15945/J XXVII. GP
Eingelangt am 11.08.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Ermittlungen wegen Polizeigewalt in den letzten Jahren - und dann?
Die Problematik von Polizeigewalt in Österreich war in den letzten Jahrzehnten im Zuge der Berichterstattung über Einzelfälle immer ein emotionales Thema in der polit-medialen Debatte, die aber nie in seriösen Reformen für einen menschenrechtskonformen Umgang mit Beschwerden mündete. Anfang Juli 2023 beschlossen die Regierungsfraktionen im Nationalrat eine Änderung des Gesetzes über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK-G), welche die Einrichtung einer Ermittlungs- und Beschwerdestelle für Misshandlungsvorwürfen gegen Polizist:innen vorsieht. Diese wird als Organisationseinheit im Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) im Innenministerium angesiedelt werden.
"Diese Konstellation wurde sofort von vielen Expert:innen wie z.B. dem Menschenrechtsexperten Manfred Nowak, Annemarie Schlack (Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich) oder Rechtsanwalt Clemens Lahner kritisiert. Auch wir NEOS mahnten von Beginn an zu einem Umdenken. Im Begutachtungsverfahren wurden auch zahlreiche Stellungnahmen (z.B. von Amnesty International, epicenter.works, ZARA, Volksanwaltschaft, ÖRAK, etc.) abgegeben, die unter anderem die Ansiedelung der Ermittlungs- und Beschwerdestelle innerhalb des Innenministeriums sehr kritisch sehen. Der Kritikpunkt: Durch eine Ansiedelung innerhalb des Innenministeriums wären unabhängige Ermittlungen nicht gewährleistet; auch schafft es kein Vertrauen in der Bevölkerung, wenn die Polizei gegen sich selbst ermittelt.
Aus menschenrechtlicher Sicht ist das zentrale Argument, dass sich aus Artikel 2 und 3 EMRK die Verpflichtung ergibt, dass Untersuchungen von Beschwerden gegen die Polizei unabhängig erfolgen müssen. Das heißt 'zwischen Ermittler und dem von der Beschwerde betroffenen Polizeibeamten sollte weder eine institutionelle noch eine hierarchische Verbindung bestehen. Zudem muss die Unabhängigkeit auch in der Praxis bestehen.' Auch erklärte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), eine Institution des Europarates, schon 1999, 'dass es weitaus wünschenswerter wäre, wenn die Untersuchungen zu Beschwerden wegen Misshandlungen durch Polizeibeamte von Personen außerhalb der Polizeikräfte geführt würden, die über angemessene Qualifikationen und Kompetenzen verfügen.' Das CPT hat schon 2014 Österreich daran erinnert, dass für eine 'wirkungsvolle Untersuchung der Anschuldigungen von Misshandlungen durch die Polizei die Vorgehensweisen unabhängig und unparteiisch sein und auch so erkannt werden müssen.'
Eine unabhängige Stelle hätte nicht nur für (vermeintlich) Betroffene einen Vorteil, sondern auch für die Polizei selbst, die ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießt und im Großen und Ganzen gute Arbeit leistet. So hielt die Volksanwaltschaft schon 2016 fest: 'Eine Initiative in Richtung polizeiexterne Ermittlungsbehörde müsste aber aus Sicht der VA schon deshalb im Interesse des BMI liegen, da die Polizei immer wieder wegen einzelner Misshandlungsvorwürfe, die von Medien aufgegriffen und zum Gegenstand ausführlicher Berichterstattung gemacht werden, in eine – im Ergebnis mitunter nicht gerechtfertigte – optische 'Schieflage' gerät. Eine von der Polizei losgelöste Ermittlungsbehörde würde einerseits Vorwürfe des „Unter-den-Teppich-Kehrens“ minimieren und andererseits die Polizei vor eventuell ungerechtfertigten Vorwürfen schützen.'"1
Es muss daher für Klarheit bei Misshandlungsfällen gesorgt werden, die sowohl den Betroffenen als auch den redlichen Polizeibeamt:innen zugutekommt. Eine solche Klarheit wird jedoch nur durch Unabhängigkeit der Beschwerdestelle gewährleistet- und diese ist wiederum innerhalb des Innenressorts nicht sichergestellt. Vielmehr bedarf es einer anderweitigen Ansiedelung der Stelle. Seitens uns NEOS wird man die Entwicklungen mit Argusaugen beobachten.
Seit 7. Jänner 2020 ist die türkis-grüne Bundesregierung im Amt. Auch seither gab es einige Vorfälle von Vorwürfen, zu denen wir die Beschwerdeverfahren durch parlamentarische Anfragen kontrollierend beobachten wollten. Leider waren die Reaktionen auf unsere Fragen zum Teil ausweichende oder keine Antworten - mit Verweis auf laufende Ermittlungen.
Um dafür Sorge zu tragen, dass die anhängigen Verfahren bestmöglich und der Aufbau der neuen Beschwerdestelle im BAK durch Auswahl der objektiv besten Interessent:innen ablaufen, stellen wir hiermit Folgefragen zu diesen Anfragen.
1. Anfragen hinsichtlich Strafprozesse im Zusammenhang mit der Polizei:
2. Anfragen hinsichtlich Statistik im Zusammenhang mit der Polizei:
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Klima-Demo vom 31.05.2019:
1. Es gab hinsichtlich der Vorkommnisse auf der Klima-Demo vom 31.05.2019 Ermittlungen gegen acht Exekutivbeamte. Mit welchem Ergebnis?
i. Wenn ja, wann gegen wen?
i. Wenn ja, warum und wann gegen wen?
2. Gab es aufgrund der Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts Wien strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit den falsch abgefassten Amtsvermerken?
i. Wenn ja, wann gegen wen?
i. Wenn ja, warum und wann gegen wen?
Tragischer Tod einer psychisch kranken Frau im Zuge eines Polizeieinsatzes vom 5.1.2021:
3. Liefen bzw. laufen weiterhin strafrechtliche Ermittlungen gegen die einschreitenden Polizeibeamt:innen?
i. Falls ja, warum?
i. Falls ja, gegen wen und auf Basis welcher Delikte?
i. Wenn ja, mit welchem Inhalt?
6. Wurden seitens des Ministeriums oder der OStA in der Causa Weisungen erteilt?
Ermittlungen wegen Übergriffs bei Corona-Gegendemo vom 2.10.2021:
14. Wie ist der Stand der Dinge der Ermittlungen?
i. Wenn ja, warum?
Polizeieinsatz in der Silvesternacht in Floridsdorf vom 31.12.2022:
17. Wie ist der Stand der Dinge der Ermittlungen hinsichtlich des Exekutivbeamten?
i. Falls ja, warum?
19. Gab es schon ein Urteil?
Polizeimisshandlungsvorwürfe zu Einsatz in Simmering vom 7.5. 2023:
20. Wie ist der Stand der Dinge der Ermittlungen hinsichtlich des Exekutivbeamten?
i. Falls ja, warum?
Statistiken:
24. Für die Jahre 2022 und 2023 wird um folgende Daten aus den elektronischen Registern der Verfahrensautomation Justiz gegliedert nach Bundesländern ersucht: