16757/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.10.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Schikane von Versicherten durch die ÖGK (Folgeanfrage)

 

37% der Österreicher bezahlen zusätzlich zu teuren Beiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung eine private Zusatzkrankenversicherung. Wer in Österreich gute Leistung haben will, zahlt doppelt, einmal staatlich und dann noch einmal privat. Kundenorientierte private Versicherungsunternehmen und Versicherungsmakler nehmen - nach Erteilung einer entsprechenden Vollmacht - ihren Kunden gerne die Arbeit ab, Wahlarztrechnungen beim gesetzlichen Träger einzureichen. Diese privaten Versicherungsmakler kontrollieren dann auch die Abrechnung durch die Kasse und können ohne weiteren Aufwand für ihre Kunden die weitere Abrechnung abwickeln.

 

Mit Schreiben vom 08.03.2023 teilte die ÖGK Landesstelle Vorarlberg allen Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmaklern mit, dass die bis dahin jahrelang geübte Praxis, wonach nach Vorlage einer entsprechenden Vollmacht Informationen über Kostenerstattungen der Mandanten von Versicherungsmaklern an diese direkt übermittelt wurden, nunmehr beendet werden solle. Dabei beruft sich die Sozialversicherungsseite auf einen Erlass des damaligen BMS aus dem Jahre 1987. Damals hatte E-Mail-Korrespondenz den Alltag noch nicht erreicht. Die online-Einreichung von Erstattungsansuchen war technisch noch gar nicht möglich. Dennoch scheint die Bürokratie der Sozialversicherung in ihrem Denken und Handeln weitgehend in den 1980ern stehengeblieben. Sie wird in dieser Versteinerung vom BMSGPK unterstützt, wie die Anfragebeantwortung 15467/AB mit Bezug auf einen 36 Jahre alten Erlass eindrücklich zeigt.

 

Bei einer gesetzlichen Versicherung ist man nicht Kunde, sondern eben ein gesetzlicher Versicherungsfall. Daraus folgt logisch die insgesamt sehr unpragmatische und frei von Kundenorientierung gewählte Vorgangsweise, mit der sich die ÖGK selbst zusätzlichen bürokratischen Aufwand einträgt. Die ÖGK will also nicht, dass das Verfahren rund um den Ersatz von Wahlarztkosten von einem bevollmächtigten Dritten für die versicherte Person abgewickelt wird, wenn dieser ein beruflicher Profi ist, der alles online abwickelt. Man korrespondiere nur mit dem Versicherten selbst.


Versicherte, die mit Onlinetools wenig versiert sind und sich online unsicher fühlen, lassen nämlich gerne Dritte ihre Rechnungen einreichen und in der Folge die Erstattung überprüfen. Dafür sieht die österr. Sozialversicherung auch das Arbeiten mit Vollmachten vor, für die sie sogar online Musterformulare zur Verfügung stellt (1). Wenn die Kasse nunmehr mit juristischen Spitzfindigkeiten unter Berufung auf einen Erlass aus der Ära Alfred Dallinger diesen Weg für die Bevollmächtigung von privaten Versicherern und Versicherungsmaklern abschneidet, werden solche Versicherte, wohl oft ältere Menschen, die sich online unsicher fühlen, lieber persönlich mit schlecht sortierten Zetteln in der Hand bei einer ÖGK-Geschäftsstelle aufschlagen. Der Aufwand im manuellen Handling der Anträge ist für die ÖGK ungleich höher, als wenn ein Versicherungsmakler als Profi bereits vorsortierte Unterlagen online in strukturierter Weise einreicht.


Die Vorgangsweise der Kasse, die eigentlich Wahlärzte schikanieren und in einen Kassenvertrag drangsalieren wollte, wird zu Schikane der Versicherten, die am Ende in Mehrarbeit für die ÖGK endet. In einer Zeit, in der die Kostenerstattung für Wahlärzte bei der ÖGK Landesstelle Vorarlberg bereits mehr als 12 Wochen dauert, (2) ist diese Vorgangsweise besonders irrational.

 

In der Anfragebeantwortung 15467/AB begründet der BMSGPK die neue Vorgangsweise der ÖGK mit § 460c ASVG, in dem allerdings der Pensionssicherungsbeitrag geregelt ist. Diese Begründung ergibt keinen Sinn.
Gemeint war vielleicht § 460e ASVG, der sich auf Datenverarbeitung bezieht. Es sei nämlich Datenverarbeitung nur insoweit zulässig, als dies zur Erfüllung der den KV-Trägern gesetzlich übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung sei. Dies sei hier nicht der Fall.

 

Darüber hinaus wird in einem juristisch sehr mutigen Bogen zu § 81 ASVG ausgeführt, dass die Verwendung der Mittel des SV-Trägers für diesen Zweck nicht zugelassen wäre.

 

In dieser Angelegenheit hat die Kanzlei Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH ein Gutachten erstellt, dessen Inhalte mit Zustimmung der Kanzlei in weiterer Folge hier wiedergegeben werden.

 

Abrechnung von Wahlarztkosten gemäß § 131 ASVG / Anwendbare Verfahrensart gemäß ASVG

Insoweit eine versicherte Person als Anspruchsberechtigter nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen des jeweiligen (Kranken-)Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung in Anspruch nimmt, so gebührt ihr gemäß § 131 Abs 1 ASVG der Ersatz der Kosten einer solchen Krankenbehandlung im Ausmaß von 80 % des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des jeweiligen (Kranken-)Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre (Schober in Sonntag [Hrsg] ASVG11 § 131 Rz 2).


Die in der vorgenannten Bestimmung geregelte Abrechnung von sogenannten Wahlarzt-kosten stellt eine Abweichung vom sonst geltenden Sachleistungsprinzip in der Krankenversicherung dar (Schober in Sonntag [Hrsg] ASVG11 § 131 Rz 2).

 

Die in § 131 Abs 1 ASVG vorgesehene Erstattung von Wahlarztkosten ist aber dennoch eine Pflichtleistung des jeweiligen Krankenversicherungsträgers im Sinne des § 121 Abs 2 ASVG (Schober in Sonntag [Hrsg] ASVG11 § 117 Rz 3), weshalb auch die Entscheidung über die Erstattung von Wahlarztkosten gemäß § 131 Abs 1 ASVG als Leistungssache im Sinne des § 354 ASVG anzusehen ist (Kneihs in SV-Komm § 354 Rz 5; und Tarmann-Prentner in Sonntag [Hrsg] ASVG11 § 354 Rz 1; Schober in Sonntag [Hrsg] ASVG11 § 131 Rz 54).

 

Die vorstehenden Ausführungen gelten grundsätzlich auch für Ansprüche auf Kostenerstattung gemäß § 131a ASVG und die in § 131b ASVG vorgesehenen Kostenzuschüsse.

 

Für das Verfahren in Leistungssachen im Sinne des § 354 iVm §§ 351ff ASVG gelten gemäß Art 1 Abs 2 Z 1 EGVG iVm § 360b Abs 1 ASVG grundsätzlich die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der in § 360b Abs 1 ASVG genannten Bestimmungen.

 

Zulässigkeit einer Bevollmächtigung von Versicherungsmaklern gemäß § 10 AVG

Die Bestimmung des § 10 AVG ist in § 360b Abs 1 ASVG nicht genannt, weshalb diese auch im Verfahren in Leistungssachen vor Krankversicherungsträgern zur Anwendung kommt.

 

Gemäß § 10 Abs 1 AVG können sich Beteiligte, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird,

(i) durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinen Bereichen gerichtliche Erwachsenenvertreter oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist,

(ii) durch juristische Personen oder

(iii) durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen.

 

Nicht als Bevollmächtigte sind gemäß § 10 Abs 3 AVG solche Personen zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben (Winkelschreiber).

 

Als allgemeiner Grundsatz ist daher zunächst festzuhalten, dass die versicherte Person als Anspruchsberechtigte im Sinne des § 10 Abs 1 AVG bei der Wahl eines Bevollmächtigten grundsätzlich frei ist, sofern die bevollmächtigte Person die entsprechenden Vorgaben des § 10 Abs 1 AVG erfüllt und nicht gemäß § 10 Abs 3 AVG von einer Bevollmächtigung ausgeschlossen ist. Dies entspricht im Übrigen auch dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, wonach sich eine Person von einem beliebigen Bevollmächtigten vertreten lassen kann.

 

Bevollmächtigte haben sich gemäß § 10 Abs 1 AVG grundsätzlich durch eine schriftliche auf den Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Lediglich bei zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Personen (zB Rechtsanwälte), ersetzt die Berufung auf die erteilte Vollmacht den urkundlichen Nachweis.

 

Der Inhalt und der Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich im Einzelfall nach den Bestimmungen der jeweiligen Vollmacht. Allfällige diesbezügliche Zweifel wären nach den allgemeinen (zivilrechtlichen) Regelungen zur Vollmacht – also insbesondere nach den Bestimmungen der §§ 1002ff ABGB zu beurteilen.

 

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ist allgemein davon auszugehen, dass Versicherungsmakler von versicherten Personen insbesondere in Bezug auf die Abrechnung von Wahlarztkosten gegenüber Krankenversicherungsträgern bevollmächtigt werden können.

 

Insofern Versicherungsmakler nicht als zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen anzusehen sind, ist für eine wirksame Bevollmächtigung demnach die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht erforderlich.

 

Sofern in der einem Versicherungsmakler erteilten (schriftlichen) Vollmacht ausdrücklich auch die Abrechnung von Wahlarztkosten gegenüber Krankenversicherungsträgern so-wie die Entgegennahme entsprechender Abrechnungen genannt sind, ist davon auszu-gehen, dass eine diesbezügliche Vertretung jedenfalls vom Umfang einer solchen Vollmacht erfasst ist.

 

Es liegt auch kein allgemeiner Grund vor, Versicherungsmakler nach der Bestimmung des § 10 Abs 3 AVG nicht als Bevollmächtigte zuzulassen.

 

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 137 Abs 1 GewO zu verweisen: Demnach umfasst die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gemäß § 137 Abs 1 Z 2 GewO insbesondere das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen, insbesondere im Schadensfall.

 

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die in einem ersten Schritt vorzunehmende Beantragung der Erstattung von Wahlarztkosten beim und der Erhalt einer entsprechenden Abrechnung vom jeweiligen Krankenversicherungsträger notwendige Voraussetzungen für eine vollständige Abrechnung solcher Wahlarztkosten gegenüber privaten Versicherungsunternehmen im Rahmen von Zusatzkrankenversicherungsverträgen darstellen.

 

Vor diesem Hintergrund erfolgt ein Tätigwerden von zur Versicherungsvermittlung berechtigten Personen im Zusammenhang mit der Abrechnung von Wahlarztkosten jedoch gerade nicht unbefugt, sondern ist jedenfalls als zulässig anzusehen. Im Übrigen müsste die Nichtzulassung einer Person als Bevollmächtigter gemäß § 10 Abs 3 AVG im Einzelfall bescheidmäßig ausgesprochen werden und wäre erst mit Rechtskraft eines solchen Bescheides wirksam.

 

Insofern Anträge einer versicherten Person auf Kostenerstattung daher durch einen Bevollmächtigten eingereicht werden, sind diese vom jeweiligen Krankenversicherungsträger entgegenzunehmen und im Rahmen der den jeweiligen Krankenversicherungsträger treffenden gesetzlichen Verpflichtungen auch zu behandeln.

 

Soweit nicht eine ungeeignete Person im Sinne des § 10 Abs 1 bzw Abs 3 AVG als Bevollmächtigter tätig wird oder sonst eine Voraussetzung für eine wirksame Bevollmächtigung fehlt, kommt dem jeweiligen Krankenversicherungsträger (und damit auch der ÖGK) keine Berechtigung zu, von einer versicherten Person bevollmächtigte Personen „abzulehnen“, von solchen Bevollmächtigten im Namen einer versicherten Person gestellte Anträge nicht zu behandeln oder deren Tätigwerden ausschließlich auf die Einreichung von Anträgen „als Bote“ einzuschränken.

