16547/J XXVII. GP
Eingelangt am 13.10.2023
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Christian Ragger
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Zwangsstrafen durch das Firmenbuchgericht
Am 30.9.2023 endete die Frist der Einreichung der Jahresabschlüsse für das Geschäftsjahr 2022. Gesellschaften, die eine fristgerechte Einreichung versäumt haben, wurden mit empfindlichen Zwangsstrafen angehalten, wobei nicht nur je Gesellschaft, sondern auch je Geschäftsführer und darüber hinaus je Gesellschaft jedes Geschäftsführers gestraft wurde. In Einzelfällen kamen dadurch sehr hohe Strafen von mehreren Tausend Euro zustande.
In Anbetracht wirtschaftlicher Rezession, ausbleibenden Aufträgen und steigender Arbeitslosigkeit wirken sich diese Strafen bei vielen der betroffenen Firmen existenzbedrohend aus. Wird ein Geschäftsführer säumig, so überträgt sich diese Säumigkeit auf alle von ihn geführten Unternehmen, bzw. wird die Strafe mit der Anzahl der Geschäftsführer multipliziert. Dieses Vorgehen ist auch im Hintergrund komplexer werdender Jahresabschlüsse eine große Herausforderung für die heimische Wirtschaft.
Zum Jahresabschluss ist Folgendes festzuhalten:[1]
Bei nicht fristgerechter Vorlage des Jahresabschlusses verhängt das Firmenbuchgericht eine Zwangsstrafverfügung in Höhe von 700 Euro gegen die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft (z.B. Vorstandsmitglieder, Geschäftsführerinnen/Geschäftsführer) sowie gegen die Gesellschaft selbst. Bei Kleinstkapitalgesellschaften beträgt die durch das Firmenbuchgericht zu verhängende Zwangsstrafverfügung 350 Euro. Wird der Jahresabschluss nicht innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des letzten Tages der Offenlegungsfrist vorgelegt, wird eine weitere Zwangsstrafe verhängt. Sie beträgt für Kleinstkapitalgesellschaften 350 Euro, für kleine Kapitalgesellschaften 700 Euro, für mittelgroße Kapitalgesellschaften 2.100 Euro und für große Kapitalgesellschaften 4.200 Euro. Solange die Offenlegung nicht erfolgt ist, setzt sich dies alle zwei Monate fort. Begründete Einsprüche seitens der Unternehmen gegen Zwangsstrafverfügungen sind innerhalb von 14 Tagen möglich. Ein Einspruch führt zur Einleitung des ordentlichen Verfahrens, in dem der Strafrahmen zwischen 700 und 3.600 Euro und bei Kleinstkapitalgesellschaften zwischen 350 und 1.800 Euro liegt. Bei einem Einspruch gegen eine Strafverfügung wegen Überschreitens der Offenlegungsfrist um mehr als zwei Monate kann im ordentlichen Verfahren für mittelgroße Gesellschaften eine Strafe bis zu 10.800 Euro, bei großen Gesellschaften bis zu 21.600 Euro verhängt werden.
Aus dem UGB kann dazu Folgendes entnommen werden:[2]
Zwangsstrafen
§ 283. (1) Die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft sind, unbeschadet der allgemeinen unternehmensrechtlichen Vorschriften, zur zeitgerechten Befolgung der §§ 277 und 280 vom Gericht durch Zwangsstrafen von 700 Euro bis 3 600 Euro, bei Kleinstkapitalgesellschaften (§ 221 Abs. 1a) von 350 Euro bis 1 800 Euro anzuhalten. Die Zwangsstrafe ist nach Ablauf der Offenlegungsfrist zu verhängen. Sie ist wiederholt zu verhängen, soweit die genannten Organe ihren Pflichten nach je weiteren zwei Monaten noch nicht nachgekommen sind. Eine Gesellschaft ist als Kleinstkapitalgesellschaft im Sinn dieser Bestimmung anzusehen, wenn sie die gesetzlichen Vertreter zuletzt in plausibler Weise als solche eingestuft haben (§ 277 Abs. 4), es sei denn, es liegen Hinweise vor, dass die Schwellenwerte mittlerweile überschritten wurden. Ansonsten wird eine Kleinstkapitalgesellschaft nur über rechtzeitigen Einwand der Partei als solche behandelt, wobei § 282 Abs. 2 anzuwenden ist.
(2) Ist die Offenlegung nach Abs. 1 nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgt, so ist – sofern die Offenlegung nicht bis zum Tag vor Erlassung der Zwangsstrafverfügung bei Gericht eingelangt ist – ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung eine Zwangsstrafe von 700 Euro, bei Kleinstkapitalgesellschaften (§ 221 Abs. 1a) von 350 Euro zu verhängen. Von der Verhängung einer Zwangsstrafverfügung kann abgesehen werden, wenn das in Abs. 1 genannte Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war. In diesem Fall kann – soweit bis dahin noch keine Offenlegung erfolgt ist – mit der Verhängung der Zwangsstrafverfügung bis zum Ablauf von vier Wochen nach Wegfall des Hindernisses, welches der Offenlegung entgegenstand, zugewartet werden. Zwangsstrafverfügungen sind wie Klagen zuzustellen. Gegen die Zwangsstrafverfügung kann das jeweilige Organ binnen 14 Tagen Einspruch erheben, andernfalls erwächst die Zwangsstrafverfügung in Rechtskraft. Im Einspruch sind die Gründe für die Nichtbefolgung der in Abs. 1 genannten Pflichten anzuführen. Gegen die Versäumung der Einspruchsfrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden (§ 21 AußStrG). Ist der Einspruch verspätet oder fehlt ihm jegliche Begründung, so ist er mit Beschluss zurückzuweisen.
(3) Mit der rechtzeitigen Erhebung des begründeten Einspruchs tritt die Zwangsstrafverfügung außer Kraft. Über die Verhängung der Zwangsstrafe ist im ordentlichen Verfahren mit Beschluss zu entscheiden. Ist nicht mit Einstellung des Zwangsstrafverfahrens vorzugehen, so kann – ohne vorherige Androhung – eine Zwangsstrafe von 700 Euro bis 3 600 Euro, bei Kleinstkapitalgesellschaften (§ 221 Abs. 1a) von 350 Euro bis 1 800 Euro verhängt werden. Gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren steht dem jeweiligen Organ ein Rechtsmittel zu (§§ 45 ff. AußStrG).
(4) Ist die Offenlegung innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des letzten Tages der Offenlegungsfrist noch immer nicht erfolgt, so ist durch Strafverfügung eine weitere Zwangsstrafe von 700 Euro, bei Kleinstkapitalgesellschaften (§ 221 Abs. 1a) von 350 Euro zu verhängen. Das Gleiche gilt bei Unterbleiben der Offenlegung für jeweils weitere zwei Monate; wird gegen eine solche Zwangsstrafverfügung Einspruch erhoben, so ist der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe zu veröffentlichen. Zwischen dem Tag der Erlassung einer Zwangsstrafverfügung nach diesem Absatz und dem Tag der Erlassung einer vorangegangenen Zwangsstrafverfügung, die denselben Adressaten und denselben Bilanzstichtag betrifft, müssen mindestens sechs Wochen liegen.
(5) Richtet sich die Zwangsstrafverfügung gemäß Abs. 4 gegen ein in Abs. 1 genanntes Organ einer mittelgroßen (§ 221 Abs. 2) Kapitalgesellschaft, so erhöhen sich die damit zu verhängenden Zwangsstrafen sowie die in Abs. 1 und 3 angedrohten Zwangsstrafen im ordentlichen Verfahren jeweils auf das Dreifache. Wird das Zwangsstrafenverfahren gegen ein in Abs. 1 genanntes Organ einer großen (§ 221 Abs. 3) Kapitalgesellschaft geführt, so erhöhen sich diese Beträge jeweils auf das Sechsfache. Als Grundlage für die Größenklasse kann der zuletzt vorgelegte Jahresabschluss herangezogen werden.
