Eingelangt am 06.11.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg
Sarre, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen
und Kollegen
an den Bundesminister für
Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend Portal Digitale Schule (PoDS)
und sein Nachfolgeprojekt Bildungsportal
Das Portal Digitale Schule (kurz PoDS) wurde
drei Jahre nach der 2020 erfolgten Einführung am 30.6.2023 wieder
eingestellt. Auf www.pods.gv.at ist im Oktober 2023 zu lesen: "Alle Angebote und Services, die über das Portal
Digitale Schule per Single Sign On (SSO) erreichbar waren, können bis zur
Einführung des Bildungsportals über die direkten
Anmeldemöglichkeiten der jeweiligen Anwendungen verwendet werden."
Die SSO-Lösung von PoDS steht also offenbar nicht mehr zur Verfügung.
Das neue Bildungsportal wiederum scheint ebenso wenig ausgereift zu sein wie es
PoDS war, denn es wird laut Angaben auf der selben Website erst
"schrittweise allen im österreichischen Bildungssystem verankerten
Schulen zugänglich gemacht."
PoDs wurde, wie auf der BMBWF-Website
nachzulesen ist1, als Teil des 8-Punkte-Plans für den digitalen
Unterricht 2018 vom BMBWF im Rahmen der Arbeiten zum "Masterplan
Digitalisierung in der Bildung" konzipiert. Dort heißt es: "Das
Ziel der Initiative war von Anfang an die Bündelung bestehender
Anwendungen, um Lehrenden sowie Lernenden und deren Erziehungsberechtigten
konsolidierte und übersichtliche Information einfach bedienbar zur
Verfügung zu stellen und im Schulalltag auf unterschiedliche Weise zu
unterstützen."
Im Masterplan2 wurden folgende
geplante Funktionalitäten exemplarisch genannt:
- Bündelung aller relevanten und
unterrichtsbezogenen Informations- und Serviceangebote;
- Ausrollung eines digitalen Klassenbuchs;
- Implementierung fachspezifischer
Lernmanagementsysteme mit digitalem Content;
- Sammlung vom fachspezifischen Moocs,
E-Books, Lernunterlagen.
- Installierung eines elektronischen
Mitteilungsheftes, bei dem Lehrende direkt mit den Eltern kommunizieren.
Manche der Funktionalitäten werden
einstweilen unabhängig von PoDs durch private Anbieter bereitgestellt (zb.
durch die Mitteilungsheft-Apps "Schoolfox" und
"Schoolupdate") oder sind technisch nichts anderes als eine
Linksammlung. Was hingegen den Anspruch betrifft, Anwendungen konsolidiert und
einfach bedienbar bereitzustellen, scheint es durch die Entwicklung von PoDS
keine nachhaltigen Fortschritte gegeben zu haben.
Fragwürdig ist vor
diesem Hintergrund - und angesichts der kurzen Dauer von nur drei Jahren -
wofür die erheblichen Kosten von des PoDS-Projekts aufgewendet wurden und
was der Benefit aus diesem Projekt ist. Wie das BMBWF in der Anfragebeantwortung
10549/AB vom 27.06.2022 bekannt gegeben hat, lagen die
Kosten für das Projekt bei über 12 Mio. Euro. Die größten
Summen sind an die Accenture GmbH und die Untis GmbH geflossen,
maßgeblich beteiligt war auch die bit media e-solutions GmbH.
Das Nachfolgeprojekt Bildungsportal (bildung.gv.at)
scheint, so wie bereits PoDS, vor allem den Zweck eines "Single Sign
On" zu verfolgen. "Es bietet durch eine
einzige Anmeldung Zugriff auf eine Vielzahl von Funktionen und Anwendungen, die
für den Schulalltag nützlich sind" heißt es dazu auf der
Website. Inwiefern das ein Fortschritt gegenüber PoDS ist, wird nicht
beschrieben.
Fraglich ist auch, ob
"Single Sign On" den Kern der Probleme im Bereich der "Digitalen
Schule" trifft, nämlich die Ineffizienz und den bürokratischen
Aufwand, mit dem Lehrkräfte und Schulleitungen angesichts der vielen Software-Insellösungen
im Verwaltungsbereich konfrontiert sind. Dazu zählen
die Schülerverwaltungssoftware SOKRATES Bund, das digitale
Dienstpostsystem ISO.Web, das Bewerbungsverwaltungstool „Get your
teacher“, das Stundenplan- und Unterrichtsinformationssystem Untis, das
elektronische Klassenbuch Web-Untis, die Applikation für die Verwaltung
der Geräteinitiative „Digitales Lernen" und das BRZ Portal
Austria mit Zugang zum Personalmanagementverfahren (EES, EES-RM,...) an
Bundesschulen sowie weitere Software an Landesschulen.
Auch das Ziel, den Datenschutz und die
digitale Souveränität zu verbessern, scheint mit PoDS nicht erreicht
worden zu sein. Dafür wäre es notwendig gewesen, sicherzustellen,
dass die Zugangs- und Identitätsdaten der Schüler:innen, Lehrer:innen
und Eltern in Österreich und nicht auf den Servern US-amerikanischer
IT-Konzerne gespeichert werden. Auf https://linux-bildung.at/2021/04/ein-kritischer-blick-auf-das-portal-digitale-schule-pods/
wird hingegen berichtet: "Eine whois-Abfrage (z.B.: https://viewdns.info/reverseip/)
für die Domain www.pods.gv.at (51.138.102.4) legt offen dass die
Webseite auf einem Microsoft-Server gehostet wird.(...) Das Land lässt
sich mit der IP-Adresse auch herausfinden. Die Website wird in den Niederlanden
gehostet – in der Azure Cloud von Microsoft. (...) Das heißt 'die
zentrale Plattform für Lehrende, Schülerinnen und Schülern und
künftig auch Erziehungsberechtigte' wird nicht in Österreich
gehostet. (...) Das Portal Digitale Schule könnte ohne großen Aufwand
auch von einem Österreichischen Provider bzw. dem Bundesrechenzentrum
gehostet werden. (...) Denken wir an Eduvidual,
WebUntis, SchoolFox oder an die Universität Wien, die BigBlueButton selber
hostet."
1) https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/zrp/dibi/8punkte.html
2) https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:dbc3a630-8034-47aa-9e9d-4db35e58867c/masterplan_digitalisierung_pi.pdf
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Für welche Dauer wurde das Portal
Digitale Schule ursprünglich konzipiert und warum wurde es bereits
nach drei Jahren wieder eingestellt? War dies von Anfang an so geplant?
- Welche Kosten sind aus dem Projekt insgesamt
entstanden?
- Sind seit der Anfragebeantwortung
10549/AB vom 27.06.2022, die Kosten von rund 12 Mio. Euro
aufgelistet hat, weitere Kosten hinzugekommen?
- Der Verein IT in der Bildung wurde, wie im
Portal https://ausschreibungen.usp.gv.at/ nachzulesen ist, mit
einer Akzeptanzanalyse zu PoDS beauftragt, die 66.213,55 Euro gekostet
hat.
- Sind die Ergebnisse dieser Analyse
öffentlich einsehbar?
i. Wenn ja, wo?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Wieviel Prozent der Schulen haben PoDS
tatsächlich verwendet? Bitte um Aufschlüsselung nach
Schularten.
- Welche Gründe für die geringe
Akzeptanz von PoDS hat die Analyse ergeben?
- Wie ist der Verein IT in der Bildung
entstanden und inwiefern ist er qualifiziert dazu, diese Analyse
durchzuführen?
- Wurde die Entscheidung, PoDS stillzulegen,
vor oder nach Durchführung der Akzeptanzanalyse getroffen?
- Welche Konsequenzen hat das BMBWF aus dem
geringen Erfolg von PoDS gezogen?
- Gibt es finanzielle Konsequenzen, bspw.
indem mangels ausreichend erbrachter Leistung Werkvertragshonorare
zurückgefordert oder zurückbehalten wurden?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Gibt es Konsequenzen in Bereich der
Auftragsvergabe, bspw. indem mit dem Nachfolgeprojekt Bildungsportal
andere Unternehmen beauftragt werden?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Gibt es andere, bspw. strukturelle,
konzeptionelle oder strategische Konsequenzen?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Welche Abteilung war im BMBWF für PoDS
zuständig und welche Abteilung ist nun mit dem Nachfolgeprojekt
Bildungsportal betraut?
- Welche Personen oder Personengruppen aus dem
Anwendungsfeld von PoDS, also aus den Schulen, wurde in die Konzeption von
PoDS einbezogen und wie ist das jeweils konkret erfolgt?
- Schulleiter:innen
- IT-Betreuer:innen/Kustoden
- Informatiklehrer:innen
- andere
- Welche Personen oder Personengruppen aus den
Schulen wurden in die Konzeption des PoDS-Nachfolgeprojekts Bildungsportal
einbezogen und wie ist das jeweils konkret erfolgt?