 

Datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Übermittlung von personenbezogen Daten versicherter Personen an Versicherungsmakler

Vorab ist festzuhalten, dass es sich bei den im Rahmen einer Abrechnung von Wahlarztkosten von einem Krankenversicherungsträger verarbeiteten und übermittelten Daten jedenfalls um personenbezogene Daten der versicherten Person im Sinne des Art 4 Z 1 DSGVO handelt und darüber hinaus davon auszugehen ist, dass in den meisten Fällen diesbezüglich auch Daten besonderer Kategorien im Sinne des Art 9 Abs 1 DSGVO vorliegen.

 

Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass eine Übermittlung entsprechender Daten jeweils auf Basis einer zulässigen Rechtsgrundlage im Sinne von Art 6 Abs 1 DSGVO erfolgen muss.

 

Aus Sicht des jeweiligen Versicherungsträgers ist in diesem Zusammenhang die Bestimmung des § 460e ASVG hervorzuheben, in welchem die Versicherungsträger insoweit zur Verarbeitung und damit auch zur Übermittlung von personenbezogenen Daten ermächtigt werden, als dies zur Erfüllung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung ist.

 

Insofern es sich bei der Erstattung von Wahlarztkosten im Sinne des § 131 Abs 1 ASVG – wie oben bereits ausgeführt – um eine Pflichtleistung im Sinne des § 121 ASVG handelt, ist grundsätzlich eine Übermittlung von Daten auf Basis dieser Bestimmung auch datenschutzrechtlich zulässig.

 

Im Rahmen der jeden Verantwortlichen im Sinne der DSGVO treffenden Verpflichtungen ist vorzusehen, dass der jeweilige Krankenversicherungsträger eine Übermittlung solcher Daten entweder direkt an die betroffene Person selbst oder dritte Personen, deren diesbezügliche Berechtigung zur Verarbeitung solcher Daten überprüft wurde, vornimmt.

 

Unter Beachtung der unter Punkt 1. beschriebenen Prämisse, dass in der dem jeweiligen Versicherungsmakler erteilten Vollmacht auch eine entsprechende Einwilligung zur Entgegennahme und Verarbeitung der Abrechnungsdaten enthalten ist, liegt aber auch diesbezüglich eine ausreichende Berechtigung des von der jeweiligen betroffenen Person bevollmächtigten Versicherungsmaklers zur Entgegennahme und Weiterverarbeitung entsprechender personenbezogener Daten vom jeweiligen Krankenversicherungs- träger vor.

 

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es sich beim Verhältnis zwischen versicherter Person (welche auch die betroffene Person im Sinne der DSGVO ist) und dem von ihr bevollmächtigten Versicherungsmakler in der Regel nicht um eine Auftragsverarbeitung im Sinne des Art 28 DSGVO handeln wird, weil der Versicherungsmakler nicht ausschließlich auf Weisung des jeweiligen Versicherungsnehmers tätig wird.

 

Rechtliche Würdigung der Ausführungen im Schreiben der ÖGK vom 8.3.2023

Auf Basis der vorstehenden Ausführungen sind die im Schreiben der ÖGK vom 8.3.2023 enthaltenen Ausführungen rechtlich wie folgt zu würdigen:

    1. Wie im Schreiben vom 8.3.2023 richtig ausgeführt, handelt es sich bei der Erstattung von Wahlarztkosten um eine hoheitliche Tätigkeit der Krankenversicherungsträger im Sinne des § 131 Abs 1 ASVG. Insbesondere ist die Erstattung der Wahlarztkosten auch eine Pflichtleistung im Sinne des § 121 ASVG und es kommt diesbezüglich das Verfahren in Leistungssachen und insbesondere die Bestimmungen des AVG zur Anwendung. Insofern für die Weitergabe der gegenständlichen Daten an die jeweilige versicherte Person keine gesonderte gesetzliche Grundlage erforderlich ist, ist eine solche gesonderte gesetzliche Grundlage auch bei der Weitergabe von Daten an gemäß den Vorgaben des § 10 AVG von der versicherten Person bevollmächtige Personen nicht erforderlich.

