Plattform gegen "Gewalt in der Familie" beteiligt.
Wie hat sich die Anzahl der an der Plattform "Gewalt in der
Familie" beteiligten Organisationen in den letzten 5 Jahren
geändert? Ist geplant, Initiativen für die Ausweitung der
teilnehmenden Organisationen zu schaffen?
- Wenn ja, wann
inwiefern?
- Wenn nein, wieso wird
dafür kein Bedarf gesehen?