16053/J XXVII. GP
Eingelangt am 30.08.2023
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend 100.000 Euro Starterbonus für neue Kassenärzte
Am 25. Juli 2023 hat das Online-Medium der Tageszeitung „Der Standard“ folgenden Artikel veröffentlicht:[1]
"SOMMERMINISTERRAT"
100.000 Euro Starterbonus für neue Kassenärzte
Regierung reagiert mit Maßnahmenparket auf grobe Mängel im Gesundheitssystem. Auch die Medikamentenversorgung soll ausgeweitet werden
Ein Sommerministerrat ist in der Regel ein kleines politisches Schauspiel. Die Regierung tritt vor der Urlaubszeit – in Regierungskreisen fällt die traditionell in den August – zusammen. Es wird Einigkeit und Betriebsamkeit beschworen und ein Maßnahmenpaket vorgelegt. Normal (sic!) wird der Sommerministerrat irgendwo außerhalb Wiens abgehalten, in nett-sommerlichem Ambiente. Diesmal nicht: Der Sommerministerrat 2023 fand am Dienstag (bei Regen) im Kanzleramt statt – wie die gewöhnlichen Ministerratstreffen auch. Wenig Tamtam, keine große Inszenierung, Thema: Gesundheit.
"Grantiger" Minister
So habe niemand eine lange Anfahrt, der Standort Kanzleramt sei praktisch, so die Argumentation. Ein Regierungsmitglied vermutete vor Ort: Die Außenlocations seien teuer – und jedes Jahr stelle die Opposition eine parlamentarische Anfrage zu den Kosten. Manche Journalistinnen mutmaßten hingegen, die Regierungsstrategen wollten die Erwartungshaltung niedrig halten: Wird zu einem Großevent im Wiener Umland geladen, erwarten Medienvertreter auch inhaltlich ein Großpaket, dem wäre die Verkündung vom Dienstag womöglich nicht gerecht geworden. Diesen Gedanken wollte der grüne Gesundheitsminister gleich wieder ausräumen: "Ich werde ein bissl grantig, wenn das nicht als großer Wurf erkannt wird", sagte Johannes Rauch.
Ein Überblick, was die türkis-grüne Regierung präsentiert hat:
1. Hundert neue Kassenarztstellen
In Österreichs Gesundheitssystem klaffen offene Wunden. Das haben die vergangenen Jahre und Monate deutlich gemacht: überlastetes Pflegepersonal, lange OP-Wartelisten, überfüllte Notaufnahmen – und ein gravierender Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten in manchen Fächern. Bis Jahresende sollen nun 100 zusätzliche Kassenstellen im niedergelassenen Bereich entstehen. Als "Anreiz" einigte sich die Koalition auf einen "Startbonus" von bis zu 100.000 Euro pro Stelle für Kassenpraxen. Er ist für ausgewählte Fachgebiete vorgesehen: Hausärztinnen, Kinderärzte sowie Gynäkologinnen. "Hier gibt es einen großen Mangel", sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei der Pressekonferenz. Die neuen Stellen waren bereits angekündigt. Seitens der Gesundheitskasse hieß es im Vorfeld, dass 100 neue Kassenstellen heuer gar nicht besetzt werden könnten.
2. Mehr Vorrat an Medikamenten
Probleme bereitete zuletzt auch die Medikamentenversorgung. So waren im Winter etwa Asthmasprays für Kinder kaum zu bekommen. Jetzt sollen Lager für wichtige Wirkstoffe angelegt werden, auf die Apotheken zugreifen können, um bei Lieferengpässen selbst Arzneien herstellen zu können. Die Regierung verspricht künftig auch mehr Transparenz bei Versorgungsengpässen.
3. Psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen
Verlängert wird das Projekt "Gesund aus der Krise" zur psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Dadurch würden zusätzlich 10.000 Kinder und Jugendliche kostenlose psychologische Unterstützung und Psychotherapie erhalten, kündigte die Regierung an. Um den Bedarf an psychosozialer Versorgung besser zu decken, sollen klinisch-psychologische Behandlungen der Psychotherapie gleichgestellt werden. Die Ausbildung für Psychotherapeuten soll künftig an Universitäten angeboten werden.
4. Ausbau der Prävention
Um schwere Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, will die Regierung Präventionsprogramme ausbauen – etwa mit Anreizen, regelmäßig eine Vorsorgeuntersuchung zu machen. Bei diesem Punkt wurde Gesundheitsminister Rauch persönlich: Er war selbst schwer an Krebs erkrankt gewesen. Das hätte er sich ersparen können, wenn es dieses Programm gegeben hätte, meinte der Gesundheitsminister. Geplant sei etwa der Aufbau eines bundesweiten Darmkrebs-Screening-Programms.
5. Digitale Unterstützung
Außerdem will die Regierung ein Pilotprojekt zur digitalen Begleitung chronisch Kranker starten. So sollen etwa Menschen mit Diabetes oder Migräne einen digitalen Begleiter (über eine Handy-App) erhalten, der sie im Alltag unterstützt und Symptome dokumentiert.
Das Gesamtpaket würde den Staat rund 200 Millionen Euro kosten, heißt es seitens der Regierung. Ausstehend sind strukturelle Reformen im Gesundheitsbereich. Diese müssten in Abstimmung mit den Ländern im Rahmen des Finanzausgleichs beschlossen werden. Diese Verhandlungen laufen allerdings schleppend.