    1. Die Übermittlung von personenbezogenen Daten einschließlich personenbezogener Daten besonderer Kategorien im Sinne des Art 9 Abs 1 DSGVO im Rahmen der Erstattung von Wahlarztkosten an die jeweilige versicherte Person als betroffene Person im Sinne der DSGVO bzw an von der versicherten Person bevollmächtigte Personen ist auf Basis der Bestimmungen des § 460e jedenfalls zulässig, weil es sich bei dieser Kostenerstattung um die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe handelt.
    2. Der Zulässigkeit einer Übermittlung von Daten über die Abrechnung von Wahlarztkosten an die jeweilige versicherte Person oder an von der versicherten Person zulässigerweise bevollmächtigte Personen steht § 81 ASVG insofern nicht entgegen, als es sich dabei – wie oben bereits ausgeführt – um eine Pflichtleistung des jeweiligen Krankenversicherungsträgers und damit auch um einen gesetzlich vorgeschriebenen Zweck und nicht um eine freiwillige „Auskunftserteilung“ oder sonstige „Mitwirkung“ handelt. Eine Zustimmung der betroffenen Person oder eine gesonderte gesetzliche Grundlage für das Tätigwerden des jeweiligen Krankenversicherungsträgers ist insofern gerade nicht erforderlich (im Übrigen erfolgt das Tätigwerden des jeweiligen Krankenversicherungsträgers gerade auf Antrag der versicherten Person.

 

    1. So wie es einer versicherten Person freisteht, Daten, welche sie von einem Krankenversicherungsträger und insbesondere der ÖGK im Zusammenhang mit der Erstattung von Wahlarztkosten erhalten hat, an Dritte (insbesondere an Versicherungsmakler und/oder private Versicherungsunternehmen) weiterzugeben, steht es ihr auch frei, sowohl für die Antragstellung als auch die nachfolgende Abwick- lung der Erstattung von Wahlarztkosten Dritte zu bevollmächtigen. Im Falle einer wirksamen Bevollmächtigung hat die Übermittlung der entsprechenden Abrechnungen an die von der versicherten Person bevollmächtigte Person zu erfolgen.

 

Zusammenfassung:

Entgegen den Ausführungen im Schreiben der ÖGK vom 8.3.2023 ist im Bereich des Verfahrens über Leistungssachen im Sinne des § 354 iVm §§ 361ff ASVG eine Bevollmächtigung dritter Personen zulässig, insofern diesbezüglich die Vorgaben des § 10 AVG erfüllt sind.

 

Von Bevollmächtigten einer versicherten Person eingebrachte Anträge auf Erstattung von Wahlarztkosten gemäß § 131 Abs 1 ASVG, wobei es sich um Pflichtleistungen im Sinne des § 121 ASVG handelt, sind vom jeweiligen Krankenversicherungsträger und damit auch von der ÖGK genauso zu behandeln, wie entsprechende Anträge, welche von der versicherten Person selbst eingebracht werden. Dies gilt auch für die Übermittlung entsprechender Abrechnungen oder den darin enthaltenen Informationen der versicherten Person.


Soweit eine den Vorgaben der DSGVO und insbesondere des Art 7 DSGVO entsprechende Einwilligungserklärung in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten vorliegt, ist eine entsprechende Datenweitergabe auch aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig und von der Bestimmung des § 460e ASVG gedeckt.

 

In der Anfragebeantwortung 15467/AB bezieht sich das BMSGPK auf den Erlass 26.498/1-5/7 vom 27.01.1987, wonach ein SV-Träger nur insoweit zur Verarbeitung von persönlichen Daten ermächtigt sei, als dies zu Erfüllung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung ist. Das sei für den Fall der Übermittlung von Leistungsdaten im Rahmen der Kostenerstattung an private Versicherungsunternehmen oder sonstige Rechtsträger (z.B. Versicherungsmaklerinnen) nicht der Fall. Der Umstand, dass der 35 Jahre alte Erlass aus der Zeit vor der Onlinebeantragung an die SV stammt, fand nicht Eingang in die Überlegungen des BMSGPK.

