16797/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.11.2023
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Reinhold Einwallner, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Abschiebe-Abkommen mit Ruanda nach britischem Vorbild?

Im Frühjahr 2022 einigten sich Großbritannien und Ruanda auf ein weitgehendes Abschiebe- Abkommen. Die Vereinbarung sieht vor, dass sämtliche in Großbritannien ankommende Flüchtlinge ohne Einreisegenehmigung, unabhängig von ihrer Herkunft nach Ruanda abgeschoben werden. Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Vorgehen als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): Einerseits werde Geflüchteten damit ihr Recht auf ein Asylverfahren genommen, anderseits seit Ruanda kein sicherer Drittstaat. Ein interner (und zunächst geheim gehaltener) Bericht der britischen Regierung offenbarte im Sommer 2022 die Lage vor Ort: Folter als staatlich eingesetzte Methode gegen politische Oppositionelle, außergerichtliche Tötungen und die Rekrutierung von Flüchtlingen für bewaffnete Einsätze in Nachbarländern stünden an der Tagesordnung.[1] Nachdem der europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrere Abschiebungen auf Basis des Abkommens bereits vor einem Jahr für rechtswidrig erklärte, ging das britische Berufungsgericht „Couto f Appeal" im Sommer 2023 noch weiter und erkannte das gesamte Abkommen als rechtswidrig. Ruanda könne nicht als sicherer Drittstaat gesehen werden.

Expert*innen sind sich einig, dass ein solches Abkommen nicht mit geltendem EU-Recht vereinbar ist. Nachdem Dänemark ursprünglich ähnliche Pläne wie Großbritannien verfolgte, wurde das Vorhaben 2023 nach anhaltender Kritik gestoppt.[2]

Trotz der offensichtlichen Unvereinbarkeit solcher Abkommen mit der europäischen Menschenrechtskonvention, bekräftigte Innenminister Karner im Rahmen eines Treffens mit seiner britischen Amtskollegin am 2.11.2023, dass Österreich sich entsprechende Abkommen zum Ziel setze. Damit ist Österreich das erste EU-Land, das das umstrittene Vorgehen Großbritanniens nicht nur goutiert, sondern laut einem Artikel[3] im britischen Telegraph sogar zum Vorbild erklärt. Um die ohnehin fortgeschrittene Isolierung Österreichs in der europäischen Union zu verhindern, bedarf es einer raschen Klarstellung, dass sich Österreich in seiner Asylpolitik nicht über Grund- und Menschenrechte hinwegsetzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1.       Im Rahmen eines Treffens am 2.11.2023 unterzeichnete HBM Karner ein Kooperationsabkommen mit seiner britischen Amtskollegin betreffend „ der inneren Sicherheit beim Kampf gegen Schlepperkriminalität, bei Asylmissbrauch und grenzüberschreitender Kriminalität“[4]

a.       Was ist der Wortlaut des Kooperationsabkommens?

b.       Welche konkreten Vereinbarungen wurden in Bezug auf „den Kampf gegen Schlepperkriminalität und Asylmissbrauch“ getroffen? (Bitte um Wiedergabe der betreffenden Passage im Abkommen)

c.        Welche konkreten Vereinbarungen wurden in Bezug auf „grenzüberschreitende Kriminalität“ getroffen? (Bitte um Wiedergabe der betreffenden Passage im Abkommen)

d.       Wurde der Zusammenhang zwischen kriminellen Handlungen und dem Verschwinden unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge beim Treffen besprochen? Wurden diesbezügliche Vereinbarungen ins Kooperationsabkommen aufgenommen?

2.       Im Rahmen des Treffens am 2.11.2023, bekräftigte HBM Karner das Vorhaben, ein Abkommen mit Ruanda über die Übernahme von in Österreich eingereisten Flüchtlinge nach britischem Vorbild abzuschließen.

a.       Gab es bereits Gespräche mit der ruandischen Regierung betreffend eines solchen Abkommens?

i.       Falls ja: Wann und mit wem? Was war Inhalt der Gespräche?

ii.     Falls nein: Sind entsprechende Termine/Gespräche geplant?

b.       Wurden seitens des BMI Gutachten oder Stellungnahmen in Bezug auf die Vereinbarkeit eines solchen Abkommens mit der EMRK eingeholt?

i.       Falls ja: Was ist Inhalt des Gutachtens/der Stellungnahme?

ii.     Falls nein: Warum nicht?

c.        Wird Ruanda von den zuständigen Behörden als sicherer Drittstaat iSd §4 AsylG gesehen?

3.       Expert:innen sind sich einig, dass das „Asyl-Abkommen“ zwischen Großbritannien und Ruanda nicht mit derzeitigem EU-Recht (bzw. der EMRK) vereinbar ist.[5]

a.     Gibt oder gab es Ihrerseits Bestrebungen, die europäische Rechtslage (bzw. die EMRK) dahingehend abzuändern, dass ein solches Abkommen mit Österreich ermöglicht wird?

i.     Falls ja: Bitte um Darstellung der Bestrebungen. Welche Initiativen haben Sie bereits gesetzt?

4.       Im Rahmen des Treffens am 2.11.2023 unterstrich HBM Karner laut einem Artikel[6] im britischen Telegraph, dass Österreich sich in der europäischen Union weiterhin für Abkommen mit Drittstaaten nach britischem Vorbild einsetzen möchte.

a.       An welche Mitgliedsstaaten sind Sie mit entsprechenden Vorhaben herangetreten?

i.    Welche Mitgliedsstaaten haben Ihre Zustimmung zu einem solchen Abkommen bereits signalisiert?

b.       Werden derzeit Verhandlungen mit Drittstaaten über entsprechende Abkommen geführt?

i.    Falls ja: Mit welchen Drittstaaten? Wie stellt sich der aktuelle Verhandlungsstand dar?

5.     Können Sie ausschließen, ein entsprechendes Abkommens im Alleingang abzuschließen, bevor es diesbezüglich zu einer Einigung auf europäischer Ebene kommt?



[1] https://www.derstandard.at/story/2000138374202/ruanda-gutachten-zu-migrationsdeal-muessen-grossteils-offengelegt-werden

[2] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/daenemark-asylzentrum-ruanda-101.html

[3] https://www.telegraph.co.uk/news/2023/11/02/austria-agreement-uk-rwanda-style-migrant-deal/?li_source-LI&li_medium=onboarding

[4] https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=635A7031526C2F6C2B33493D

[5] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ruanda-modell-asyl-migration-gipfel-gefluechtete-100.html

[6] https://www.telegraph.co.uk/news/2023/11/02/austria-agreement-uk-rwanda-style-migrant-deal/?li_source-LI&li_medium=onboarding