Außerdem erhöht die Regierung rückwirkend mit 2023 die jährliche Förderung für jüdisches Leben von vier auf sieben Millionen Euro. "Das beste Mittel im Kampf gegen Antisemitismus ist die Förderung und die Sichtbarmachung jüdischen Lebens", hatte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) vor dem Sommerministerrat erklärt. Die Zuwendungen sollen der jüdischen Gemeinde unmittelbar zugutekommen und unter anderem Maßnahmen im Bereich Sicherheit, Erhaltung und Pflege des Kulturerbes unterstützen. (Katharina Mittelstaedt, Jan Michael Marchart, 25.7.2023)
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Warum wurde der Sommerministerrat diesmal in Wien im Bundeskanzleramt abgehalten und welche Kosten wurden dadurch im Gegensatz zu einer anderen geplanten „Location“ eingespart?
2. Woran soll der Bürger die Inszenierung des Sommerministerrats als „großen Wurf erkennen“?
3. Warum wurden die im Artikel angesprochenen Punkte des Sommerministerrats nicht vorab schon in Zuge einer Umsetzung der Gesundheitsreform kundgetan?
4. Welche Punkte sind jetzt explizit neu?
5. Sie wollen hundert neue Kassenarztstellen bis Jahresende. Wie sollen diese besetzt werden?
6. Handelt es sich hierbei um bereits ausgebildete Ärzte, die schon der Annahme einer Kassenarztstelle zugestimmt haben?
a. Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
b. Wenn nein, gibt es überhaupt schon entsprechende Ärzte, mit denen diese hundert Stellen besetzt werden können?
i. Wenn nein, warum kündigen Sie das dann an?
7. Welche genauen Kosten entstehen durch die Neuschaffung dieser hundert Stellen?
8. Wie schlüsselt sich nach welchen Kriterien die Verteilung des „Startbonus“ von bis 100.000 Euro konkret auf?
9. Wie sieht die Verteilung der Fachärzte (wie etwa Hausärzte, Kinderärzte, Gynäkologen etc.) dieser hundert Stellen aus?
10. Sieht Ihre Strategie auch eine Unterstützung oder Verbesserung der Situation von Kassenärzten vor, die bereits jetzt das Gesundheitssystem aufrechterhalten?
11. Welche Strategie haben Sie im Zuge des Sommerministerrates betreffend das überlastete Pflegepersonal ausgearbeitet?
a. Wann wird dieser Missstand beseitigt sein und mit welchen Kosten rechnen Sie?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
12. Welche Strategie haben Sie im Zuge des Sommerministerrates betreffend die langen OP-Wartelisten ausgearbeitet?
a. Wann wird dieser Missstand beseitigt sein und mit welchen Kosten rechnen Sie?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
13. Welche Strategie haben Sie im Zuge des Sommerministerrates betreffend die überfüllten Notaufnahmen ausgearbeitet?
a. Wann wird dieser Missstand beseitigt sein und mit welchen Kosten rechnen Sie?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
14. Welche Strategie haben Sie im Zuge des Sommerministerrates betreffend den gravierenden Mangel an Fachärzten in manchen Fächern (wie etwa Hausärzte, Kinderärzte, Gynäkologen etc.) ausgearbeitet?
a. Wann wird dieser Missstand beseitigt sein und mit welchen Kosten rechnen Sie?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
15. Wie wollen Sie die Medikamentenversorgung hinkünftig sicherstellen?
a. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
16. Wann, wo und wie sollen welche Medikamente nun bevorratet werden?
a. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
17. Wann, wo und wie sollen mit welchen Wirkstoffen ausgestattete Lager für Apotheke angelegt werden?
a. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
18. Welche konkreten Rahmenbedingungen und Anforderungen sollen hinkünftig bei Lieferengpässen Gültigkeit finden, damit Apotheken selbst Arzneien herstellen können?
a. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
19. Wie wollen Sie mehr Transparenz bei Versorgungsengpässen erreichen?
a. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
20. Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie zur psychosozialen Versorgung von Kindern und Jugendlichen hinkünftig unternehmen?
a. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
21. Welche Evaluierung zur Treffsicherheit und Wirksamkeit liegt zum Projekt "Gesund aus der Krise" vor und inwiefern und wie lange soll dieses verlängert werden?
a. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
22. Wie wollen Sie zusätzlich 10.000 Kindern und Jugendlichen eine kostenlose psychologische Unterstützung bieten?
a. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
b. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
23. Wann wird die klinisch-psychologische Behandlungen der Psychotherapie gleichgestellt?
a. Wie wird diese Gleichstellung konkret aussehen?
b. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
c. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
24. Wann wird die Ausbildung für Psychotherapeuten an Universitäten angeboten?
a. Wie wird diese Ausbildung an der Universität ausgestaltet werden?
b. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
c. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
25. Welche konkreten digitalen Unterstützungsmaßnahmen planen Sie im Zusammenhang mit der Begleitung chronisch Kranker?
a. Welche Krankheiten bzw. Patientengruppen sollen abgedeckt werden?
b. Mit welchen Kosten sind Ihre diesbezüglichen Maßnahmen verbunden?
c. Welche Ziele haben Sie sich in diesem Zusammenhang gesetzt?
26. Das Gesamtpaket würde 200 Millionen Euro kosten. Ist das für eine ernstgemeinte Reform ausreichend?
a. Warum soll nur so wenig Geld zur Verfügung stehen?
b. Warum verlaufen die Verhandlungen des Finanzausgleichs schleppend?
c. Wer steht bei diesen Verhandlungen bzw. bei der Reform auf der Bremse?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000180341/sommerministerrat-beschaeftigt-sich-mit-baustellen-im-gesundheitssystem