 

Diese Argumentation des Ministeriums ist nicht logisch, vielmehr widerspricht der Erlass dem Gesetz. Wie oben ausgeführt, erfüllt der SV-Träger mit der Abwicklung der Wahlarztkostenrückerstattung seine gesetzlichen Pflichten, die sich aus den §§ 121 und 131 ASVG ergeben.

 

Weiters argumentiert das BMSGPK in 15467/AB, dass das ASVG keine gesetzliche Grundlage kenne, auf die die Übermittlung von Daten von Versicherten an ein privates Versicherungsunternehmen (einen Versicherungsmakler:in) gestützt werden könnte. Wie oben ausgeführt, ist auf die gegenständliche Konstellation § 10 AVG anzuwenden. Die Nichtanwendung des § 10 AVG steht dem SV-Träger rechtlich gar nicht offen. Er HAT das AVG im Leistungsrecht anzuwenden, sofern das ASVG nichts Gegenteiliges ausdrücklich festschreibt.

 

Zum Dritten wiederholt das BMSGPK den Verweis auf § 81 ASVG, wonach dem Träger keine gesetzlich nicht vorgesehen Aufgabe zugewiesen werden könne. Tatsächlich handelt es sich bei der Kostenerstattung um eine gesetzliche Aufgabe, die sich aus den §§ 121 und 131 ASVG ergibt. Das Nichtakzeptieren von Vollmachten im Rahmen der Erfüllung von gesetzlichen Aufgaben ist ein der Sozialversicherung eigenes Vorgehen, das gesetzlich nicht gedeckt ist.

 

Laut Minister ist dementsprechend ein Antrag durch Dritte möglich, eine Antwort an Dritte nicht

Auf Basis der unhaltbaren Rechtsposition von Ministerium und Sozialversicherung akzeptieren die SV-Träger zwar die Einreichung von Anträgen durch bevollmächtigte Dritte (Antwort zu Fragen 4 und 5 in 15467/AB), geben aber das Ergebnis der Bearbeitung des Antrages nicht an die bevollmächtigten Dritten, sondern nur an die versicherte Person.

Beispiel Vorsorgevollmacht

Dass diese Argumentation des BMSGPK und der Verwaltungsangestellten der ÖGK nicht schlüssig ist, lässt sich am Beispiel einer Vorsorgevollmacht durchdenken. Auch damit erteilt eine versicherte Person eine Vollmacht, die das Abwickeln von Kostenerstattungsanträgen beim SV-Träger beinhalten kann (und in der Regel auch beinhaltet). Kein SV-Träger wird sich auf den Standpunkt stellen können, er würde die Abrechnung nicht an den Bevollmächtigten, sondern an die (möglicherweise demente) versicherte Person schicken. Natürlich muss in einem solchen Fall die bevollmächtigte Person die Möglichkeit haben, die Kostenerstattung zu prüfen.

 

Beispiel Geschwister

Man nehme außerdem den Beispielfall an, dass eine versicherte Person ihrem Bruder, der beruflich als Versicherungsmakler tätig ist, mit dem von der ÖGK online zur Verfügung gestellten Formular eine Vollmacht für Zwecke der Sozialversicherung erteilt.

Das Vollmachtsformular der ÖGK sieht ausdrücklich vor, dass die bevollmächtigte Person nicht nur die Kostenersätze beantragt, sondern dass die standardisierte Vollmacht auch die Einholung von Auskünften dazu umfasst. Wie sollte denn eine bevollmächtigte Person die Vollmacht umfänglich wahrnehmen, wenn das BMSGPK und die ÖGK eine Datenweitergabe an die bevollmächtigte Person ausschließen? Die Argumentation des Ministeriums und der Sozialversicherung ist völlig unlogisch.

