15952/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.08.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Notruf ohne Folgen - Keine Hilfe der Polizei trotz Lebensgefahr?

 

Kürzlich sorgte die Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde über die dienstlichen Verfehlungen eines Beamten für Aufsehen. Anfang 2022 ging in der Notrufzentrale Wien ein Anruf einer Frau ein, die aufgebracht und schreiend um Hilfe bat. Sie wurde von ihrem Lebensgefährten, über den kurz zuvor ein Annäherungs- und Betretungsverbot verhängt wurde, vor ihrer Wohnadresse bedroht (1).

Die Frau erhoffte sich rasche Hilfe seitens der Polizei - doch die Reaktion des Beamten macht sprachlos. Die Antwort aus der Notrufzentrale: "Kann es sein, dass ihr zwei ein bissl deppert seids." Gefolgt von einem Abbruch des Gesprächs, bekam die Frau keine Hilfe. Nach Urteil der Bundesdisziplinarbehörde wurden weder Sofortmaßnahmen eingeleitet noch wurde ein Einsatzprotokoll angelegt (2).

In weiterer Folge wurde die Frau durch mehrmalige Stichverletzungen lebensgefährlich verletzt. Die Rettung verständigte der Beamte erst, als ein Zeuge Minuten später bei einem Kollegen anrief. Erst dann protokollierte er nachträglich den Einsatz, notierte allerdings die Telefonnummer des Zeugen. Da dies auffiel, wurde ein Disziplinarverfahren über den Beamten wurde eröffnet. Im Rahmen dessen bekannte sich der Beamte für teilweise schuldig und rechtfertigte seine Reaktion mit einer "verbalen Entgleisung" und einem "emotionalen Ausrutscher", da er den Ernst der Lage nicht erkannt hätte.

Das Ergebnis? Keine Entlassung, keine tiefgehenden Konsequenzen, bloß eine Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von € 8.000,-. Diese geringen disziplinarrechtlichen Konsequenzen wurden ausgesprochen, obwohl der Beamte laut seinem Vorgesetzten "nicht stressresistent" wäre, bereits mehrere Beschwerden eingelangt waren und er keinerlei langfristige Besserung gezeigt hatte.

 

(1) Polizist wimmelte Frau in Todesangst am Notruf ab: "Seids deppert?" | kurier.at

(2) RIS - Ungebührliches Verhalten am Notruf 2023-0.023.267 - Bundesdisziplinarbehörde, Disziplinarkommissionen (bka.gv.at)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wann wurde die Notrufzentrale erstmals von einem möglichen Gewaltakt informiert? 
  2. Welche Angaben wurden seitens der Anruferin am Telefon zu diesem Zeitpunkt getätigt?
  3. Laut Urteil der Bundesdisziplinarbehörde rechtfertigte der Beamte seine Aussage mit in der Vergangenheit erfolgten "derartigen Verbalinjurien". Gab es in der Vergangenheit schon "derartige Verbalinjurien," die zu Gewaltdelikten geführt haben? Wenn ja, bitte um Auflistung nach Tatbestand und Vorgehensweise.
  4. Laut Urteil der Bundesdisziplinarbehörde wird bei einer falschen Einschätzung des Sachverhaltes der "Anruf neuerlich abgespielt und Kollegen hinzugezogen". Wieso wurde dies in diesem konkreten Fall nicht gemacht?
  5. Der Beamte wurde aufgrund der genannten Reaktion zu einer Disziplinarstrafe iHv. € 8.000,- verurteilt.
    1. Wie viele Fälle einer Bestrafung aufgrund der Verletzung von § 44 Abs 1 BDG iVm. den Dienstanweisungen der Polizei gab es innerhalb der letzten 5 Jahre? Bitte um Auflistung nach Jahr.
    2. Wie viele Fälle einer Bestrafung aufgrund der Verletzung von § 43 Abs 1 BDG gab es innerhalb der letzten 5 Jahre? Bitte um Auflistung nach Jahr. 
  1. Gegen den Beamten gab es laut Aussage des Vorgesetzten bereits mehrere Beschwerden. Wie viele Beschwerden gab es seit Tätigkeitsbeginn des Beamten? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und Art der Beschwerde)
    1. Gab es bereits Disziplinarverfahren gegen den Beamten? 

                                          i.    Wenn ja, mit welchem Ausgang? 

                                        ii.    Wenn ja, welche Strafen in welcher Höhe?

                                       iii.    Wenn ja, aufgrund der Verletzung welcher Vorschrift?

  1. Weshalb wurde der Beamte trotz mehreren Gesprächen und lediglich kurzfristig erfolgender Besserung immer noch in der Notrufzentrale beschäftigt? 
  2. Gab es schriftliche oder mündliche Verwarnungen gegenüber den Beamten seitens seines Vorgesetzten, bzw. seiner Vorgesetzten? 
  3. Laut Plädoyer des Disziplinaranwaltes sind "In Anbetracht von einer Vielzahl an Frauenmorden derartige Hilferufe umgehend und ordnungsgemäß zu bearbeiten". Wie stellen Sie sicher, dass Beamt:innen in Ihrem Ressort mit solchen akuten Notlagen entsprechend umgehen und solche Vorfälle sich nicht wiederholen? 
  4. Welche Schulungen/ Fortbildungen etc. gibt es in Ihrem Ressort hinsichtlich der Sensibilisierung von Beamt:innen bei Notrufen?