15880/J XXVII. GP
Eingelangt am 08.08.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Elisabeth Götze, Eva Blimlinger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft
betreffend Schönbrunner-Tiergarten Gesellschaft m.b.H.: Alles für die "Fisch"?
Der Tiergarten in Schönbrunn gehört zu den wichtigsten Tourist:innenattraktionen Wiens und ist ein wahrer Besuchermagnet. So wurden 2022 mehr als 2 Mio. Besucher:innen begrüßt.[1] „Größer, schöner und noch artgerechter soll der Tiergarten Schönbrunn in Zukunft werden,“ so titelte die Kronen Zeitung am 08.10.2020. Für rund 23,5 Mio. Euro sollte der Zoo modernisiert, ausgebaut und erweitert werden.[2]
Die Schönbrunner Tiergarten-Gesellschaft m.b.H. (kurz: Tiergarten) wurde 1991 gegründet und aus der Bundesverwaltung ausgegliedert. Die Republik Österreich ist 100%-ige Eigentümerin, die Aufsicht obliegt dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (kurz BMAW).[3] Die Schönbrunn Gastronomie GmbH (kurz: Gastronomie) steht zu 100% im Eigentum des Tiergartens. Der Tiergarten ist zu 75% an der Dipl. Tzt. (Tierarzt) Thomas Voracek KG (kurz: Voracek KG) als Kommanditist beteiligt.[4]
Seit 01.01.2020 obliegt die Geschäftsführung der Schönbrunner Tiergarten-Gesellschaft m.b.H. Dr. Stephan Hering-Hagenbeck. Davor war Hering-Hagenbeck ehemaliger Geschäftsführer und zoologischer Direktor des Tierparks Hagenbeck in Hamburg und bis zum Antritt seiner Stelle in Wien auch Mitgeschäftsführer der ZOOQUARIUMDESIGN (ZQD GmbH) in Hamburg, einem Planungs- und Entwicklungsunternehmen für Tiergartengehege.[5] Die Funktion des (unternehmensrechtlichen) Geschäftsführers der Gastronomie übertrug das BMAW ohne Ausschreibung per 01.01.2021 ebenfalls Dr. Hering-Hagenbeck. Die Überwachung der Gesellschaften obliegt dem Aufsichtsrat des Tiergartens, es wurde kein eigenes Überwachungsorgan geschaffen.[6]
Pläne für den Bau eines neuen Aquariums im Tiergarten wurden noch von der Vorgängerin von Hering-Hagenbeck, Dr.in Dagmar Schratter, verfolgt und beschlossen. Diese Pläne wurden vom neuen Geschäftsführer und Direktor des Tiergartens Hering-Hagenbeck offenbar wieder verworfen, ein neues Projekt soll in Auftrag geben worden sein. Ungewöhnlich ist jedenfalls, dass – glaubt man Medienberichten – die ZOOQUARIUMDESIGN, ZQD GmbH in Hamburg mit der Projektierung des Neubaus des Aquariums im Tiergarten Schönbrunn beauftragt wurde, deren Mitgeschäftsführer bis vor kurzem der aktuelle Tiergartendirektor Hering-Hagenbeck war. Abgelöst wurde er von seiner Tochter Charlotte Hagenbeck, die seit 13.01.2020 als Geschäftsführerin der ZQD GmbH tätig ist.[7] Dass genau dieses Unternehmen nun beauftragt worden sein soll, ist alles andere als eine gute Optik und wirft viele Fragen auf.[8]
Auch zu der Höhe der Kosten des neuen Projekts „Aquarium“ gibt es keine Informationen, der Tiergarten hält sich bedeckt: Im Jahresabschluss des Tiergartens 2022 wurde lediglich angeführt, dass die in den Vorjahren für das Aquarium und die Löwenanlage gesammelten Spenden in Höhe von 178 Tsd. Euro bis zum Start der beiden Projekte unter den passiven Rechnungsabgrenzungen ausgewiesen und im Jahr 2022 zu den Zuschüssen und Subventionen umgegliedert wurden.[9] Insgesamt hat sich der Stand der liquiden Mittel deutlich erhöht und stieg von 22,556 Mio. Euro auf 30,716 Mio. Euro. Damit wurde die Basis für die „gewaltigen anstehenden Investitionen“ – wie insbesondere den geplanten Bau des neuen Aquariums – geschaffen.[10] Konkrete Zahlen, was der Bau des geplanten Aquariums kosten wird, wurden auch hier nicht angeführt; ebenso wenig, ob für das neue Projekt ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchgeführt wurde.
