16761/J XXVII. GP

Eingelangt am 06.11.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Portal Digitale Schule (PoDS) und sein Nachfolgeprojekt Bildungsportal

 

Das Portal Digitale Schule (kurz PoDS) wurde drei Jahre nach der 2020 erfolgten Einführung am 30.6.2023 wieder eingestellt. Auf www.pods.gv.at ist im Oktober 2023 zu lesen: "Alle Angebote und Services, die über das Portal Digitale Schule per Single Sign On (SSO) erreichbar waren, können bis zur Einführung des Bildungsportals über die direkten Anmeldemöglichkeiten der jeweiligen Anwendungen verwendet werden." Die SSO-Lösung von PoDS steht also offenbar nicht mehr zur Verfügung. Das neue Bildungsportal wiederum scheint ebenso wenig ausgereift zu sein wie es PoDS war, denn es wird laut Angaben auf der selben Website erst "schrittweise allen im österreichischen Bildungssystem verankerten Schulen zugänglich gemacht."

PoDs wurde, wie auf der BMBWF-Website nachzulesen ist1, als Teil des 8-Punkte-Plans für den digitalen Unterricht 2018 vom BMBWF im Rahmen der Arbeiten zum "Masterplan Digitalisierung in der Bildung" konzipiert. Dort heißt es: "Das Ziel der Initiative war von Anfang an die Bündelung bestehender Anwendungen, um Lehrenden sowie Lernenden und deren Erziehungsberechtigten konsolidierte und übersichtliche Information einfach bedienbar zur Verfügung zu stellen und im Schulalltag auf unterschiedliche Weise zu unterstützen."

Im Masterplan2 wurden folgende geplante Funktionalitäten exemplarisch genannt:

Manche der Funktionalitäten werden einstweilen unabhängig von PoDs durch private Anbieter bereitgestellt (zb. durch die Mitteilungsheft-Apps "Schoolfox" und "Schoolupdate") oder sind technisch nichts anderes als eine Linksammlung. Was hingegen den Anspruch betrifft, Anwendungen konsolidiert und einfach bedienbar bereitzustellen, scheint es durch die Entwicklung von PoDS keine nachhaltigen Fortschritte gegeben zu haben. 

Fragwürdig ist vor diesem Hintergrund - und angesichts der kurzen Dauer von nur drei Jahren - wofür die erheblichen Kosten von des PoDS-Projekts aufgewendet wurden und was der Benefit aus diesem Projekt ist. Wie das BMBWF in der Anfragebeantwortung 10549/AB vom 27.06.2022 bekannt gegeben hat, lagen die Kosten für das Projekt bei über 12 Mio. Euro. Die größten Summen sind an die Accenture GmbH und die Untis GmbH geflossen, maßgeblich beteiligt war auch die bit media e-solutions GmbH. 

Das Nachfolgeprojekt Bildungsportal (bildung.gv.at) scheint, so wie bereits PoDS, vor allem den Zweck eines "Single Sign On" zu verfolgen. "Es bietet durch eine einzige Anmeldung Zugriff auf eine Vielzahl von Funktionen und Anwendungen, die für den Schulalltag nützlich sind" heißt es dazu auf der Website. Inwiefern das ein Fortschritt gegenüber PoDS ist, wird nicht beschrieben.

Fraglich ist auch, ob "Single Sign On" den Kern der Probleme im Bereich der "Digitalen Schule" trifft, nämlich die Ineffizienz und den bürokratischen Aufwand, mit dem Lehrkräfte und Schulleitungen angesichts der vielen Software-Insellösungen im Verwaltungsbereich konfrontiert sind. Dazu zählen die Schülerverwaltungssoftware SOKRATES Bund, das digitale Dienstpostsystem ISO.Web, das Bewerbungsverwaltungstool „Get your teacher“, das Stundenplan- und Unterrichtsinformationssystem Untis, das elektronische Klassenbuch Web-Untis, die Applikation für die Verwaltung der Geräteinitiative „Digitales Lernen" und das BRZ Portal Austria mit Zugang zum Personalmanagementverfahren (EES, EES-RM,...) an Bundesschulen sowie weitere Software an Landesschulen. 