(6) Die Zwangsstrafen sind auch dann zu vollstrecken, wenn die Bestraften ihrer Pflicht nachkommen oder deren Erfüllung unmöglich geworden ist.
(7) Die den gesetzlichen Vertretern in den §§ 277 und 280 auferlegten Pflichten treffen auch die Gesellschaft. Kommt die Gesellschaft diesen Pflichten durch ihre Organe nicht nach, so ist gleichzeitig auch mit der Verhängung von Zwangsstrafen unter sinngemäßer Anwendung der Abs. 1 bis 6 auch gegen die Gesellschaft vorzugehen.
Beachte für folgende Bestimmung zum Bezugszeitraum vgl. § 906 Abs. 37
§ 284. Die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft und die Gesellschaft selbst sind, unbeschadet der allgemeinen unternehmensrechtlichen Vorschriften, zur Befolgung der §§ 222 Abs. 1, 244, 245, 247, 270, 272, 281 und 283, die Aufsichtsratsmitglieder zur Befolgung des § 270 und im Fall einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Kapitalgesellschaft die für diese im Inland vertretungsbefugten Personen zur Befolgung des § 280a vom Gericht durch Zwangsstrafen bis zu 3 600 Euro anzuhalten. § 24 Abs. 2 bis 5 FBG ist anzuwenden.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage
1. Wie bewerten Sie die Praxis der mehrfachen Zwangsstrafe, bezogen auf die Anzahl der Geschäftsführer eines Unternehmens bzw. die Anzahl der Unternehmen eines Geschäftsführers?
2. Was bezweckt diese mehrfache Zwangsstrafe und befürworten Sie diese Praxis?
a. Wenn nein, warum nicht?
3. Wie viele Beschwerden die Zwangsstrafe betreffend haben Sie bzw. das Firmenbuchgericht in diesem Zusammenhang erreicht?
4. Wie haben sich diese Beschwerdezahlen in den letzten fünf Jahren entwickelt?
5. Nehmen Sie daraus Anlass, die Regelung der Zwangsstrafen zu ändern?
a. Wenn ja, was soll geändert werden?
b. Wenn nein, warum nicht?
6. Wie viele Zwangsstrafen gab es in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023?
7. Wie viele dieser Zwangsstrafen wurden in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 kumuliert, bezogen auf die Anzahl der Geschäftsführer eines Unternehmens bzw. die Anzahl der Unternehmen eines Geschäftsführers, verhängt?
a. Wie oft wurde in diesem Zusammenhang Einspruch erhoben?
b. Wie oft wurde diesen Einsprüchen stattgegeben?
c. Mit welchen Begründungen wurde diesen stattgegeben?
8. In welchen Fällen kann von einer Zwangsstrafe abgesehen werden bzw. diese reduziert werden?
9. Wie oft wurde in diesem Zusammenhang von einer Zwangsstrafe in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 abgesehen?
10. Mit welcher Begründung wurde von diesen im Einzelnen abgesehen?
11. Wie oft wurde in diesem Zusammenhang Zwangsstrafen in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 reduziert?
12. Mit welcher Begründung wurden diese im Einzelnen reduziert?
13. Liegen Ihnen Zahlen vor, wie oft es im Zusammenhang mit Zwangsstrafen zu Firmeninsolvenzen kam?
a. Wenn ja, wie hoch war diese in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Wenn nein, warum wird das nicht erhoben?
14. Liegen Ihnen Zahlen zum betrieblichen Schaden für die Gesellschaften vor, der durch Zwangsstrafen in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 entstanden ist?
a. Wenn ja, wie hoch war dieser in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Wenn nein, warum wird das nicht erhoben?
15. In welcher Höhe wurden Zwangsstrafen in den Jahren 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023 erhoben?
16. Wohin fließen diese Zwangsstrafen?
17. Wofür wird das Geld aus diesen Zwangsstrafen verwendet?