16281/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.09.2023
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

Betreffend Schutz vor Gefahren im Internet für Kinder und Jugendliche

 

 

Kinder und Jugendliche sind in Österreich NICHT ausreichend vor Pornographie, Gewalt, Konfrontation mit Missbrauch, Anbahnung von persönlichen Kontakten mit Missbrauchsabsicht sowie „Abzocke“ in Zusammenhang mit Internet-Nutzung geschützt!

 

Die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 2023 (angenommener Initiativbericht[1]) fordert einheitliche Regeln, damit Eltern einen guten Überblick und Kontrolle darüber haben, welche Spiele ihre Kinder spielen, wie viel Zeit sie damit verbringen und wie viel Geld sie ausgeben.

 

Damit soll sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche besser vor den möglichen Schäden von Online-Videospielen und gezielter Werbung geschützt werden.

 

Es fordert bessere Instrumente zur elterlichen Kontrolle im Einklang mit dem Alterseinstufungssystem PEGI (Pan European Game Information). Dadurch könnten die Eltern mehr Kontrolle über die Spielgewohnheiten ihrer Kinder auszuüben und Zeit und Geld, die ihre Kinder in Videospiele investieren, besser zu überwachen.[2]

 

Derzeit gibt es zwei Systeme die bzgl. Computer/Videospielen angewendet werden. Zum einen PEGI (Pan European Game Information), welches in 38 europäischen Ländern als Empfehlung für die Altersfreigabe zur Anwendung kommt, in einigen anderen gesetzlich vorgeschrieben ist. Zum anderen USK, diese Altersfreigabe ist verpflichtend und muss sowohl am Datenträger als auch auf der Verpackung erkenntlich sein.[3]

 

Die EU-Abgeordneten begrüßen das EU-Forschungsprojekt "Kids Online", im Rahmen dessen Daten aus ganz Europa über die Erfahrungen von Kindern mit Online-Videospielen gesammelt werden. Das Parlament fordert eine EU-Finanzierung für dieses und andere ähnliche Projekte.[4]

 

Besonders in der Kenntnis, dass 73 % der Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren, 84 % der Elf- bis Vierzehnjährigen und 74 % der Jugendlichen im Alter von 15-24 Jahren Videospiele spielen.  Die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie hat die Online-Nutzung noch verstärkt. Es ist erwiesen, dass eine übermäßige Nutzungsdauer von Online-Videospielen, die durch ein manipulatives Design noch begünstigt wird, zu einer Abhängigkeit und „Spielsucht“ führen kann, wie sie in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO)2 definiert wird.

 

„Durch das Internet, insbesondere durch soziale Netzwerke wird die Zurschaustellung des  Privaten im öffentlichen, virtuellen Raum zunehmend begünstigt und erhöht infolgedessen  gleichfalls das Gefährdungspotenzial für die Verletzung von Privatsphäre und Intimität. Davon betroffen ist vorwiegend die naive, heranwachsende Generation, die praktisch dazu genötigt wird, vieles von sich preiszugeben, wenn sie auf ihrem Onlineprofil den Kontakt mit den Peers pflegen möchte.

 

Die Ursachen für den unbedachten Umgang mit den sensiblen Privatdaten liegen meist darin begründet, dass Kinder und Jugendliche einerseits ihre persönlichen Informationen ungeschützt ins Netz stellen, andererseits deren Reichweite, Nachhaltigkeit sowie (Eigen-) Dynamik unterschätzen. Auch fällt es ihnen schwer, zwischen Inhalten zu differenzieren, die tatsächlich veröffentlicht werden können, und jenen, die eher privat gehalten werden sollen. Sozusagen fehlt es ihnen dahingehend an Bewusstsein, dass die Gefahr meist mit den fraglichen Inhalten zusammenhängt sowie mit der Schwierigkeit, die situative Medienumgebung von sozialen Netzwerken korrekt beurteilen zu können. Auch leben sie in der Annahme, „die digitale Selbstdarstellung unter Kontrolle zu haben, dass man also das komplexe Gesamtbild, das man von sich digital mosaikhaft zusammensetzt, steuern könne“.

 

Dies verdeutlicht wiederum, dass junge Menschen nicht ausreichend darüber Bescheid wissen, was tatsächlich mit ihren Personendaten und Inhalten im Netz passiert. Sie wissen nicht, von wem und für welchen Zweck ihre Daten und Informationen genutzt werden und welche Folgen damit in Verbindung gebracht werden können. All das gilt als Indiz dafür, dass es der heranwachsenden Generation an der essenziellen Medienkompetenz mangelt. Wenn also Kinder und Jugendliche die Reichweite veröffentlichter Privatdaten unterschätzen, bedenken sie dabei nicht, dass sie „digitale Fingerabdrücke im Web hinterlassen, die für Dritte zugänglich und einsehbar sind“.

