16251/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.09.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Equip4Ordi: Wiener Ärztekammer zeigt ihren früheren SPÖ-nahen Chef Szekeres an

 

 

Folgender Bericht erschien am 30. August 2023 in der Zeitung „Der Standard:[1]

 

Equip4Ordi

Wiener Ärztekammer zeigt ihren früheren Chef Szekeres an

 

Die Wiener Ärztekammer taumelt ins nächste Desaster. In der Causa um eine Tochterfirma zeigte Vizepräsident Ferenci Ex-Chef Szekeres wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch an

 

Die zerstrittene Wiener Ärztekammer kommt weiterhin nicht zur Ruhe. Das mächtige Gremium, das mit dem aktuellen Thema der Personalmissstände im Gesundheitswesen genug zu tun hätte, muss sich seit Monaten mit dem Chaos im eigenen Haus beschäftigen. In den Chefetagen tobt ein Machtkampf.

 

Im Mittelpunkt der ausgebrochenen Grabenkämpfe stehen mutmaßliche Missstände bei einer Tochterfirma der Wiener Kammer. Dabei handelt es sich um die mittlerweile aufgelassene Ärzte-Einkaufsplattform Equip4Ordi (E4O). Es geht unter anderem um Prämienzahlungen auf Basis falscher Gewinne sowie um fragwürdige Kreditgeschäfte in Millionenhöhe.

 

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in der Causa seit einiger Zeit wegen des Verdachts der Untreue, der Begünstigung und des schweren Betrugs. Zuletzt wurde Anfang August bekannt, dass auch gegen Johannes Steinhart – er ist Präsident der Wiener und der österreichischen Ärztekammer – als Beschuldigten ermittelt wird. Hier geht es laut Staatsanwaltschaft um den Verdacht der Beteiligung an einer Untreue. Vorwürfe richten sich auch gegen die beiden Ex-Geschäftsführer von E4O sowie einen Mitarbeiter der Wiener Ärztekammer. Diese behaupten, sie hätten auf Weisung oder Genehmigung Steinharts gehandelt – was dieser stets zurückgewiesen hatte.

 

Steinhart noch im Krankenstand

Präsident Steinhart selbst befindet sich seit April im Krankenstand und zog sich temporär aus den Führungsfunktionen zurück. Er soll nach Angaben der Wiener Ärztekammer aber noch im Laufe des Septembers seine Ämter wieder übernehmen, wie es auf Anfrage zum STANDARD hieß. Die amtsführenden Geschäfte der Wiener Ärztekammer übernahm Vizepräsident Stefan Ferenci.

 

In dieser Funktion sorgt Ferenci nun für einen Paukenschlag: In einer Mitteilung an die Staatsanwaltschaft Wien, die am Montag übersendet wurde, zeigte Ferenci den ehemaligen Ärztekammer-Chef Thomas Szekeres wegen seiner Verwicklungen in die Causa E4O an. "Nach eingehender Prüfung und Begutachtung durch mehrere Juristen – sowohl strafrechtlich als auch verwaltungsrechtlich – hat sich leider gezeigt, dass es einen Verdacht gibt, dass Amtsmissbrauch durch den ehemaligen Präsidenten Thomas Szekeres begangen wurde", sagte Ferenci in einer Stellungnahme. "Einen verdienten Funktionär wie Szekeres anzuzeigen ist eine Sache, die man nicht leichtfertig macht." Die Gesetze würden das laut Ferenci aber verlangen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Eine telefonische Anfrage bei Szekeres blieb vorerst unbeantwortet.

 

Tochterfirma schon 2020 in finanzieller Schieflage

Die Grundlage der Anzeige ist ein Gutachten von Rechtsanwalt Markus Höcher, das dieser im Auftrag der Wiener Kammer durchgeführt hat. Im Kern gibt es den Verdacht, dass Szekeres als Präsident seine Aufsichtspflicht in der Causa E4O verletzt haben soll. Konkret geht es darum, dass im März 2020 die in finanziellen Problemen befindliche Tochterfirma der Kurie angestellte Ärzte der Wiener Ärztekammer mittels eines Beschlusses unter dem damaligen Kurien-Chef Steinhart 900.000 Euro an Ärztekammergeld erhielt - und zwar als nachrangiges Darlehen. Der Vorstand der Ärztekammer hatte kurz davor dieses Geld aus dem "Kampf- und Aktionsfonds" freigegeben - allerdings nur für Öffentlichkeitsarbeit zum Thema E4O. Im Beschluss der Ärztekammer war von einem Darlehen für die Tochterfirma keine Rede.

