15881/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.08.2023
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Eva Blimlinger, Olga Voglauer, Freundinnen und Freunde,

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Vorfälle bei Demonstration der rechtsextremen Identitären in Wien

 

Begründung

 

Am 29. Juli 2023 fand in der Wiener Innenstadt ein Aufmarsch der rechtsextremen Identitären statt. Für den rassistischen Aufmarsch wurde europaweit mobilisiert, so nahmen rechtsextreme bis neonazistische Gruppierungen aus Belgien (NSV), der Schweiz (Junge Tat) und Deutschland (Kameradschaft „Werra Elbflorenz“) an der Demonstration teil[1]. Auch Neonazis aus Österreich (Tanzbrigade) beteiligten sich am Aufmarsch der Identitären, die Freiheitliche Jugend war mit mehreren Mitgliedern anwesend und deren oberösterreichischer Landesobmann Silvio Hemmelmayr hielt sogar eine Rede[2].

Der gewählte Startpunkt der Rechtsextremen und Neonazis für ihren Aufmarsch am Mahnmal gegen Krieg und Faschismus bei der Albertina muss als gezielte Provokation eingestuft werden. Rechtsextreme setzten sich dabei auf den Kopf der Skulptur des „knienden und straßenwaschenden Juden“ und posierten mehrfach mit der „White Power“-Geste vor dem Mahnmal[3]. Warum die Versammlungsbehörde hier nicht schon im Vorfeld eingeschritten ist, um solche unwürdigen Szene zu verhindern, ist unverständlich. Jedoch hätte spätestens vor Ort die Einsatzleitung auf die Kundgebungsteilnehmer:innen oder die Kundgebungsleitung einwirken müssen, um ein derartiges Handeln, das einer Demütigung der Opfer des Faschismus und Nationalsozialismus gleichkommt, sofort zu unterbinden. Der Platz hinter der Albertina und der Staatsoper ist groß genug, um einen Versammlungsort abseits des Mahnmals zur Verfügung zu stellen.

Während der Versammlung konnten bei Teilnehmenden eine Vielzahl an verbotenen Symbolen wahrgenommen werden, zum Beispiel einschlägige Tätowierungen mit Bezug zu nationalsozialistischer Symbolik oder Halsketten mit dem verbotenen Symbol der Identitären[4]. Beobachter:innen berichten, dass es zu keinem Zeitpunkt ein Einschreiten seitens der Behörden gegen das Zuschaustellen verbotener Symbole bei dieser öffentlichen Versammlung gab. 

Nach Auflösen der rechtsextremen Kundgebung auf der Freyung setze sich ein Trupp von circa 30 Neonazis aus Deutschland vom geordneten Abstrom ab und bewegte sich ungehindert durch die Polizeiabsperrungen Richtung Wipplingerstraße. Dort griff der Trupp eine antifaschistische Demonstration unter anderem mit Flaschenwürfen an und es kam zu Auseinandersetzungen. Warum der Trupp beim Abstrom Richtung Wipplingerstraße nicht gestoppt wurde oder zumindest von der Polizei begleitet wurde, ist unverständlich, handelte es sich dabei offensichtlich um gewaltbereite Neonazis aus Deutschland, die der Kameradschaft „Werra Elbflorenz“ zuzurechnen sind und die T-Shirts mit Aufschriften wie „Erschießungskommando“ oder „Kampf der Nibelungen“ (eine neonazistische Kampfsportveranstaltung in Deutschland) sichtbar trugen[5].

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

 

  1. Welche Person oder welcher Verein trat bei der Versammlung der Identitären am 29. Juli 2023 in der Wiener Innenstadt als Anmelder in Erscheinung? Welche verantwortliche Person übernahm die Kundgebungsleitung?

 

2.    Fand eine polizeiliche Vorbesprechung der angezeigten Versammlung statt?

a.    Wenn ja, welche Behörden nahmen daran teil? Bitte um detaillierte Liste.

b.    Wenn ja, welche sonstigen Organisationen oder Einzelpersonen nahmen daran teil?

c.    Wenn ja, war das LVT Wien an der Vorbesprechung beteiligt?

d.    Wenn, nein warum nicht?

 

3.    War der Versammlungsbehörde oder dem LVT Wien klar, welche Gruppierungen an der Demonstration teilnehmen würden? Wurde mit der Teilnahme von Neonazis und anderen rechtsextremen Personen gerechnet?

4.    Wurde das LVT Wien oder die DSN von ausländischen Partnerdiensten oder Behörden darüber informiert, dass rechtsextreme Gruppierungen eine Teilnahme an der Demonstration in Wien planen?

a.    Wenn ja, bitte um detaillierte Darstellung der Informationen und der genannten neonazistischen und rechtsextremen Gruppierungen und Einzelpersonen.

b.    Wenn ja, von welchen ausländischen Diensten wurden sie informiert?

c.    Wenn ja, wie wurde diese Information behandelt und an die diensthabenden Kolleg:innen weitergegeben?

