16007/J XXVII. GP
Eingelangt am 25.08.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Folgeanfrage II: Österreichische Unterstützung für das Lager Lipa in Bosnien
Nach Angaben des UNHCR wurden zwischen Januar 2018 und Oktober 2021 in Bosnien und Herzegowina (BiH) rund 84.000 Migrant:innen, Flüchtlinge und Asylsuchende registriert. Kaum einer von ihnen beantragte in BiH in diesem Zeitraum internationalen Schutz, insgesamt stellten 2.731 Personen Anträge - lediglich 3,2% - obwohl viele von ihnen beabsichtigten, einen Asylantrag zu stellen (z.B.: 93% von ihnen beabsichtigten im Oktober 2021, einen Asylantrag zu stellen). Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, warten oft über ein Jahr lang auf eine Entscheidung. Im Jahr 2021 betrug die durchschnittliche Dauer des Asylverfahrens in BiH bis zur erstinstanzlichen Entscheidung nämlich 444 Tage. In den letzten 4 Jahren wurde nur 7 Asylwerber:innen der Flüchtlingsstatus zuerkannt, 109 Personen erhielten einen subsidiären Schutzstatus. Im Jahr 2022 erhielten 46 Personen einen subsidiären Schutzstatus.1 Das Asylsystem in BiH ist aufgrund institutioneller Mängel, begrenzter Kapazitäten in der zuständigen Behörde und einer hohen Anzahl an angestauten Fällen nicht funktionsfähig - es besteht kein effektiver Zugang zum Asylsystem.2
Die Aufnahmebedingungen der Schutzsuchenden stehen aufgrund menschenunwürdiger Zustände schon jahrelang in der Kritik, insbesondere in Lipa. Das erste Aufnahmezentrum in Lipa war das von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) verwaltete Notzeltlager. Es wurde offiziell am 21. April 2020 als vorbeugende Maßnahme gegen die Covid-19-Pandemie eröffnet und beherbergte bis zu 1.000 Personen. Das Lager wurde am 23. Dezember 2020 geschlossen, da es nicht winterfest war. Ein Brand zerstörte es am selben Tag fast zur Gänze. Die Verlagerung der dort aufhältigen Menschen scheiterte jedoch, weshalb sie in den Überresten des Lagers verblieben und die bosnischen Behörden entschieden mit IOM das Lager Lipa wieder in Betrieb zu nehmen - doch die Lebensbedingungen blieben zunächst katastrophal. Zwischen Januar und April 2021 lebten rund 900 Migrant_innen und Asylsuchende unter unmenschlichen Bedingungen und ohne Zugang zu Nahrung, Wasser und Strom im Notaufnahmelager Lipa in der Form eines provisorischen Zeltlagers. Zwischen Mai und Oktober 2021 verblieben rund 2.000 Menschen, darunter Familien und Kinder, unter freiem Himmel, in verlassenen Häusern, Fabrikhallen und Wäldern im Kanton Una-Sana.
Am 19. November 2021 eröffneten die bosnischen Behörden mit Unterstützung der EU und unter Beteiligung weiterer europäischer Staaten ein neues "temporäres Aufnahmezentrum" in Lipa (TRC Lipa). Es wird von bosnischen Behörden in Zusammenarbeit mit IOM, UN-Organisationen und anderen Hilfsorganisationen betrieben. Insgesamt können in dem Lager bis zu 1.500 Personen untergebracht werden. 1.000 Plätze sind für alleinstehende Männer, 300 Plätze für Familien und 200 Plätze für unbegleitete Minderjährige vorgesehen. Mit Stand 6. Dezember 2021 waren im TRC Lipa 382 Personen aufhältig.
