1608/J XXVII. GP
Eingelangt am 22.04.2020
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Anfrage
des Abgeordneten Ing. Mag. Volker Reifenberger
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Rechtsbruch bei der Bestellung des Direktors der Wiener Staatsoper
Im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien zu FN 184018s ist die Wiener Staatsoper GmbH eingetragen. Alleingesellschafterin der Wiener Staatsoper GmbH ist die im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien zu FN 184066k eingetragene Bundestheater-Holding GmbH, die wiederum im Alleineigentum der Republik Österreich steht. Die Wiener Staatsoper GmbH ist sohin ein 100%iges Tochterunternehmen der Republik Österreich.
Der eigentlich bis 31. August 2020 laufende Vertrag des derzeitigen künstlerischen Geschäftsführers der Wiener Staatsoper GmbH („Staatsoperndirektor“), Herrn Dominique Meyer, wird vorzeitig mit 30. Juni 2020 beendet, damit dieser seinem künftigen Engagement als Intendant der Mailänder Scala nachkommen kann.
Entsprechend der öffentlichen Ausschreibung der Funktion des künstlerischen Geschäftsführers der Wiener Staatsoper GmbH vom 9. November 2016 wird die Stelle ab 1. September 2020 auf die Dauer von fünf Jahren besetzt und endet am 31.08.2025. Als Nachfolger von Dominique Meyer wurde in der Folge als künstlerischer Geschäftsführer der Wiener Staatsoper GmbH („Staatsoperndirektor“) Dr. Bogdan Roscic präsentiert. Im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 10. März 2017 wurde die Bestellung von Herrn Dr. Roscic mit 1. September 2020 schließlich bekanntgemacht.
Durch das vorzeitige Ausscheiden von Herrn Dominique Meyer mit 30. Juni 2020 besteht nunmehr eine Vakanz der Stelle des künstlerischen Geschäftsführers der Wiener Staatsoper GmbH von zwei Monaten.
Wie aus der Anfragebeantwortung des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport vom 27. März 2020 (715/AB) hervorgeht, wird diese vakante Stelle für den Zeitraum 1. Juli 2020 bis zum 31. August 2020 entgegen den eindeutigen gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen ohne Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung mit Herrn Dr. Bogdan Roscic besetzt. Wie aus dieser Anfragebeantwortung ebenfalls hervorgeht, wird die formelle Bestellung des Herrn Herrn Dr. Bogdan Roscic durch den Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport vorbereitet bzw. wurde zwischenzeitlich vielleicht bereits vorgenommen und soll für den Zeitraum 1. Juli 2020 bis zum 31. August 2020 ein gesonderter Vertrag abgeschlossen werden.
Gemäß § 12 Abs. 4 Bundestheaterorganisationsgesetz erfolgt die Bestellung der Geschäftsführer der Tochtergesellschaften der Bundestheater-Holding GmbH durch den Bundeskanzler nach Anhörung der Geschäftsführung der Bundestheater-Holding GmbH und des Aufsichtsrates der betreffenden Gesellschaft (hier: Wiener Staatsoper GmbH). Auf die Bestellung des künstlerischen Geschäftsführers („Staatsoperndirektor“) findet das Stellenbesetzungsgesetz, BGBl. I Nr. 26/1998, mit der Maßgabe Anwendung, dass mit dieser Funktion auch Personen betraut werden können, die sich nicht im Rahmen der Ausschreibung um diese Funktion beworben haben. Die Ausschreibung der Funktionen erfolgt durch die Bundestheater-Holding GmbH im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler. Dies ist sowohl in § 12 Abs. 4 Bundestheaterorganisationsgesetz, als auch in § 8 Abs. 2 der Erklärung gemäß § 3 Abs. 2 GmbHG über die Errichtung der Wiener Staatsoper Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der derzeit geltenden Fassung vom 25.09.2015 eindeutig geregelt. In § 2 des Stellenbesetzungsgesetzes ist geregelt, dass der Bestellung von Mitgliedern des Leitungsorgans (hier: Geschäftsführer) von Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen (hier: Wiener Staatsoper GmbH), eine öffentliche Ausschreibung zwingend (!) voranzugehen hat. Die Ausschreibung hat jenes Organ vorzunehmen, das die Stelle zu besetzen hat.
Wenn der Bundeskanzler (oder der Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport) nunmehr wirklich beabsichtigen sollte, Herrn Dr. Bogdan Rosic für den Zeitraum von 1. Juli 2020 bis 31. August 2020 ohne vorherige Ausschreibung nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes zum künstlerischen Geschäftsführer („Staatsoperndirektor“) zu bestellen oder dies bereits getan hat, so würde er sowohl den gesetzlichen, als auch gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen zuwider handeln. Auch eine Anweisung des Bundeskanzlers (oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport) an die Geschäftsführer der Bundestheater-Holding GmbH (Mag. Annamaria Šikoronja-Martines und/oder Ruth Schuster) in der Generalversammlung der Wiener Staatsoper GmbH Herrn Dr. Bogdan Rosic bereits mit Wirkung ab 1. Juli 2020 zum künstlerischen Geschäftsführer („Staatsoperndirektor“) zu bestellen, wäre rechtswidrig und entgegen den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen und dürfte daher von diesen nicht befolgt werden.
Es kann davon ausgegangen werden, dass den handelnden Personen die vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen und gesellschaftsrechtlichen Regelungen bekannt sind. Herrn Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport Mag. Werner Kogler müssen sie jedenfalls spätestens seit seiner Anfragebeantwortung vom 27. März 2020 (715/AB) bekannt sein, sodass die Wissentlichkeit seines rechtswidrigen Handelns angenommen werden kann.
Durch das Unterlassen der gesetzlich vorgeschriebenen Ausschreibung hat man potentielle Mitbewerber um die Funktion des künstlerischen Geschäftsführers der Wiener Staatsoper GmbH („Staatsoperndirektor“) für den Zeitraum 1. Juli 2020 bis zum 31. August 2020 in ihren Rechten geschädigt.
In Betracht kommen hier unter Umständen die Delikte nach § 302 StGB (Missbrauch der Amtsgewalt), § 153 StGB (Untreue) und weitere.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage:
1. Ist Ihrem Ressort der geschilderte Sachverhalt rund um die Bestellung des Direktors der Wiener Staatsoper bereits bekannt?
2. Wenn ja, seit wann?
3. Können Sie hinsichtlich des geschilderten Sachverhalts eine strafrechtliche Relevanz, insbesondere in Hinblick auf die Tatbestände der Untreue oder des Amtsmissbrauches ausschließen?
4. Wenn ja, warum?
5. Wenn nicht, welche weiteren Verfahrensschritte sind in Aussicht genommen?