 

5.    Welche Sicherheitseinschätzung hatte das LVT Wien oder die DSN bezüglich der Versammlung, insbesondere aufgrund der möglichen Teilnahme gewaltbereiter Rechtsextremer und Neonazis?

6.    Welche Vorkehrungen wurden diesbezüglich getroffen?

 

7.    Wie viele Beamt:innen waren insgesamt an diesem Tag im Einsatz, wie viele uniformiert, wie viele in zivil und wo wurden diese eingesetzt?

 

8.    Wie lautete das Einsatzziel der beteiligten Beamt:innen für diesen Tag?

9.    Wurde der Aufmarsch der Rechtsextremen und Neonazis vom LVT Wien oder der DSN beobachtet? Waren Beamt:innen vor Ort?

a.    Wenn ja, wie viele?

b.    Wenn nein, warum nicht?

 

10. Wurden Verstöße nach dem NS-Verbotsgesetz, nach dem Symbole- oder Abzeichengesetz von der Polizei, dem LVT Wien oder dem DSN beobachtet?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, schritten die Beamt:innen diesbezüglich ein?

c.     Wie viele Anzeigen gab es in diesem Zusammenhang und welche (verwaltungs-)strafrechtlichen Delikte wurden zur Anzeige gebracht?

 

11. Wurden Personen, die öffentlich verbotene Symbole zur Schau stellen, von der Polizei, dem LVT Wien oder der DSN auf der Versammlung wahrgenommen?

a.    Wenn ja, wurden diese Personen identifiziert, perlustriert und angezeigt?

b.    Wenn nein, warum nicht?

12. Aus welchem Grund konnten sich Rechtsextreme und Neonazis am Mahnmal für die Opfer von Krieg und Faschismus sammeln? War das ein ausdrücklicher Wunsch der Anmelder? War der genaue Versammlungsort Teil der polizeilichen Vorbesprechung?

13. Wurde seitens der Versammlungsbehörde ein anderer Ort in Erwägung gezogen und den Anmeldern unterbreitet, zumal das gängige Praxis bei angezeigten Versammlungen ist und eine Verlegung des Versammlungsortes in direkter Nähe keinen Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellt? Wenn nein, warum nicht?

14. Warum wurde den Anmeldern kein anderer Versammlungsort zur Verfügung gestellt? Sieht die Versammlungsbehörde, das LVT Wien oder die DSN hier keinen Handlungsbedarf, wenn Rechtsextreme und Neonazis sich vor derart historischen Denkmälern versammeln wollen?

15. Konnten Beamt:innen der LDP Wien, des LVT Wien oder des DSN wahrnehmen, dass sich Teilnehmer:innen der rechtsextremen Versammlung auf den Kopf der Skulptur des „knienden und straßenwaschenden Juden“ setzen?

a.    Wenn ja, wurden diese Personen von den Beamt:innen angesprochen und aufgefordert solche Handlungen zu unterlassen?         Wenn nein, warum nicht?

16. Sieht die Versammlungsbehörde ein Problem darin, Versammlungen von Rechtsextremen und Neonazis an historischen Orten, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, stattfinden zu lassen? Wie will die Behörde das in Zukunft handhaben?

17. Warum konnte ein Trupp gewaltbereiter deutscher Neonazis nach Auflösung der rechtsextremen Versammlung auf der Freyung den geordneten Abstrom ungehindert verlassen? Warum wurde diese Personengruppe nicht von der Polizei begleitet?

 

18. Konnte nach dem Angriff diese Personengruppe oder Teile davon aufgegriffen werden? Wenn ja, konnten diese Personen einer Gruppierung zugerechnet werden und handelte es sich dabei um deutsche Staatsbürger?

 

19. Wurden diese Personen angezeigt?

a.    Wenn ja, wie lautet die Anzeige?

                                          i.    Wenn nein, warum nicht?

 

20. Die Identitären werden von der DSN als rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Wie stuft die DSN oder das LVT Wien die Freiheitliche Jugend ein, zumal sich zwischen Identitären und Freiheitlicher Jugend offensichtliche Parallelen in inhaltlicher und personeller Hinsicht aufzeigen lassen? Sind der DSN oder dem LVT Wien diese (personellen) Überschneidungen bekannt?

 

21. Wird die Freiheitliche Jugend von der DSN oder dem LVT Wien als rechtsextrem eingestuft? Wenn nein, warum nicht?



[1] https://www.jfda.de/post/remigrationsdemo-in-wien und https://twitter.com/PresseWien/status/1687390390654009345

[2] https://www.endstation-rechts.de/news/neurechtes-milieu-will-wieder-millionen-menschen-loswerden

[3] https://twitter.com/florianklenk/status/1687392418595803136?s=20 und https://twitter.com/MichaelBonvalot/status/1685400567814762496

[4] https://twitter.com/PresseWien/status/1687390500636999680

[5] https://twitter.com/PresseWien/status/1686325257752248320