- Schulleiter:innen
- Adminstrator:innen
- IT-Betreuer:innen/Kustoden
- Informatiklehrer:innen
- andere
- Welche Personen oder Personengruppen aus den
Schulen sollen künftig in die Weiterentwicklung des Bildungsportals
einbezogen werden und wie ist das konkret vorgesehen?
- Schulleiter:innen
- Adminstrator:innen
- IT-Betreuer:innen/Kustoden
- Informatiklehrer:innen
- andere
- Schulleitungen klagen darüber, dass sie
in die Konzeption von PoDS nicht einbezogen gewesen wären und dass
das BMBWF nicht bereit sei, über Software-Wünsche seitens der
Schulen zu sprechen, die das schulische Leben erleichtern würden.
- Wie stellt sich das aus Ihrer Sicht dar und
sind zukünftig Änderungen in der Zusammenarbeit mit den Schulen
vorgesehen?
- Gibt es seitens des BMBWF Überlegungen
oder Pläne, im Bereich der schulischen Software zukünftig
stärker einen Bottom-Up- statt Top-Down-Ansatz zu verfolgen, indem
die Entwicklung und Weiterentwicklung der Software primär den
Bedürfnissen, Vorschlägen und Wünschen der Schulen folgen
soll?
- Wie stehen Sie zu der in der IT-Fachwelt
öfters geäußerten Forderung "public money, public
code", also dass mit öffentlichen Mitteln finanzierte Software
auch öffentlich zugänglich und transparent sein soll?
- Wieso wurden Teile der PoDS-Daten auf
Servern des US-Unternehmens Microsoft in den Niederlanden gehostet und
nicht in Österreich, wie das den Zielen der Datensicherheit und
digitalen Souveränität entsprechen würde?
- Ist beim Nachfolgeprojekt Bildungsportal
eine andere Hosting-Lösung vorgesehen, etwa so wie bei Eduvidual, WebUntis und SchoolFox ein Hosting in
Österreich?
- Zur Umsetzung des digitalen
Schüler:innenausweises edu.digicard wird aus den Schulen berichtet,
dass PoDS hier einen erheblichen Mehraufwand verursacht hat. In Sokrates waren
alle Eltern, die zusammen wohnten, als ein einziger Datensatz angelegt.
PoDS hingegen hat für Vater und Mutter je einen separaten Datensatz
verlangt. Die Datensätze mussten also gesplittet werden. Dieser
Vorgang wurde nicht mittels eines Skripts automatisiert, sondern die
Administrator:innen aller AHS und BHS erhielten den Auftrag, Name, Alter,
Wohnort, Telefonnummer und E-Mail-Adresse jeweils händisch zu
kopieren.
- Ist dieser Sachverhalt richtig?
- Wenn ja, warum wurde die bit media GmbH,
die Sokrates entwickelt hat und in PoDS involviert war, nicht beauftragt,
diesen Vorgang zu automatisieren?
- Wenn ja, ist der erhebliche manuelle
Aufwand, der den Administrator:innen der Bundesschulen auflegt worden
ist, nun mit der Einstellung von PoDS vergeblich erfolgt?
- Im Regierungsprogramm der laufenden
Legislaturperiode ist eine "Österreichische Bildungscloud"
als Vorhaben genannt. Das Projekt educloud austria, das der digitalen
Souveränität und dem Datenschutz zuträglich wäre, wird
laut dem Bericht https://linux-bildung.at/2023/06/aus-fuer-die-educloud-austria/
aus Geldmangel nicht weiter betrieben.
- Hat das BMBWF dieses Projekt in der
Vergangenheit unterstützt? Wenn ja, mit welchen Mitteln?
- Warum wird diesem Projekt gegenwärtig
die Unterstützung verweigert?
- Wird die im Regierungsprogramm vorgesehene
"Österreichische Bildungscloud" in dieser
Legislaturperiode auf andere Weise umgesetzt?
- Hätte mit dem für das
gescheiterte PoDS aufgewendeten Geld das Projekt educloud austria
umgesetzt werden können?
- Inwiefern ist die fehlende
Unterstützung für educloud austria mit dem im "Digital
Austria Act" (https://www.bmf.gv.at/dam/bmfgvat/presse/unterlagen-pressekonferenz/Digtal-Austria-Act.pdf)
angekündigten verstärkten Einsatz
von Open Source Software im schulischen und universitären Bereich
vereinbar?