 

Darauf wies auch Ferenci hin, der damals noch Finanzreferent der Wiener Ärztekammer war. Er verweigerte nach Eigenangaben seine Unterschrift unter dem Beschluss der Kurie im März 2020. Szekeres, damals Präsident der Ärztekammer, unterzeichnete aber trotz der fehlenden notwendigen Unterschrift Ferencis den Beschluss.

 

Zwar soll die Equip4Ordi noch im Jahr 2020 die 900.000 Euro Darlehen zurückgezahlt haben. Laut dem Gutachten von Rechtsanwalt Höcher soll aber stattdessen eine weitere Tochterfirma der Wiener Kammer - die Ärztefunkdienst Projektbetreuungs Gmbh - weitere Darlehen an Equip4Ordi gewährt haben. Im Gutachten ist hier die Rede von insgesamt fast 2,5 Millionen Euro. Diese sollen in den Büchern aber nicht aufgefallen sein, weil zum Jahreswechsel beide Unternehmen miteinander verschmolzen wurden - ehe sie kurz danach wieder getrennt wurden. Laut Anwalt Höcher sei hier eine "Umschichtung" ohne ersichtliche Rechtsgrundlagen wie Darlehensvereinbarungen erfolgt. "Insgesamt ist wirtschaftlich sogar von einer Vermögensverschlechterung auszugehen, weil die E4O weiterhin einem Liquditätsrisiko ausgesetzt war". Die Vergabe an E4O in Höhe von fast 2,5 Millionen Euro stufte er als "Risikogeschäft" ein.

 

Über die Anzeige von Ferenci gegen Szekeres wurden die Wiener Kammer-Mitglieder am Dienstagnachmittag in Kenntnis gesetzt. Für Mittwochabend ist eine Info-Veranstaltung angesetzt - die ohne weiteres aber auch als Krisensitzung zu titulieren wäre. Die Chaos-Tage in der Wiener Ärztekammer gehen weiter.

 

 

In diesem Zusammenhang richten die Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch und Peter Wurm an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Kennen Sie als zuständiger Gesundheitsminister die Anzeige gegen den ehemaligen SPÖ-nahen Ärztekammerpräsidenten Dr. Thomas Szekeres?

2.    Wie beurteilt das BMSGPK die behaupteten strafrechtlich relevanten Vorhalte gegen Spitzenfunktionäre der Wiener Ärztekammer im Zusammenhang mit Prämienzahlungen auf Basis falscher Gewinne sowie um fragwürdige Kreditgeschäfte in Millionenhöhe?

3.    Kennen Sie als zuständiger Gesundheitsminister das einschlägige Gutachten von Rechtsanwalt Markus Höcher in dieser Causa?

4.    Wissen Sie als zuständiger Gesundheitsminister von Ermittlungen in der Causa wegen des Verdachts der Untreue, der Begünstigung und des schweren Betrugs?

5.    Welche Konsequenzen können diese Ermittlungen im Hinblick auf einschlägige Bestimmungen im Ärztegesetz für die (Ex-)Ärztekammer-Spitzenfunktionäre Dr. Johannes Steinhart und Dr. Thomas Szekeres nach sich ziehen?

6.    Lassen Sie sich als zuständiger Gesundheitsminister bzw. lässt sich das BMSGPK laufend vom unmittelbar für die Aufsicht über die Wiener Ärztekammer zuständigen Amt der Wiener Landesregierung Bericht über den Stand der Ermittlungen Bericht erstatten?

a.    Wenn ja, wie stellt sich die aktuelle Sach- und Faktenlage in dieser Causa in diesem Zusammenhang dar?

7.    Welche Auswirkungen hat diese Causa auf die Arbeit der Bundes-Ärztekammer und die durch diese wahrzunehmenden Agenden?



[1] https://www.derstandard.at/story/3000000184784/wiener-aerztekammer-zeigt-ihren-frueheren-chef-szekeres-an