16489/J XXVII. GP
Eingelangt am 05.10.2023
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ANFRAGE
des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA
an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien
betreffend Intervenierte der ukrainische Botschafter bei Außenministerium und ORF in der „Causa Wehrschütz“?
Die sogenannte „Causa Wehrschütz“ schlägt innerhalb und außerhalb Österreichs weiterhin hohe Wellen. Nach diversen Vorwürfen der Voreingenommenheit in seiner Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg wurde der renommierte ORF-Auslandskorrespondent und Kriegsreporter Christian Wehrschütz nicht nur öffentlich abgekanzelt und wurden ihm vorläufig Journalisten-Visum und Akkreditierung seitens der Ukraine versagt,[1] sondern es wurden ihm von Seiten des ORF auch zwei zusätzliche „Reporter“ als „Aufpasser“ zur Seite gestellt. Die „Kronen Zeitung“ berichtete dazu wie folgt: [2]
Gleichzeitig, so heißt es vom Küniglberg, habe man „aus den Fehlern gelernt“ und wolle „die Berichterstattung breiter aufstellen“. Deshalb werden ein Mann und eine Frau quasi als „Aufpasser“ für Einzelkämpfer Wehrschütz akkreditiert.
Im „Standard“ war am 13.09.2023 zu lesen:[3]
Christian Wehrschütz befindet sich derzeit in der Ukraine und berichtet von dort uneingeschränkt", so ein ORF-Sprecher am Mittwoch auf STANDARD-Anfrage, "um die Berichterstattung in einem im Informationskrieg immer unübersichtlicheren Umfeld zu optimieren und weiter auszubauen, hat sich der ORF entschlossen, zwei weitere ORF-Journalist*innen für die Ukraine zu akkreditieren.“ Es dürfte sich um einen Journalisten und eine Journalistin handeln.
Laut Insiderinformationen soll die Entscheidung des ORF, die „Berichterstattung auszubauen“ angeblich aufgrund mehrfach zuvor stattgefundener Interventionen durch den ukrainischen Botschafter in Wien, Wassyl Chymynez, beim österreichischen Außenministerium (BMEIA) erfolgt sein. Auch persönlich soll der Botschafter diesbezüglich vorstellig geworden sein.
Folglich soll das Ressort von Außenminister Alexander Schallenberg auf wiederholten Druck des ukrainischen Botschafters wiederum beim ORF und dessen Generaldirektor Roland Weißmann interveniert haben, damit man Wehrschütz die „Aufpasser“ zur Seite stellt. Die Intervention des Botschafters und in der Folge des Außenministeriums soll somit zu einer direkten Einflussnahme auf die Redaktionstätigkeit des ORF geführt haben. Ein Bericht aus dem „Falter“ vom 12.09.2023 untermauert diese Vermutung:[4]
Der Standard berichtete kürzlich aus "gut informierten diplomatischen Kreisen", dass die Ukraine die Akkreditierung des ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz nicht verlängern wolle. Er berichte angeblich zu russlandfreundlich. Das letzte Wort ist noch nicht gefallen. Offenbar droht die Ukraine subtil dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Österreichs.
