16821/J XXVII. GP
Eingelangt am 10.11.2023
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt
betreffend Stand des EU-Türkei Deals
Im Frühjahr 2016 wurde der sogenannte "EU-Türkei Deal" geschlossen. Die Vereinbarung sieht insbesondere vor, dass Asylsuchende, die die Türkei als Transitland genutzt haben und auf den griechischen Inseln erstmals das Territorium der EU betreten, wieder in die Türkei zurückgeführt werden sollen. Für jede von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgeführte Person aus Syrien soll eine andere schutzberechtigte syrische Person aus der Türkei in der EU neu angesiedelt werden (1:1-Mechanismus).
Der Deal umfasste finanzielle Unterstützung in Höhe von Milliarden für die Versorgung von in der Türkei lebenden syrischen Flüchtlingen. Letzteres wurde zunächst durch das EU Facility for Refugees in Turkey Programm der EU umgesetzt, bei dem Fördergelder hauptsächlich direkt an internationale humanitäre Hilfs- und Entwicklungsorganisationen vor Ort bezahlt wurden.1 Die im Rahmen des Abkommens zunächst beabsichtigte Visaliberalisierung für türkische Staatsangehörige und die Intensivierung der EU-Beitrittsverhandlungen wurden aufgrund der massiven Beschneidung von Grundrechten wie Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit in der Türkei später zurückgestellt.
Im Laufe der Jahre kam es immer wieder zu Eklats: So beispielsweise im Februar 2020, wo Erdogan beklagte, es seien die im Rahmen des Deals abgemachten 6 Milliarden Euro von der EU nicht zur Gänze an die Türkei und an in der Türkei tätigen internationalen Organisationen ausbezahlt worden. Die EU hätte sich somit nicht an ihre Seite der Abmachung im weiteren Sinne einer langfristigen Unterstützung der Flüchtlingslage gehalten, wodurch Erdogan sich Anfang März 2020 gerechtfertigt sah, Menschen, die bisher durch türkische Behörden und Organisationen von einer Migration nach Europa abgehalten wurden, innerhalb der Türkei in Richtung der griechischen Grenze zu bewegen. Medienberichten zufolge nimmt die Türkei auch seit 2020 keine Schutzsuchenden mehr aus Griechenland zurück.
Die Bilanz des Deals ist ambivalent: Einerseits sank die Anzahl an irregulären Einreisen nach Abschluss des Deals und starben in den Jahren nach Abschluss des Deals weniger Menschen in der Ägäis. Andererseits sind Pushbacks an den Grenzen zwischen der Türkei und Griechenland seit Jahren an der Tagesordnung. Auch die Zustände auf den griechischen Inseln und der Umgang der griechischen Behörden mit Schutzsuchenden und Migrant:innen sind alles andere als menschenrechtskonform, weshalb auch die EU Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland eingeleitet hat.2
Medienberichten zufolge strebt Athen eine Verlängerung des Deals mit Ankara an. Ziel sei es, das Abkommen von 2016 zu verbessern und "durch Griechenlands Initiative" zu "erweitern", weil das Land in Migrationsfragen an vorderster Front stehe und daher ein "unmittelbares Interesse" an der Einigung habe, so der griechische Migrationsminister Dimitris Kairidis.3
Wir NEOS stellten schon vor drei Jahren eine Anfrage betreffend Stand und Einhaltung des EU-Türkei Deals.4 Über sieben Jahre nach Abschluss des Deals stellt sich die Frage, welche Zukunft die Vereinbarung hat. Des weiteren ist von Interesse, wie es um die damals gesetzten Zielsetzungen steht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Ist die Einhaltung menschenrechtlicher Standards im Umgang mit Migrant:innen und Asylsuchenden, insbesondere in Griechenland und in der Türkei, Bedingung?
i. Was ist der Stand der Beratungen?
i. Was ist der Stand der Verhandlungen, welche Positionen werden von welcher Seite jeweils vertreten?
i. Wann und in welchen Gremien jeweils?
i. an die Türkei?
ii. an Organisation in der Türkei?
i. In welchen Untergliederungen, Global- und Detailbudgets wurden diese Finanzierungen veranschlagt?
i. Wann?
ii. Was wurde nicht eingehalten?
iii. Mit welcher Konsequenz?
i. Wann?
ii. Was wurde nicht eingehalten?
iii. Mit welcher Konsequenz?