Aber es gibt noch weitere offene Fragen: Die Vergütung von Hering-Hagenbeck für das Geschäftsjahr 2022 betrug 296.904,93 Euro, dazu kommen eine 20%ige erfolgsabhängige Vergütung sowie ein „angemessenes Entgelt“ für die Führung der Gastronomie. Die Höhe der Vergütung des Geschäftsführers der Voracek KG wurde nicht öffentlich zugänglich gemacht; eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall einer zu Unrecht ausgezahlten Prämie wurde nicht vereinbart. Auch sind der Jahresabschluss und der Corporate Governance Bericht der Voracek KG nicht öffentlich zugänglich gemacht worden, da die Zustimmung des Geschäftsführers hierfür fehlt.[11]
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wann wurde das BMAW als 100%iger Eigentümer vom Geschäftsführer des Tiergartens darüber informiert, dass die bisher vorliegenden Pläne für ein neues Aquarium nicht umgesetzt und ein anderes Unternehmen beauftragt werden soll?
a. Sollte keine Information ergangen sein, ist man den Medienberichten nachgegangen?
i. Wenn nein: Warum nicht?
ii. Wenn ja: Welche Informationen wurden an das BMAW übermittelt?
b. Wenn Informationen ergangen sind, wie sind diese erfolgt?
2. Aus welchen Gründen wurde das alte Projekt des Aquariumneubaus verworfen und ein neues Projekt begonnen?
3. Wurde das BMAW darüber informiert, dass das Unternehmen ZQD GmbH in Hamburg mit der Projektierung beauftragt werden soll bzw. beauftragt wurde?
a. Wenn ja: Wann und in welcher Form wurde das BMAW darüber informiert?
b. Wenn nein: Wann und wie hat das BMAW davon erfahren?
4. Waren dem BMAW Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass Hering-Hagenbeck bis zu seiner Bestellung als Geschäftsführer des Tiergartens Geschäftsführer der ZQD GmbH war?
5. War dem BMAW bekannt, dass die Geschäftsführung der ZQD GmbH nunmehr die Tochter von Hering-Hagenbeck innehat?
6. Welche Schritte hat das BMAW gesetzt, um eine transparente Ausschreibung und Vergabe eines neuen Aquariums zu garantieren?
7. Wurde für die neue Beauftragung der ZQD GmbH ein Vergabeverfahren durchgeführt?
a. Wenn ja: Welche Verfahrensart wurde hier gewählt?
b. Was war das Ergebnis des Vergabeverfahrens?
c. Wenn nein: Warum nicht?
8. Gibt es für das nunmehr neue Projekt der ZQD GmbH eine Kostenkalkulation?
a. Wenn ja: Wie sieht diese im Detail aus? Bitte um Übermittlung.
b. Wenn nein: Hat das BMAW veranlasst, dass diese vom Tiergarten vorgelegt wird und wenn ja, wann?
9. Wurde der Aufsichtsrat des Tiergartens gemäß Punkt 8.1.4 des Bundes Public Corporate Governance Kodex 2017 (B-PCGK 2017) zeitnah und umfassend darüber informiert, dass das bereits geplante Projekt nicht in dieser Form umgesetzt, sondern in anderer Form verwirklicht werden soll?
a. Wenn ja: Wann und in welcher Form wurde diese Information erteilt?
b. Wenn nein: Warum nicht?
10. Ab welcher Höhe ist für eine Investition die Zustimmung des Aufsichtsrates vorgesehen und wurde diese für den Bau des nunmehr „neuen“ Aquariums ordnungsgemäß eingeholt?
a. Wenn nein: Warum nicht?
11. Wurde Punkt 8.1.3. des B-PCGK 2017 eingehalten, wonach Maßnahmen der Geschäftsführung, die zu einer erheblichen oder grundlegenden Veränderung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage oder der Risikostruktur des Unternehmens führen könnten, der vorherigen Zustimmung des Überwachungsorgans bedürfen?
a. Wenn nein: Warum nicht?
b. Wenn ja: Wurde die Zustimmung erteilt und wenn ja in welcher Form?
12. Ist der Bau des Aquariums im Tiergarten eine Großinvestition, für die eine Beschlussfassung durch die Gesellschafter nach § 35 Abs 1 GmbHG vorausgesetzt wird?
a. Wenn ja: Wurde hier ein Beschluss gefasst?
b. Wenn nein: Weshalb nicht?