Sollte dem so sein, wäre dies ein unverhohlener Akt der ausländischen Einmischung in die nationale Selbstbestimmung sowie in die Pressefreiheit in Österreich, die auf das Schärfste zurückzuweisen ist. Wie fragwürdig die Ukraine als EU-Beitrittsaspirant mit Presse- und Meinungsfreiheit umgeht, ist an dieser Causa leider eindrücklich zu bemerken. Es wird sich weisen, inwiefern die „guten österreichischen Beziehungen“ zur ukrainischen Regierung, der man laut Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka „bedingungslose Solidarität“ zusicherte, eine Auswirkung auf diesen demokratiepolitischen Mangel haben können, ist doch die Gewährleistung von Meinungs- und Pressefreiheit Grundvoraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen.[5]
Fraglich und kritisch zu bewerten ist in der „Causa Wehrschütz“ zudem, dass der ORF hier offenbar firmenschädigendes Verhalten seiner eigenen Redakteure duldet, da Stefan Kappacher öffentlich in seiner als besonders tendenziös bekannten Ö1-Sendung „Doublecheck“ Anfang September mehrfach über seinen Kollegen Wehrschütz in einem negativen Kontext berichtete:[6]
Dreißig Sekunden Fehlerkultur in der "Zeit im Bild" vor Millionenpublikum: in einem Beitrag von Christian Wehrschütz über Korruptionsbekämpfung in der Ukraine waren Video-Sequenzen zu sehen, die russische Propaganda enthielten und nicht das zeigten, was im Text behauptet wurde. Faktenchecker haben das aufgedeckt, und der ORF hat es nach einer Überprüfung richtiggestellt. Ein wichtiger Schritt, der aber vielen - auch im eigenen Haus - zu wenig weit geht. Die Affäre holt den Kriegsberichterstatter Wehrschütz vor den Vorhang, und in den Applaus mischen sich viele Buh-Rufe.
Die Fehlerkultur in öffentlich angesehenen Großkonzernen würde es in diesem Fall wohl eher gebieten, Kontroversen wie diese intern zu klären. Damit wurde das ohnehin ramponierte Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vermutlich noch weiter geschädigt. Letztlich bleibt auch zu hinterfragen, warum sich der ORF trotz Rekordverschuldung nicht nur zwei weitere Redakteure in der Ukraine leistet, sondern weltweit ein üppiges Korrespondentennetzwerk betreibt, gleichzeitig aber bekanntermaßen immer mehr Produktionen, besonders in der internationalen Berichterstattung, zukauft.
In diesem Zusammenhang stellt der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien folgende
Anfrage
1. Hat sich Ihr Ressort mit der „Causa Wehrschütz“ befasst?
a. Wenn ja, wer, wann, wie und in welcher Art und Weise?
b. Wenn ja, gab es dazu Austausch mit ukrainischen Behörden und/oder Offiziellen?
i. Wenn ja, wie sah dieser Austausch konkret aus, was wurde besprochen und/oder vereinbart?
2. Gab es Interventionen oder andere Versuche der Einflussnahme auf Ihr Ressort in der „Causa Wehrschütz“ von Seiten des ukrainischen Botschafters, der ukrainischen Regierung oder anderer ukrainischer Offiziellen?
a. Wenn ja, wann, in welcher Form und mit welchem Ziel?
b. Wenn ja, gaben sie diese Interventionen/Begehren an Generaldirektor Weißmann oder jemand anderen im ORF weiter?
3. Können Sie ausschließen, dass es in besagter Causa zu irgendwelchen Interventionen kam?
4. Stand bzw. steht Ihr Ressort in der „Causa Wehrschütz“ in Kontakt mit dem ORF?
a. Wenn ja, seit wann, in welcher Form und zu welchem Zweck?
b. Wenn ja, mit welchen Personen konkret im ORF steht man in Kontakt?
5. Werden Sie sich bzw. wird Ihr Ressort sich gegenüber der ukrainischen Regierung für die Wahrung und Achtung der Meinungs- und Pressefreiheit innerhalb und außerhalb der Ukraine einsetzen?
[1] Neue Vorwürfe gegen ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz | DiePresse.com
[2] Er bleibt trotzdem - Wehrschütz: Kein Visum mehr, dafür 2 „Aufpasser“ | krone.at
[3] Wehrschütz will auch ohne Journalistenvisum in Ukraine bleiben - ORF - derStandard.at › Etat
[4] Pressefreiheit für Wehrschütz - FALTER.maily #1188 - FALTER.at
[5] Sobotka verspricht Ukraine „bedingungslose Solidarität“ - news.ORF.at
[6] Krieg, Lügen und Videos | FR | 01 09 2023 | 19:05 - oe1.ORF.at