16650/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.10.2023
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Warum befinden sich "Staatsgeheimnisse" in den Emails des BKA?

 

Im Zusammenhang mit der ÖVP-Inseratenaffäre und dem sogenannten Beinschaab-Tool hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im August 2022 die Sicherstellung der Daten im Bundeskanzleramt angeordnet. Die Sicherstellungsanordnung wurde damit begründet, dass frühere Mitarbeiter:innen vom damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz massenhaft Mails gelöscht und ihre Handys getauscht hätten. 

"Die Sicherstellungsanordnung umfasst alle Daten auf E-Mail-Postfächern und persönlich zugeordneten Laufwerken sowie eOffice-Dokumente von sämtlichen Mitarbeitern des Bundeskanzleramtes, die zwischen 19. Dezember 2017 und 6. Oktober 2021 etwa im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit bzw. in der Stabsstelle für strategische Kommunikation tätig waren. Umfasst sind auch Mitarbeiter im Bereich der Informationstätigkeit der Bundesregierung (insbesondere Informationsinitiativen, Mediaplanung und -Budget) sowie jene Kabinettsmitarbeiter, die für die beiden genannten Bereiche zuständig waren. Insgesamt dürften rund 100 Mitarbeiter von der Sicherstellung betroffen sein."

Dagegen wurde von der Finanzprokuratur ein Rechtsmittel eingelegt, mit der Begründung, dass die Anordnung der Sicherstellung für einen Vollzug zu unbestimmt sei und sich möglicherweise auch private Daten auf den Servern befinden könnten. Anstatt sich der Transparenz zu verpflichten, hat die Finanzprokuratur Einspruch gegen die Sicherstellungsanordnung erhoben. Das Rechtsmittel wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien teils ab-, teils zurückgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im September 2023 vom Oberlandesgericht Wien mit Beschluss nicht Folge gegeben. In der Zwischenzeit hat die WKStA die beschriebenen Daten im Juni 2023 sichergestellt, da sie die Gefahr einer routinemäßigen Löschung sieht.

Bundeskanzler Karl Nehammer hat im Anschluss an die Sicherstellung im Juni 2023 vorgebracht, dass die sichergestellten Daten möglicherweise klassifizierte Informationen beinhalten könnten und deswegen Widerspruch eingelegt. Das Besondere daran ist, dass §112a StPO vorsieht, dass sichergestellte schriftliche Aufzeichnungen oder Datenträger von der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei nicht eingesehen werden dürfen, wenn die betroffene Behörde oder öffentliche Dienststelle dem widerspricht und wenn bestimmte Informationen enthalten sind. Darunter fallen klassifizierte nachrichtendienstliche Informationen, deren Geheimhaltung das Interesse an der Strafverfolgung im Einzelfall überwiegt (§112a Abs 1 Z 1) oder auch von ausländischen Sicherheitsbehörden oder Sicherheitsorganisationen klassifiziert übermittelte Informationen, die nur mit deren vorheriger Zustimmung zu anderen als den der Übermittlung zugrundeliegenden Zwecken verarbeitet werden dürfen (§112a Abs 1 Z 2).

Gemäß Abs 2 hat die Behörde die Teile, die der Geheimhaltung unterliegen sollen genau zu bezeichnen und das überwiegende Interesse an der Geheimhaltung im Einzelnen anzuführen und zu begründen.

 

Quellen:

https://kurier.at/politik/inland/daten-sicherstellung-im-kanzleramt-olg-gibt-wksta-recht/402593831

https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6322410/OeVPInseratenaffaere_Datensicherstellung-im-Kanzleramt-fuer-OLG