Die Antragstellerin konnte sich im Rahmen von zwei Besuchen davon überzeugen, dass im Vergleich zu den Zuständen in den von April 2020 bis November 2021 betriebenen Einrichtungen die Lebensbedingungen im neuen TRC Lipa besser sind, jedoch ist auch dieses in vielerlei Hinsicht problematisch: Das TRC Lipa befindet sich 2 Kilometer von der nächsten asphaltierten Staatsstraße und 24 Kilometer von der Stadt Bihać entfernt. Somit sind jegliche Einrichtungen (Krankenhäuser, Schulen, Bahnhöfe, Supermärkte usw.) nur schwierig zu erreichen - die Isolation ist vor allem für Familien oder unbegleitete Minderjährige problematisch, z.B. was den Zugang zu Bildungseinrichtungen angeht. Darüber hinaus sind Kinder auf der Flucht über die Balkan-Route in Richtung der EU häufig Schlägen, sexuellem Missbrauch und anderen Formen der Gewalt ausgeliefert.3 Des weiteren herrschen aufgrund der Höhenlage im Winter besonders harte Bedingungen - die Temperaturen sinken z.T. auf -15°C.4
Seit mehr als zwei Jahren ist offensichtlich, dass die Erhaltung von Lagern in Lipa eine Problembewirtschaftung darstellt. Trotzdem beteiligte sich Österreich im hohen Ausmaß an der Errichtung des neuen TRC Lipa und gab nicht die damals vom ehemaligen Innenminister, Karl Nehammer, angekündigten 500.000 Euro dafür aus,5 sondern insgesamt sogar 821.671,98 Euro - wie sich in der Beantwortung zur NEOS-Anfrage 11750/J herausstellte6. Davon gingen 321.671,98 Euro in die Anschaffung von Containern. Zur finanziellen Beteiligung Österreichs kam es, weil das Sicherheitsministeriums von BiH sich nach dem Brand in Lipa ans BMI gewendet hatte. Jedoch blieben viele der in der NEOS-Anfrage 11750/J gestellten Fragen unbeantwortet,- etwa, welche Maßnahmen getroffen wurden, um sicherzustellen, dass Österreich sich durch seine finanzielle Unterstützung nicht an einem menschenrechtswidrigen Umgang mit Menschen auf der Flucht, darunter auch Minderjährige, beteiligt. Inwieweit die Unterstützung eines solchen Lagers für eine gute Asyl- und Migrationspolitik sinnvoll ist, kann das Innenministerium auch nicht argumentieren. Dass Push-Backs und Kettenzurückweisungen von Kroatien nach Bosnien stattfinden, wäre dem Bundesministerium für Inneres - trotz Verurteilung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte7 und ausführlichem Bericht des Antifolterkommittees8 - anscheinend auch nicht bekannt.
Im April 2023 schaffte es Lipa wieder in die Schlagzeilen: Die Medien berichteten über die Errichtung einer Hafteinheit in Lipa. Der Bau der Hafteinheit soll von Anfang an geplant und von der EU gesondert ausgeschrieben worden sein. Das ICMPD bekam den Zuschlag iHv 500.000 Euro. Die Einheit umfasst mehrere Container und ist umzäunt, wurde laut Medienberichten allerdings noch nicht in Betrieb genommen. Rund um diese Hafteinheit sind noch viele Fragen ungeklärt, insbesondere inwiefern es dort zu Anhaltungen und Freiheitsentzügen kommen soll, welche Rechtsmittel den Betroffenen zur Verfügung stehen sollen und, ob auch Abschiebungen geplant sind.9 Es besteht daher ein hohes Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts sowie an dem Ausmaß der Verstrickungen des Innenministeriums mit Lipa.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Wenn ja, zu welchen Kosten?
i. Wenn ja, zu welchen Kosten?
i. Wenn ja, welche und zu welchen Kosten?
i. Wenn ja, welche?
i. Wenn ja, welche konkret?
i. Wann jeweils?
ii. Mit welchen konkreten Inhalten?
1. Ging es je um die Hafteinheit im TRC Lipa?
iii. Mit welchen konkreten Ergebnissen?
i. Wann jeweils?
ii. Mit welchen konkreten Inhalten?
iii. Mit welchen konkreten Ergebnissen?
i. Wann jeweils?
ii. Mit welchen konkreten Inhalten?
iii. Mit welchen konkreten Ergebnissen?
i. Wenn ja, bis wann?
ii. Wenn Sie hierzu keine Informationen eingeholten haben: warum nicht?
i. Wenn ja, wann und durch welche konkrete Maßnahme?
ii. Wenn nein, warum nicht?
i. Wenn ja, wann und durch welche konkrete Maßnahme?
ii. Wenn nein, warum nicht?
i. War die Errichtung der Hafteinheit im TRC Lipa Thema?
ii. Welche Positionen vertraten Sie bzw. Vertreter:innen Ihres Ressorts und das IOM-Büro jeweils?
i. War die Errichtung der Hafteinheit im TRC Lipa Thema?
ii. Welche Positionen vertraten Sie bzw. Vertreter:innen Ihres Ressorts und das IOM-Büro jeweils?
i. War die Errichtung der Hafteinheit in Lipa Thema?
i. Wenn ja, welche?
i. War eine Errichtung der Hafteinheit in Lipa Thema?
i. Wenn ja, welche?