13. Hat das BMAW als Alleingesellschafter zu irgendeiner Zeit der Geschäftsführung des Tiergartens im Zusammenhang mit der neuen Projektierung des Aquariums eine schriftliche oder mündliche Weisung oder Weisungen erteilt?
a. Wenn ja: Wann, in welcher Form und welchen Inhalt hatten diese? Wie sind diese dokumentiert?
b. Wenn nein: Warum nicht?
14. Fallen durch das neue Projekt zusätzliche Kosten an, z.B. im Hinblick auf behördliche Genehmigungen, die nunmehr erneut einholt werden müssen?
a. Wenn ja: Mit welchen Kosten ist hier zu rechnen und wie lange wird sich der Neubau verzögern?
15. Wird das BMAW aufgrund der geäußerten Bedenken und nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage als Alleingesellschafter im aktuellen Geschäftsjahr den Geschäftsführer entlasten?
a. Wenn ja: Nimmt das BMAW in Kauf, dass damit der Geschäftsführer von Schadenersatzansprüchen, die aus Verstößen der Tätigkeit als Geschäftsführer erwachsen könnten, befreit wird?
b. Gibt es eine Schätzung zur Höhe des bei dem Tiergarten eingetretenen potenziellen Schadens, der durch die Handlungen des Geschäftsführers entstanden sein könnte und wenn ja: Sind diese von der D&O Versicherung abgedeckt?
c. Wie hoch sind die jährlichen Prämien für die D&O Versicherung für den Tiergarten und die Gastronomie für die Mitglieder des Aufsichtsrats und die Geschäftsführung?
16. Hering-Hagenbeck wurde neben der Geschäftsführung des Tiergartens auch die Geschäftsführung der Gastronomie übertragen.
a. Warum wurde für die Stellenbesetzung der Gastronomie, die eine 100%-ige Tochtergesellschaft des Tiergartens ist und sich damit in Bundeseigentum befindet, kein gesetzlich vorgesehenes Verfahren nach dem Stellenbesetzungsgesetz durchgeführt?
b. Wie hoch ist die jährliche Gesamtvergütung für Hering-Hagenbeck für die Geschäftsführung der Gastronomie und weshalb wurde diese nicht im Corporate Governance Bericht 2022 angeführt?
17. Auf welcher Basis wurde die Geschäftsführervergütung für den Tiergarten berechnet und wurde die Geschäftsführervergütung einer Angemessenheitskontrolle unterworfen?
18. Unterliegt die Geschäftsführervergütung für den Tiergarten und die Gastronomie einer (jährlichen, quartalsweisen, monatlichen oder sonstigen) Indexierung und wenn ja, in welcher Höhe und wann wird diese angehoben?
[1] https://www.vienna.at/wiener-tiergarten-schoenbrunn-knackte-2022-2-millionen-besuchermarke/7938877 (abgerufen am 03.08.2023).
[2] https://www.krone.at/2247468 (abgerufen am 03.08.2023).
[3] Vgl. Bundesgesetz über die Errichtung einer Schönbrunner Tiergarten-Gesellschaft m. b. H. (Schönbrunner Tiergartengesetz), BGBl. Nr. 420/1991.
[4] https://www.zoovienna.at/media/uploads/dokumente/jahresabschluss_tgs_2022.pdf, S. 1.
[5] https://www.zoovienna.at/ueber-uns/mitarbeiter/stephan-hering-hagenbeck/ (abgerufen am 03.08.2023).
[6] https://www.zoovienna.at/media/uploads/dokumente/jahresabschluss_tgs_2022.pdf, S. 2. Unter den Aufsichtsratsmitgliedern, die vom Bund bestellt wurden, findet sich u.a. Altkanzler und ÖVP-Politiker Dr. Wolfgang Schüssel.
[7] https://www.companyhouse.de/ZOOQUARIUMCONSULTING-GmbH-Hamburg (abgerufen am 03.08.2023).
[8] https://www.krone.at/2247468; https://www.diepresse.com/13693136/neues-aquarienhaus-zoo-direktor-schon-wieder-in-der-kritik (abgerufen am 03.08.2023).
[9] https://www.zoovienna.at/media/uploads/dokumente/jahresabschluss_tgs_2022.pdf, S. 8. (abgerufen am 03.08.2023).
[10] https://www.zoovienna.at/media/uploads/dokumente/jahresabschluss_tgs_2022.pdf, S. 6. (abgerufen am 03.08.2023).
[11] https://www.zoovienna.at/media/uploads/dokumente/jahresabschluss_tgs_2022.pdf. (abgerufen am 03.08.2023).