Auch das Ziel, den Datenschutz und die digitale Souveränität zu verbessern, scheint mit PoDS nicht erreicht worden zu sein. Dafür wäre es notwendig gewesen, sicherzustellen, dass die Zugangs- und Identitätsdaten der Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern in Österreich und nicht auf den Servern US-amerikanischer IT-Konzerne gespeichert werden. Auf https://linux-bildung.at/2021/04/ein-kritischer-blick-auf-das-portal-digitale-schule-pods/ wird hingegen berichtet: "Eine whois-Abfrage (z.B.: https://viewdns.info/reverseip/) für die Domain www.pods.gv.at (51.138.102.4) legt offen dass die Webseite auf einem Microsoft-Server gehostet wird.(...) Das Land lässt sich mit der IP-Adresse auch herausfinden. Die Website wird in den Niederlanden gehostet – in der Azure Cloud von Microsoft. (...) Das heißt 'die zentrale Plattform für Lehrende, Schülerinnen und Schülern und künftig auch Erziehungsberechtigte' wird nicht in Österreich gehostet. (...) Das Portal Digitale Schule könnte ohne großen Aufwand auch von einem Österreichischen Provider bzw. dem Bundesrechenzentrum gehostet werden. (...) Denken wir an Eduvidual, WebUntis, SchoolFox oder an die Universität Wien, die BigBlueButton selber hostet."

1) https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/zrp/dibi/8punkte.html

2) https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:dbc3a630-8034-47aa-9e9d-4db35e58867c/masterplan_digitalisierung_pi.pdf

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

  1. Für welche Dauer wurde das Portal Digitale Schule ursprünglich konzipiert und warum wurde es bereits nach drei Jahren wieder eingestellt? War dies von Anfang an so geplant?
  2. Welche Kosten sind aus dem Projekt insgesamt entstanden?
    1. Sind seit der Anfragebeantwortung 10549/AB vom 27.06.2022, die Kosten von rund 12 Mio. Euro aufgelistet hat, weitere Kosten hinzugekommen?
  1. Der Verein IT in der Bildung wurde, wie im Portal https://ausschreibungen.usp.gv.at/ nachzulesen ist, mit einer Akzeptanzanalyse zu PoDS beauftragt, die 66.213,55 Euro gekostet hat.
    1. Sind die Ergebnisse dieser Analyse öffentlich einsehbar?

                                          i.    Wenn ja, wo?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Wieviel Prozent der Schulen haben PoDS tatsächlich verwendet? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten.
    2. Welche Gründe für die geringe Akzeptanz von PoDS hat die Analyse ergeben?
    3. Wie ist der Verein IT in der Bildung entstanden und inwiefern ist er qualifiziert dazu, diese Analyse durchzuführen?
    4. Wurde die Entscheidung, PoDS stillzulegen, vor oder nach Durchführung der Akzeptanzanalyse getroffen?
  1. Welche Konsequenzen hat das BMBWF aus dem geringen Erfolg von PoDS gezogen?
    1. Gibt es finanzielle Konsequenzen, bspw. indem mangels ausreichend erbrachter Leistung Werkvertragshonorare zurückgefordert oder zurückbehalten wurden?

                                          i.    Wenn ja, welche?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Gibt es Konsequenzen in Bereich der Auftragsvergabe, bspw. indem mit dem Nachfolgeprojekt Bildungsportal andere Unternehmen beauftragt werden?

                                          i.    Wenn ja, welche?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Gibt es andere, bspw. strukturelle, konzeptionelle oder strategische Konsequenzen?