 

Indem der virtuelle Raum von den Heranwachsenden als unendlich aufgefasst wird, können sie kaum einschätzen, für wie viele und vor allem für welche Personen ihre Daten einsehbar und erreichbar sind. „Sie wähnen sich in privaten Communities und sind sich nicht bewusst, dass das Publikum weit über das eigene Kontaktnetzwerk hinaus reichen kann“. Denn für all ihre Onlineaktivitäten und persönlichen Informationen interessieren sich nicht ausschließlich „Freunde und Familie“, sondern auch Lehrer, Anwohner und zukünftige Dienstgeber. Nicht zu vergessen sind die kommerziellen Datensammler sowie Pädophile, Sexualverbrecher und andere Delinquenten. Somit gestattet die virtuelle Darstellung des Selbst einem globalen Publikum, detaillierte Einblicke zur eigenen Person zu erhalten.“[5]

 

 

Eltern stellen in ihrem Bemühen, das Agieren ihrer Kinder auf diversen Plattformen zu kontrollieren fest, dass sie möglicherweise die notwendigen Hilfsmittel dazu nicht kennen bzw. dass ihr Wissen in dieser Materie nicht ausreicht.

 

 

In der Publikation „medienimpulse: EU-kids-online“ wurde festgestellt:

 

… besteht ein großes Defizit an spezifischer Forschung ...muss die Datenbasis für Österreich, wie auch für viele andere Länder, als defizitär bezeichnet werden… insbesondere folgende Defizite identifiziert werden:

1. Mangel an theoriegeleiteter Forschung

2. Unterrepräsentation jüngerer Kinder (unter zehn Jahren)

3. Dominanz von Marktforschung

4. Mangel an regelmäßigen Erhebungen und Langzeitstudien

5. Vernachlässigung von Alltagskontexten und Fokussierung auf quantitative Methoden zur Erhebung von Online-Aktivitäten

6. Forschungsdefizit in Bezug auf Risiken: Nur etwa vier von zehn Studien thematisieren Risiken der Internetnutzung sowohl in Österreich als auch in Gesamteuropa (siehe Tab. 1). Vorwiegend wird dann der Blick auf bedenkliche Inhalte gerichtet. Speziell in Österreich fehlen Untersuchungen zu Gefahren des Kontakts mit Fremden, zu Cyber-Mobbing, kommerziellen Fallen oder Problemen des Datenmissbrauchs. Mangelhaft erscheint ebenfalls die Datenlage zur Einstellung der Betroffenen Online-Risiken gegenüber und zu ihren Umgangsweisen mit unterschiedlichen Gefahren.

7. Eingeschränkter Zugang zu Ergebnissen (oft sind Studien nur als kurze Zusammenfassungen oder gegen Bezahlung erhältlich - eine Folge der Dominanz von Marktforschungsstudien, die mit ihren Erhebungen in erster Linie kommerzielle Ziele verfolgen.[6]

 

Auch an „EU-Kids Online II“ war Österreich beteiligt, um zu erforschen, wie Kinder und Jugendliche verschiedene digitale Medien- und Kommunikationskanäle nutzen und welchen Risiken sie dabei ausgesetzt sind.

 

In Oberösterreich wurde aktuell eine Studie zur Handy- und Internetnutzung präsentiert, die im Auftrag des Bildungsresorts des Landes OÖ erstellt wurde. Das (Medien-) Verhalten der oberösterreichischen Jugend wurde in einer groß angelegten Studie empirisch hinterfragt.

 

Festgehalten wird, dass die 11- bis 18-Jährigen im Schnitt mehr als 2 Stunden täglich im Internet „zubringen“. Erschreckend ist, dass mehr als ein Viertel der 15 bis 18jährigen dabei bereits sexuelle Belästigung im Netzwerk erlebt haben. Hoch ist die Zahl der Kontaktaufnahmen von Unbekannten, explizite sexuelle Belästigung erfuhren bereits 19 Prozent der 11 bis 14jährigen und 42 Prozent der 15-18jährigen, Mädchen stärker betroffen. Angemerkt wird auch, dass Eltern die Häufigkeit dieser Übergriffe, von denen ihre Kinder betroffen sind unterschätzen. Weiters hat seit 2021 das Spielen am Computer, vor allem bei den Burschen das Treffen mit Freunden (als Lieblingsbeschäftigung) überholt hat.[7]

 

 

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Welche Maßnahmen gibt es, um Kinder und Jugendliche in Österreich vor problematischen Kaufpraktiken zu bewahren?

