16009/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.08.2023
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Anfrage

des Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

betreffend Missbrauch der Überbetrieblichen Ausbildung

 

Die überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) ist ein Auffangnetz für Jugendliche, die keine Lehrstelle finden können - sie erhalten in vom Staat finanzierten Lehrwerkstätten die Möglichkeit, eine Lehre anzufangen. Erklärtes Ziel ist dabei, in eine betriebliche Lehre übernommen zu werden und die Lehrausbildung in einem Lehrbetrieb zu Ende zu bringen. Die ÜBA ist ein wichtiges Instrument, um allen Jugendlichen eine Chance auf eine Lehrausbildung und eine gute berufliche Zukunft zu geben - gleichzeitig müssen die Rahmenbedingungen so ausgestaltet sein, dass die ÜBA wirklich nur als Auffangnetz dient und die Vermittlung in eine betriebliche Lehre oberstes Ziel bleibt. 

Einige Mechanismen können diesem Ziel entgegenwirken - einerseits haben Träger Interesse daran, möglichst viele überbetriebliche Lehrlinge aufzunehmen, da sie sich durch die überbetriebliche Lehre finanzieren. Jugendliche können von der geschützten Lernumgebung und der starken Unterstützung profitieren und wollen eventuell die Sicherheit ihrer überbetrieblichen Lehre nicht verlassen. Auch für Unternehmen gibt es Fehlanreize. Im Rahmen der ÜBA und insbesondere der Ausbildungsvariante ÜBA 2 absolvieren Jugendliche Praktika bei Betrieben - die fachpraktische Ausbildung findet gerade in der ÜBA 2 überwiegend in Praxisbetrieben statt. Für Unternehmen stellt die ÜBA 2 eine Möglichkeit dar, billige Arbeitskraft zu akquirieren. In der Evaluierung der ÜBA von L&R Sozialforschung (2011) gaben 25 von 175 Praktikumsbetrieben freimütig zu, dass kostenlose Arbeitskraft eines der Hauptmotive war, Praktikant:innen aus der ÜBA aufzunehmen. Teils würden Unternehmen in „Zeiten starker Auslastung Praktikanten als Puffer einsetzen“. Auch der Rechnungshof benennt die kostenlose Zurverfügungstellung von Lehrlingen inkl. Unterstützung von den Ausbildungseinrichtungen in seinem Bericht zur ÜBA in Wien und Oberösterreich 2021 als möglichen Fehlanreiz für Betriebe.

Besonders verhindert werden sollten Situationen, in denen Lehrbetriebe Lehrlinge selbst einen Ausbildungsvertrag anbieten könnten, stattdessen aber den oder die Auszubildende:n auf eine überbetriebliche Lehre verweisen und auf Dauer als Praktikumsgeber fungieren. Unternehmen sparen sich so den finanziellen Aufwand für die Lehrlingsentschädigung und werden zusätzlich vom Ausbildungsträger in der Betreuung unterstützt. Die Kosten verlagern sich hierbei auf die Allgemeinheit und der Lehrling ist gegenüber einer betrieblichen Lehre finanziell schlechter gestellt, da er:sie eine geringere Entschädigung erhält. Die ÜBA ist nicht als dauerhaftes Lehrlingsüberlassungsinstrument gedacht, sondern soll ein Sprungbrett in die betriebliche Lehre sein. Für Lehrlinge, die mehr Unterstützung brauchen, gibt es zudem die verlängerte Lehrzeit und Teilqualifikation, die Betrieben dabei helfen soll, diesen Lehrlingen trotzdem ein Lehrverhältnis anzubieten zu können. 

Sowohl in der Evaluierung von L&R als auch im RH-Bericht werden Möglichkeiten genannt, wie ein Missbrauch der ÜBA als Lehrlingsüberlassungsinstrument entgegengewirkt werden kann. So können Ausbildungsträger einen Kostenbeitrag pro Lehrling einheben, falls Unternehmen das Praktikumssystem ausnutzen und kann die Maximaldauer eines Praktikums im Rahmen der ÜBA beschränkt werden. Der Rechnungshof schreibt zu Letzterem allerdings lediglich: Hinsichtlich der in einem einzelnen Betrieb maximal möglichen Praktikumsdauer sah die Bundesrichtlinie zur ÜBA vor, dass diese jeweils vom Landesdirektorium festzulegen war.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen Unternehmen das Praktikumssystem der ÜBA ausnutzen, um Lehrlinge dauerhaft kostenlos beschäftigen zu können?
    1. Wenn ja, wie viele Fälle? 
    2. Wenn ja, wie wurde seitens Ihres Ministeriums auf die Fälle reagiert?
  1. Wie und wo können Mitarbeitende bzw. Außenstehende Fälle melden, bei denen ein möglicher Missbrauch der ÜBA vorliegt?
  2. Wie lange dauern Praktika im Rahmen der ÜBA in der Regel?
  3. Wie viele Ausbildungsträger hantieren einen Kostenbeitrag für Unternehmen, die Lehrlinge im Rahmen von langfristigen Praktika beschäftigen? 
    1. Wie hoch ist so ein Kostenbeitrag in der Regel?
  1. Haben alle Landesdirektorien Regeln bezüglich einer maximal möglichen Praktikumsdauer in einem einzelnen Betrieb festgelegt?
    1. Wie lang ist die Maximaldauer eines Praktikums in den verschiedenen Bundesländern?
  1. Gibt es andere Regelungen betreffend einer maximal möglichen Praktikumsdauer bzw. andere Regelungen, die einen Missbrauch der ÜBA als Lehrlingsüberlassungsinstrument verhindern sollen?
  2. Wie wird garantiert, dass Unternehmen die ÜBA nicht als Umgehungskonstrukt verwenden, um nicht für die Lehrlingsentschädigung aufkommen zu müssen?
  3. Wie garantiert das AMS die selektive Zuweisung von Teilnehmenden zur ÜBA im Sinne der Zielgruppendefiniton?
  4. Ist eine Überarbeitung der Gesetzeslage bzw. Richtlinien vorgesehen, um Missbrauch bzw. Fehlanreize im Rahmen der ÜBA entgegenzuwirken?