                                          i.    Wenn ja, welche?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

  1. Welche Abteilung war im BMBWF für PoDS zuständig und welche Abteilung ist nun mit dem Nachfolgeprojekt Bildungsportal betraut?
  2. Welche Personen oder Personengruppen aus dem Anwendungsfeld von PoDS, also aus den Schulen, wurde in die Konzeption von PoDS einbezogen und wie ist das jeweils konkret erfolgt?
    1. Schulleiter:innen
    2. IT-Betreuer:innen/Kustoden
    3. Informatiklehrer:innen
    4. andere
  1. Welche Personen oder Personengruppen aus den Schulen wurden in die Konzeption des PoDS-Nachfolgeprojekts Bildungsportal einbezogen und wie ist das jeweils konkret erfolgt?
    1. Schulleiter:innen
    2. Adminstrator:innen
    3. IT-Betreuer:innen/Kustoden
    4. Informatiklehrer:innen
    5. andere
  1. Welche Personen oder Personengruppen aus den Schulen sollen künftig in die Weiterentwicklung des Bildungsportals einbezogen werden und wie ist das konkret vorgesehen?
    1. Schulleiter:innen
    2. Adminstrator:innen
    3. IT-Betreuer:innen/Kustoden
    4. Informatiklehrer:innen
    5. andere
  1. Schulleitungen klagen darüber, dass sie in die Konzeption von PoDS nicht einbezogen gewesen wären und dass das BMBWF nicht bereit sei, über Software-Wünsche seitens der Schulen zu sprechen, die das schulische Leben erleichtern würden.
    1. Wie stellt sich das aus Ihrer Sicht dar und sind zukünftig Änderungen in der Zusammenarbeit mit den Schulen vorgesehen?
    2. Gibt es seitens des BMBWF Überlegungen oder Pläne, im Bereich der schulischen Software zukünftig stärker einen Bottom-Up- statt Top-Down-Ansatz zu verfolgen, indem die Entwicklung und Weiterentwicklung der Software primär den Bedürfnissen, Vorschlägen und Wünschen der Schulen folgen soll?
  1. Wie stehen Sie zu der in der IT-Fachwelt öfters geäußerten Forderung "public money, public code", also dass mit öffentlichen Mitteln finanzierte Software auch öffentlich zugänglich und transparent sein soll?
  2. Wieso wurden Teile der PoDS-Daten auf Servern des US-Unternehmens Microsoft in den Niederlanden gehostet und nicht in Österreich, wie das den Zielen der Datensicherheit und digitalen Souveränität entsprechen würde?
    1. Ist beim Nachfolgeprojekt Bildungsportal eine andere Hosting-Lösung vorgesehen, etwa so wie bei Eduvidual, WebUntis und SchoolFox ein Hosting in Österreich?
  1. Zur Umsetzung des digitalen Schüler:innenausweises edu.digicard wird aus den Schulen berichtet, dass PoDS hier einen erheblichen Mehraufwand verursacht hat. In Sokrates waren alle Eltern, die zusammen wohnten, als ein einziger Datensatz angelegt. PoDS hingegen hat für Vater und Mutter je einen separaten Datensatz verlangt. Die Datensätze mussten also gesplittet werden. Dieser Vorgang wurde nicht mittels eines Skripts automatisiert, sondern die Administrator:innen aller AHS und BHS erhielten den Auftrag, Name, Alter, Wohnort, Telefonnummer und E-Mail-Adresse jeweils händisch zu kopieren.
    1. Ist dieser Sachverhalt richtig?
    2. Wenn ja, warum wurde die bit media GmbH, die Sokrates entwickelt hat und in PoDS involviert war, nicht beauftragt, diesen Vorgang zu automatisieren?
    3. Wenn ja, ist der erhebliche manuelle Aufwand, der den Administrator:innen der Bundesschulen auflegt worden ist, nun mit der Einstellung von PoDS vergeblich erfolgt?
  1. Im Regierungsprogramm der laufenden Legislaturperiode ist eine "Österreichische Bildungscloud" als Vorhaben genannt. Das Projekt educloud austria, das der digitalen Souveränität und dem Datenschutz zuträglich wäre, wird laut dem Bericht https://linux-bildung.at/2023/06/aus-fuer-die-educloud-austria/ aus Geldmangel nicht weiter betrieben.
    1. Hat das BMBWF dieses Projekt in der Vergangenheit unterstützt? Wenn ja, mit welchen Mitteln?
    2. Warum wird diesem Projekt gegenwärtig die Unterstützung verweigert?
    3. Wird die im Regierungsprogramm vorgesehene "Österreichische Bildungscloud" in dieser Legislaturperiode auf andere Weise umgesetzt?
    4. Hätte mit dem für das gescheiterte PoDS aufgewendeten Geld das Projekt educloud austria umgesetzt werden können?
    5. Inwiefern ist die fehlende Unterstützung für educloud austria mit dem im "Digital Austria Act" (https://www.bmf.gv.at/dam/bmfgvat/presse/unterlagen-pressekonferenz/Digtal-Austria-Act.pdf) angekündigten verstärkten Einsatz von Open Source Software im schulischen und universitären Bereich vereinbar?