 

Das Ziel ist Schikane

Alles in allem geht es dem Bundesminister und den SV-Trägern in den letzten Monaten immer wieder darum, Wahlärzte zu schikanieren. Zu diesem Zweck nehmen der Minister und die SV-Träger auch in Kauf, diese Schikane auf dem Rücken der Versicherten auszutragen. Wenn es der Schikane der Wahlärzte und ihrer Patienten dient, nehmen der Minister und die SV-Träger in Kauf, den administrativen Aufwand beim SV-Träger zu erhöhen, weil dieser mehr persönliche Kontakte durch Versicherte anstatt online-Anträge durch Versicherungsprofis entgegennehmen muss.

 

(1) https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/load?contentid=10008.734576&version=1588682737 (unbefristet) und https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/load?contentid=10008.770952&version=1695625447 (für 6 Monate)

(2) Laut 14952/AB vom 20.09.2023 wäre die Wartezeit 36 Tage, also gut fünf Wochen. Laut E-Mail-Auskunft der Gruppe "Kostenerstattung" in der Landesstelle Vorarlberg der ÖGK vom 16.08.2023 beträgt die Wartezeit allerdings 12 Wochen, also 84 Tage. Warum der BMSGPK in 14952/AB geschönte Daten an das Parlament übermittelt hat, ist den Anfragestellern nicht bekannt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Handelt es sich bei der Erstattung von Wahlarztkosten durch einen Krankenversicherungsträger (§ 121 iVm § 131 ASVG) um die Vollziehung einer gesetzlichen Pflicht?
  2. Kommen (nach der für die Vollziehung relevanten Rechtsansicht des BMSGPK) für Verfahren in Leistungssachen der Sozialversicherung grundsätzlich die Bestimmungen des AVG zur Anwendung, soweit das ASVG nicht ausdrücklich anderes bestimmt?
    1. Wenn nein, warum nicht?
    2. Wenn nein, welche Verfahrensbestimmungen kommen stattdessen zur Anwendung?
    3. Wenn ja, findet § 10 AVG auf Verfahren in Leistungssachen der Sozialversicherung Anwendung?

                                          i.    Wenn nein, woraus leiten Sie ab, dass § 10 AVG nicht zur Anwendung käme?

  1. Handelt es sich bei der Einhaltung der Verfahrensbestimmungen des AVG, so weit das ASVG nichts Gegenteiliges für das Verfahren bestimmt, um eine gesetzliche Pflicht der SV-Träger?
  2. Wenn eine dritte, bevollmächtigte Person einen Erstattungsantrag für Wahlarztkosten einreicht, welcher Mehraufwand entsteht dem SV-Träger durch die Leistungserbringung an ebendiesen Dritten?
  3. Welcher Zusatzaufwand entsteht dem SV-Träger, wenn die versicherte Person ihren Antrag auf Wahlarztkostenerstattung nicht online einreicht, sondern persönlich mit Papierunterlagen beim SV-Träger vorspricht?
  4. Welche Form der Einreichung von Anträgen auf Wahlarztkostenerstattung ist für die ÖGK organisatorisch leichter abzuwickeln, Einreichung online oder Einreichung in Papierform?
    1. Welche Schritte setzen Sie und setzt die ÖGK, um die Versicherten verstärkt zur ressourcensparenden Variante anzuleiten?
    2. Verstärkt die Verweigerung einer Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern die Nutzung der ressourcensparenden Variante?
  1. Entspricht es den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, versicherte Personen, die sich mit online-Prozessen nicht sicher fühlen, auf den Papierweg zu verweisen anstatt online mit bevollmächtigten Dritten zu arbeiten?
  2. Haben Sie überprüft, ob der Erlass des damaligen BMS vom 27.01.1987 zu Zahl 26.498/1-5/87 heute überhaupt noch gesetzeskonform ist?
    1. Wenn ja, wann zuletzt?
    2. Wenn nein, in welchen Intervallen überprüfen Sie die Rechtskonformität von Erlässen, wenn Sie das nach 36 Jahren noch nicht machen?
    3. Wie bringen Sie diesen Erlass mit § 10 AVG in Einklang?
  1. Wie bringen Sie das Formular der ÖGK für Vollmachten (https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/load?contentid=10008.770952&version=1695625447) mit dem Erlass des Alfred Dallinger vom 27.01.1987 in Einklang?