16551/J XXVII. GP
Eingelangt am 17.10.2023
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ANFRAGE
der Abgeordneten Eva Blimlinger, Olga Voglauer, Georg Bürstmayr, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Schusswaffen im Besitz von Mitgliedern der rechtextremen „Identitären“
Laut Informationen des österreichischen Verfassungsschutzes, befinden sich über 120 registrierte Schusswaffen im Besitz von Mitgliedern der rechtsextremen „Identitären“. Diese erschreckende Zahl wurde jedoch nicht vom Verfassungsschutz öffentlich kommuniziert, sondern durch den Journalisten Markus Sulzbacher[1] bekannt. Es steht außer Frage, dass eine derart hohe Zahl an Schusswaffen in den Händen von Rechtsextremen ein enormes Gefahrenpotential darstellt. Genau genommen würde schon eine Schusswaffe in den Händen der Identitären reichen.
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) betonte schon vor einigen Jahren, dass „die identitäre Selbstwahrnehmung als 'letzte Generation', die den Niedergang des 'Abendlandes' abwenden könne, und die damit verbundene Rhetorik der 'letzten Chance' auf ein Potenzial zur gewaltsamen Radikalisierung schließen [lassen], das in vereinzelten gewaltsamen Übergriffen auch bereits deutlich wurde[2].“
Die rassistische und in letzter Konsequenz apokalyptische Untergangsphantasie eines „geplanten Bevölkerungsaustausches“, welche von den „Identitären“ maßgeblich popularisiert und verbreitet wurde, versetzt die Anhänger:innen dieser Ideologie in ein Stadium der permanenten Notwehr. In der Pose des in die Ecke Getriebenen, dessen (völkisch begründete) Existenz sich zunehmenden Bedrohungen ausgesetzt sieht, schlummert die Bereitschaft zur Tat, zum Losschlagen, zur Gewalt.
Das Attentat von Christchurch (Neuseeland), bei dem ein Rechtsterrorist 51 Menschen ermordete und 50 verletzte, hat die Gefährlichkeit dieser Ideologie auf erschreckende Weise gezeigt. Nicht zufällig unterhielt der Attentäter Kontakte zu den „Identitären“ und spendete Martin Sellner eine beträchtliche Geldsumme, er nannte auch sein Manifest, mit dem er seine blutige Tat zu rechtfertigen versuchte, nach einer Kampagne der „Identitären“: Der große Austausch.
Bei aller Beteuerung der Gewaltlosigkeit, mit der sich die „Identitären“ öffentlich zu inszenieren versuchen: Hinter ihrer Ideologie und ihrer Bildsprache, hinter den Kampf- und Kriegsmetaphern, steckt eine klare Apologie der Gewalt[3]. Aus diesem Grund ist es zwar wenig verwunderlich, aber immens gefährlich, dass ihre Mitglieder eine derart hohe Zahl an Schusswaffen horten.
Nun fragt sich, wie es dazu kommen konnte, dass Mitglieder einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem und gefährlich qualifizierten Gruppierung, zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen gelangen. Denn im österreichischen Waffengesetz (§21) liegt es bei der Ausstellung einer Waffenbesitzkarte und eines Waffenpasses im Ermessen der Behörde, ob „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass die Person möglicherweise einen „verfassungsgefährdenden Angriff“ begehen könnte[4]. Da die zuständige Behörde die Landespolizeidirektion ist, in der sich auch der Verfassungsschutz als Organisationseinheit befindet, ist die hohe Zahl an registrierten Schusswaffen in den Händen von amtsbekannten Rechtsextremen umso erstaunlicher.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Wie viele registrierte Schusswaffen befinden sich im Besitz von Mitgliedern der rechtsextremen „Identitären“ und ihrem Umfeld?
2. Auf wie viele Personen entfallen die registrierten Schusswaffen, die sich im Besitz von Mitgliedern der „Identitären“ befinden?
3. Um welche Kategorien von Schusswaffen handelt es sich, die sich im Besitz von Mitgliedern der rechtsextremen „Identitären“ befinden?
a. Wie viele Schusswaffen der Kategorie A?
b. Wie viele Schusswaffen der Kategorie B?
c. Wie viele Schusswaffen der Kategorie C?
4. War den Behörden zum Zeitpunkt der Ausstellung der Waffenbesitzkarte und des Waffenpasses bekannt, dass es sich um Personen handelt, die Mitglied der rechtsextremen „Identitären“ sind? Wein nein, warum nicht?
5. Wie verläuft eine Prüfung bei der Ausstellung einer Waffenbesitzkarte und eines Waffenpasses entlang der Kriterien eines möglichen„verfassungsgefährdenden Angriffs“? Bitte um detaillierte Darstellung.
6. Wie viele Ausstellungen einer Waffenbesitzkarte oder eines Waffenpasses wurden unter den Gesichtspunkten eines möglichen verfassungsgefährdenden Angriffs seit dem Jahr 2012 verweigert und aus welchem Grund?
7. Da die Behörde offensichtlich Kenntnis über den Besitz von über 120 registrierten Schusswaffen in den Händen von Mitgliedern der rechtsextremen „Identitären“ hat und der Gruppierung deshalb sogar eine „Waffenaffinität“ attestiert wird: Welche Schritte setzt die Behörde, um mögliche verfassungsgefährdenden Angriffe in diesem Zusammenhang abzuwenden?
8. Wird ein Entzug des Waffenpasses oder der Waffenbesitzkarte für Mitglieder der rechtsextremen „Identitären“ geprüft?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, wann findet die Prüfung statt?
9. Wird ein (vorläufiges) Waffenverbot gegen Mitglieder der rechtsextremen „Identitären“ in Erwägung gezogen, die sich im Besitz von Schusswaffen befinden?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, wann wird dieses verhängt?
10. Warum wurde diese Information vom Verfassungsschutz bisher nicht in der Öffentlichkeit oder in den diversen Verfassungsschutzberichten geteilt?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000189936/rechtsextreme-identitaere-horten-waffen
[2] https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/identitaere-bewegung-oesterreich-iboe/gewaltdisposition
[3] https://www.derstandard.at/story/2000101112578/die-gefaehrlichkeit-der-identitaeren-gewalt-der-worte
[4]https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006016