2.    Sind Kinder und Jugendliche in Österreich vor ungewolltem Kauf von „Lootboxen“ geschützt? bzw. gibt es eine rechtliche Handhabe bei finanziellen Folgen? Wenn ja, welche spezifischen Verbraucherschutzmechanismen gibt es? Wenn nein warum gibt es keine?

3.    Was wird seitens ihres Ministeriums unternommen, um einen gemeinsamen europäischen Ansatz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sicher zu stellen?

4.    Wie werden Kinder und Jugendliche in Österreich davor geschützt mit „Goldfarming“ oder Wetten konfrontiert zu werden?

5.    Welche Unterstützung gibt es für Kinder, Jugendliche und deren Eltern, um „automatisch“ oder „unbewusste“ Abschlüsse von Online-Videospiel-Abonnements um diese wieder rückgängig machen zu können bzw. zu kündigen?

6.    Welche Maßnahmen wurden betreffend des Entschließungsantrag 413/A(E) vom 24.10.2018 erarbeitet und umgesetzt?

7.    Welche Schutzfilter für Handys, Computer und andere digitalen Geräte wurden aufgrund dieses EA entwickelt, umgesetzt, Kindern, Eltern, Schuleinrichtungen und dgl. Bekanntgemacht?

8.    Gibt es in Österreich andere, einfach zu handhabende Mechanismen, mit denen Eltern ihre Kinder als Medien- und Internet-Verbraucher schützen können und damit in weiterer Folge ihrer elterlichen Kontrolle nachkommen zu können?

9.    Welche Aufklärungs- und Informationskampagnen werden über ihr Ministerium gefördert oder veranlasst, um Eltern über vorhandene Instrumente (zB PEGI-Telefonanwendung) zu informieren und deren Nutzung zu fördern?

10. Inwieweit wurde in den letzten Jahren die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste angepasst um Video-Sharing-Plattform-Dienste (wie zum Beispiel YouTube) zu erfassen und verstärkt zu entsprechenden Maßnahmen zum Schutz Heranwachsender zu verpflichten?

11. Gibt es in Österreich mit heutigem Stand eine ausreichende Datenlage bzgl. Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in Hinblick auf die in der Publikation „medienimpulse: EU-kids-online“ festgehaltenen Forschungsdefiziten?

12. Welche Studien oder andere Datenanalysen (EU-Kids-online II, …) liegen zum Thema vor? Welche davon sind öffentlich zugänglich? Welche davon wurden von ihrem Ministerium gefördert?

13. Gibt es zu „EU-Kids-online“ eine Nachfolgeprojekt?

14. Ist in Österreich bei Computer- und Konsolenspielen die PEGI-Einstufung in den Jugendschutz-Gesetzen der Bundesländer festgelegt?

15. Welche Kampagnen gibt es seitens des BMSGPK um auf das PEGI-System und die USK-Kennzeichnung hinzuweisen, um Eltern diese Information näherzubringen?

16. Welche Kooperationen – neben Saferinternet und Digi4Family – gibt es mit ihrem Ministerium um die Medienkompetenz von Familien (Kinder, Jugendliche, Eltern, Großeltern, …) zu stärken?

17. Welche Maßnahmen gibt es um Medienkompetenz im Sinne eines Kompetenzbündels, bestehend aus Mediennutzung, Medienkritik, Medienkunde und Mediengestaltung als Schlüsselfaktur für das positive Nutzen der Chancen und Möglichkeiten von Internet und digitalen Medien bei Kindern und Jugendlichen zu verankern – sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext?



[1] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0008_DE.pdf

[2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230118_OTS0144/videospiele-schutz-der-gamer-und-foerderung-des-branchenwachstums-video-video

[3] Jugendschutz & Videospiele: Wie gut werden Kinder beim Gaming geschützt? (evz.de)

[4] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230118_OTS0144/videospiele-schutz-der-gamer-und-foerderung-des-branchenwachstums-video-video

[5] https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/4825122?originalFilename=true

[6] https://www.researchgate.net/publication/267866780_EU_Kids_Online_-_Der_sichere_Umgang_mit_dem_Internet_Osterreich_im_europaischen_Vergleich

[7] https://kurier.at/amp/chronik/oesterreich/jugend-medienstudie-in-ooe-eltern-unterschaetzen-mobbing-im-internet/402589913