15962/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.08.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

 

betreffend Folgeanfrage: Katastrophale Arbeitsbedingungen für Paketbot*innen

 

Die erschreckenden Berichte, die im Frühjahr 2023 zu den Arbeitsbedingungen für Paketbot*innen am DPD Standort in Kalsdorf bei Graz veröffentlicht wurden, werfen noch immer zahlreiche Fragen auf. „Arbeitstage von bis zu 17 Stunden, Stundenlöhne von sechs Euro: Dokumente deuten auf höchst fragwürdige Arbeitsbedingungen im DPD-Verteilerzentrum hin. DPD wisse um die Bedingungen, behaupten Eingeweihte“ – so beschrieb die Tageszeitung Der Standard die Situation an diesem Standort.

Die Recherche des Standard zeigte auf Basis zugespielter Dokumente eine katastrophale Situation. Stunden- und Fahrtenlisten, Arbeitsverträge, Lohnzettel und Interviews mit betroffenen Arbeitnehmer*innen des Logistikzentrum Kalsdorf bei Graz (Depot 0628) machten auf katastrophale Arbeitsbedingungen aufmerksam. Zahlreiche Indizien und internationale Vergleichsrecherchen lassen dabei vermuten, dass der Betreiber DPD um die Arbeitszustände im Logistikzentrum wusste. DPD ist dabei Marktführer im Bereich der Paketzustellung und hält in Österreich einen Marktanteil von knapp 19 Prozent – allein 2022 lieferte DPD in Österreich 66 Millionen Pakete aus. Zu den Bedingungen der Angestellten in den immer wieder wechselnden Subunternehmen berichtet der Standard aus dem Interview mit einem Arbeitnehmer: „Seine Arbeit beginne im Depot, dort scanne er Pakete und sortiere sie anschließend in seinen Lieferwagen ein. Erst gegen acht verlasse er das Gelände. An guten Tagen seien es 100 Stopps, an schlechten Tagen 200 Stopps und bis zu 350 Pakete. Seine zwei Sandwiches isst er während der Fahrt, seine Toilette ist der Straßenrand. Zeit für Pausen habe er nicht – auch wenn er laut Arbeitsvertrag dazu verpflichtet sei, sich an Lenkzeiten, Lenkpausen und Ruhezeiten zu halten. Stelle er ein Paket falsch oder zu spät zu oder halte er sein Auto nicht sauber, zahle er bis zu 50 Euro Strafe. Ein entsprechender Strafenkatalog findet sich in seinem Arbeitsvertrag, der dem STANDARD vorliegt.“

Dass es in diesem Zusammenhang massiven politischen Handlungsbedarf gibt, wurde insbesondere durch die parlamentarischen Anfragebeantwortungen 14439/AB und 14409/AB deutlich. Zwar scheinen den zuständigen Mitgliedern der Bundesregierung die massiven Probleme beim Arbeitnehmer*innenschutz von Paketlieferant*innen bewusst zu sein, konkrete Lösungsvorschläge bleiben aber aus. Insbesondere die lapidare Feststellung, dass keine Gesetzesnovellen zur besseren Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping im Bereich der Paketzustelldienste geplant sind, unterstreicht, dass die Bundesregierung diesen Problemen nicht die notwendige Aufmerksamkeit widmet.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

Anfrage:

 

1.    Wie viele Kontrollen nach den Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) wurden durch Träger der Krankenversicherungen in den Jahren 2018 bis 2022, sowie bisher im Jahr 2023 in Logistikzentren von Paketdienstleistern, deren Sub-Unternehmen bzw. Leiharbeitsfirmen im Bereich der Paketdienstleistung durchgeführt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr und Bundesland.

2.    In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2018 bis 2022, sowie bisher im Jahr 2023 Strafen gegen Paketdienstleister, deren Sub-Unternehmen bzw. Leiharbeitsfirmen im Bereich der Paketdienstleistung wegen Verstößen gegen die sozialversicherungsrechtlichen, arbeitsrechtlichen bzw. abgabenrechtlichen Bestimmungen verhängt? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr und Sanktionsgrund, sowie um Angabe der Strafhöhen.

3.    Wurden im Bereich Ihres Ressorts insbesondere Lohnkontrollen in Bezug auf Arbeitnehmer*innen, die dem ASVG unterliegen, in Zusammengang mit dem DPD-Standort Kalsdorf bei Graz durchgeführt?

a.    Wenn ja, mit welchen konkreten Ergebnissen?

b.    Wurden solche Kontrollen auch an anderen DPD-Standorten in Österreich durchgeführt? Wenn ja, bitte um Auflistung der Prüfung nach Standorten.

4.    Welche konkreten Wahrnehmungen hat Ihr Ressort hinsichtlich der Arbeitssituation von Paketbot*innen, insbesondere im gegebenen Fall, durch die GPLB-Prüfungen?

5.    Sind seitens Ihres Ressorts konkrete gesetzliche Änderungen zur besseren Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping gegenüber der Beschäftigten im Paketdienstleistungsbereich geplant?

a.    Wenn ja, welche und wann sollen diese umgesetzt werden?

b.    Wenn nein, warum sehen Sie dazu keine Notwendigkeit?

6.    Welche Wahrnehmungen liegen Ihrem Ressort und insbesondere der Finanzpolizei hinsichtlich möglicher Missstände, Prüfungen und Strafen gegen die drei Gesellschafter von DPD in Österreich in den letzten zehn Jahren vor? Bitte um detaillierte Auflistung.

7.    Im Dezember 2022 gab es eine größere Kontrolle am DPD-Standort Radstadt: Welche Erkenntnisse liegen Ihrem Ressort dahingehend vor?

a.    Wie viele Anzeigen gab es in diesem Zusammengang?

b.    Welche Daten liegen Ihrem Ressort dahingehend vor, wie sich die Sub-Frächter/EPU-Struktur von DPD-Depots, die von Lagermax geführt werden, zu jenen von Gebrüder Weiss in Kalsdorf oder Hall in Tirol unterscheidet?