https://www.falter.at/maily/20230725/nehammer-gegen-die-wksta

https://www.falter.at/zeitung/20230919/nehammer-gegen-die-staatsgewalt

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie viele der von der WKStA sichergestellten Daten wurden vom BKA als Daten, deren Offenlegung einer der in § 112 a Abs. 1 StPO genannten Gründe entgegenstehen würde, bezeichnet?
    1. Welche Gründe wurden jeweils und nach welcher Ziffer des § 112a Abs 1 StPO angeführt?
  1. War für die jeweiligen Bediensteten, deren Unterlagen sichergestellt wurden, der Zugang zu diesen Informationen für die Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben erforderlich (§ 3 Abs 1 Z1 lit a Informationssicherheitsgesetz (InfoSiG))?
  2. Waren die jeweiligen Bediensteten, deren Unterlagen sichergestellt wurden, nachweislich ausreichend über den Umgang mit klassifizierten Informationen unterwiesen worden (§ 3 Abs 1 Z1 lit b InfoSiG)?
  3. Hatten die jeweiligen Bediensteten, deren Unterlagen sichergestellt wurden, soweit Informationen betroffen sind, die als „VERTRAULICH“, „GEHEIM“ oder „STRENG GEHEIM“ klassifiziert wurden, eine Sicherheitsüberprüfung gemäß §§ 55 bis 55b SPG, oder, sofern gesetzlich vorgesehen, eine Verlässlichkeitsprüfung gemäß §§ 23 und 24 MBG, durchgeführt (§ 3 Abs 1 Z 1 lit c InfoSiG)?
  4. Waren für die sonstigen Personen, deren Unterlagen sichergestellt wurden, der Zugang zu klassifizierten Informationen für die Ausübung einer im öffentlichen Interesse gelegenen Tätigkeit erforderlich (§ 3 Abs 1 Z2 lit a InfoSiG)?
    1. Lagen hierzu auch die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Z 1 lit b und c vor (§3 Abs 1 Z2 lit b InfoSiG) und der vorgesehene Schutzstandard vor (§3 Abs 1 Z2 lit c InfoSiG)?
  1. Welche sichergestellten Unterlagen von welchen (ehemaligen) Mitarbeiter:innen welcher Abteilung, Sektion, oder welcher anderen Organisationseinheit beinhalten klassifizierte nachrichtendienstliche  Informationen oder klassifiziert übermittelte Informationen nach §112a Abs 1, die der Geheimhaltung unterliegen sollen? (Bitte um genaue Aufschlüsselung nach Organisationseinheit und nach der genauen Ziffer des § 112a Abs 1)
  2. Befinden sich in den von der Sicherstellungsanordnung umfassten Daten der Mitarbeiter:innen des Bundeskanzleramtes, die zwischen 19. Dezember 2017 und 6. Oktober 2021 etwa im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit bzw. in der Stabsstelle für strategische Kommunikation tätig waren und der Mitarbeiter:innen im Bereich der Informationstätigkeit der Bundesregierung (insbesondere Informationsinitiativen, Mediaplanung und -Budget) sowie jene Kabinettsmitarbeiter, die für die beiden genannten Bereiche zuständig waren, klassifizierte Informationen gem § 112a Abs 1 StPO?
    1. Wenn ja, welche und warum?

                                          i.    Liegen hierzu die Voraussetzungen des § 3 InfoSiG vor?

                                        ii.    Wusste der Informationssicherheitsbeauftragte des Bundeskanzleramtes davon Bescheid?

1.    Wenn nein, warum nicht und warum wurde dieser nicht benachrichtigt?

2.    Wenn ja, hat der Informationssicherheitsbeauftragte dies bemängelt?

3.    Wenn ja, wie hat der Informationssicherheitsbeauftragte jeweils davon Kenntnis erlangt?

  1. Waren die jeweiligen klassifizierten Informationen ordnungsgemäß gekennzeichnet, verwahrt, verarbeitet und in der vorgesehenen Art und Weise übermittelt iSd der Informationssicherheitsverordnung (InfoSiV)?
  2. Wie oft und wann jeweils hat der Informationssicherheitsbeauftragte des Bundeskanzleramtes auf einen Mangel iSd § 7 Abs 1 InfoSiG hingewiesen?
    1. Wann jeweils wurde der Mangel behoben?
  1. Wie oft und wann jeweils hat der Informationssicherheitsbeauftragte Ihnen, Herr Bundeskanzler, oder jemand anderem in Ihrem Ressort Vorschläge zur Verbesserung der Informationssicherheit gem § 7 Abs 4 InfoSiG gemacht?
    1. Sind Sie oder Ihr Ressort dem jedes Mal nachgekommen?

                                          i.    Wenn ja, jeweils wann und innerhalb welcher Zeitspanne?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

  1. Wurde vom Informationssicherheitsbeauftragten der Verdacht strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit der Informationssicherheit an Sie, Herr Bundeskanzler, iSd § 4 Abs 2 Z 7 der InfoSiV herangetragen?
    1. Wenn ja, wann und in wie vielen Fällen?

                                          i.    Welche Maßnahmen haben Sie in Folge gesetzt?

  1. Wieso wurde der Grund, dass sich unter den sichergestellten Unterlagen auch klassifizierte Dokumente iSd § 112a Abs 1 StPO befinden und deswegen der Geheimhaltung unterliegen sollen, nicht schon früher vorgebracht?
  2. Wurde im November oder Dezember 2021 von der WKStA ein Auslieferungsbegehren betreffend eines oder einer Abg.z.NR gestellt?
    1.  Wenn ja, an welchem Tag wurde dieses zugestellt?