16176/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.09.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Landesverteidigung

betreffend Österreichs Beitrag zur Entminung in der Ukraine

Im Gegensatz zu Präsident Alexander Van der Bellen (und auch dem Grünen Wehrsprecher David Stögmüller) haben sich Bundeskanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner mehrmals strikt gegen eine Beteiligung an der Entminung der Ukraine – selbst in nicht mehr vom Krieg betroffenen Regionen – ausgesprochen. Für den Bundeskanzler stellt ein Entminungseinsatz in einem in einen Konflikt verwickelten Land ein Problem mit der österreichischen Neutralität dar.

Verteidigungsministerin Tanner lag zuerst auf der Linie des Kanzler und meinte, dass man militärische Entminung nicht von humanitärer unterscheiden könne. Die Verteidigungsministerin konnte sich aber dennoch vorstellen, dass sich Österreich an einer Entminungsoperation der Europäischen Union finanziell beteiligt. Ein derartiges Vorgehen würde im krassen Gegensatz zum österreichischen Ansatz zu EU-Militärhilfe stehen, wo Österreich klarstellt, dass österreichische Finanzmittel an die Friedensfazilität nicht für militärische, sondern ausschließlich für zivile Hilfe verwendet werden dürfen, und folglich zivile und militärische Verwendung streng trennbar sein müssen.

Wenige Tage nach der Stellungnahme der Verteidigungsministerin merkte Außenminister Alexander Schallenberg beim Außenministertreffen am 22. Mai an, dass Österreich sich ohnehin bereits an der Entminung in der Ukraine im Rahmen der OSZE beteilige, und dass man humanitäre von militärischer Entminung sehr wohl unterscheiden könne. Die Verteidigungsministerin adoptierte nun die Auffassung des Außenministers und wiederholte, dass man im Rahmen der OSZE-Entminung ohnehin bereits teilnehme. Es gab keine Erklärung dazu, was genau ihren Meinungsumschwung bewirkt hatte.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.     Ist es möglich oder nicht möglich, militärische Entminung von humanitärer Entminung zu unterscheiden?

a.    Wenn nein, warum nicht? Entminung an der Front wird mit deutlich unterschiedlichem Gerät durchgeführt als Entminung in Gebieten hinter der Front.

b.    Wenn ja, bitte um Erläuterung, nach welchen Kriterien diese Unterscheidung getätigt werden kann.

2.      Aufgrund welcher Fakten hat die Bundesministerin für Landesverteidigung, in deren Aufgabenbereich Entminung fallen sollte, sich vom Außenminister bezüglich der Kategorisierung von Entminungsoperationen, umstimmen lassen?

3.      Österreich ist seit Jahren an Entminung am Balkan beteiligt. Handelt es sich dort um humanitäre oder militärische Entminung?

4.      Die Verteidigungsministerin pflichtete dem Kanzler bereits zu einer Zeit bei, dass man finanzielle Unterstützungen an Entminungsprojekte leisten könne, als sie noch der Meinung war, dass humanitäre Entminung nicht von militärischer zu trennen sei. Wenn Österreich finanzielle Beiträge auch für militärische Projekte leisten kann, warum ist eine Zweckwidmung österreichischer Beiträge an die Europäische Friedensfazilität notwendig?

5.      In der medialen Debatte um Österreichs Mithilfe bei der humanitären Entminung der Ukraine wird nun verlautbart, dass Entsendungen von Österreicher:innen unmöglich seien, finanzielle Teilnahme an einem Projekt aber geprüft würde. Gibt es eine neutralitätsrechtliche Unterscheidung zwischen personeller und finanzieller Unterstützung durch Österreich in einem kriegerischen Konflikt?

6.      Österreich ist der GASP und der GSVP vollinhaltlich beigetreten und kann daher an allen europäischen außenpolitischen und verteidigungspolitischen Unterfangen teilnehmen. Welche Einschränkungen macht die Verteidigungsministerin geltend, wenn sie europäische Entminungsprojekte als verfassungswidrig ablehnt?

7.      Die Bundesministerin hat sich der Auffassung des Außenministers angeschlossen, dass Entminung im Rahmen der OSZE verfassungskonform ist. Ist es zutreffend, dass das OSZE Entminungsprogramm im Donbass in unmittelbarer Frontnähe stattfindet? Ist im Falle des OSZE Projekts von einem humanitären Projekt zu sprechen? Wenn ja, nach welchen Kriterien?

8.      Wenn ein Beitrag zur Entminung im Rahmen der OSZE neutralitätsrechtlich möglich ist, aufgrund welcher neutralitätsrechtlicher Bestimmungen wäre eine Entminung durch ein Projekt der Europäischen Union nicht möglich?

9.      Eine Entsendung von Soldat:innen in die Ukraine für Entminung weitab von der Front wurde mehrmals als zu gefährlich ausgeschlossen. Österreich nimmt an internationalen Missionen teil. Derzeit stehen etwa 800 Personal im internationalen Einsatz. Wird derartigen Entsendungen ebenfalls nur zugestimmt, wenn sie für das österreichische Personal risikolos sind?

a.      Welche Risikokriterien werden herangezogen?

b.      Nach welchen Kriterien unternimmt österreichisches Personal Entminungstätigkeiten im Kosovo, lehnt sie aber in der Ukraine auch abseits von Kampfgebieten als zu riskant ab?