16894/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.11.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Konsequenzen des Volksanwaltschaftsberichtes 2022

 

Die Volksanwaltschaft überprüft aufgrund von Beschwerden von Bürger:innen die Arbeit der öffentlichen Verwaltung in Österreich. Dabei zeigt sie Defizite auf und drängt auf deren Beseitigung. Falls dies nicht möglich ist, übermittelt sie dem Parlament Vorschläge zu Gesetzesänderungen (https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/4oj0t/PB-46-Nachpr%C3%BCfend_2022_bf.pdf).

Seit dem Jahr 2014 wird der Jahresbericht an das Parlament in zwei getrennten Bänden vorgelegt. Der erste Band behandelt die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung und umfasst im Wesentlichen die Prüfverfahren, welche die Bundesministerien betreffen; im Jahre 2022 wurden 10.508 Prüfverfahren abgeschlossen, davon stellte die Volksanwaltschaft in 2.278 Fällen- also rund einem Fünftel- einen Missstand in der Verwaltung fest.

Der zweite Band umfasst insbesondere die präventiven Aufgaben, die seit 1. Juli 2012 von der Volksanwaltschaft und den von ihr eingesetzten Kommissionen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Nationaler Präventionsmechanismus (NPM) in Durchführung des Fakultativprotokolls zur UN-Anti-Folterkonvention und als Kontrollorgan nach der UN-Behindertenrechtskonvention zu erfüllen sind. In ihrem NPM-Bericht zum Jahre 2022 stellte die Volksanwaltschaft wieder Mängel beim Schutz der Grund- und Menschenrechte auf.

Zahlreiche von der Volksanwaltschaft angesprochenen reformbedürftigen Themen fallen in den Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Zögerliche Aufklärung einer Misshandlung – JA Stein (Band "Kontrolle der öffentlichen Verwaltung", S. 157): Von Amts wegen leitete die VA ein Prüfverfahren zur Verletzung eines Insassen durch einen Justizwachebeamten ein: Aus nicht bekanntem Grund habe ein Beamter mit zwei Händen den Kopf eines Gefangenen genommen und mehrfach gegen die Haftraumtüre geschlagen. Auf mehreren Videos, die der Verletzte ins Internet stellte, sind zwei (Platz-) Wunden (an der linken Seite der Stirn sowie am rechten Ohr) zu sehen. Mit Schreiben vom November 2022 teilte das BMJ mit, dass die StA Krems einen im September 2022 gegen den Beamten eingebrachten Strafantrag zurückgezogen habe und damit das Strafverfahren eingestellt wurde. Eine Disziplinaranzeige gegen den Beamten sei bei der Bundesdisziplinarbehörde erstattet worden.
    1. Was ist der aktuelle Stand des Disziplinarverfahrens?
    2. Welche Maßnahmen wurden nach diesem Vorfall ergriffen (Schulungen, etc.)? 
  1. Zu "aufreizende Kleidung" einer Insassin in der JA Klagenfurt (Band "Kontrolle der öffentlichen Verwaltung", S.161): Eine 36-jährige Frau, die in der JA Klagenfurt in Untersuchungshaft war, erhielt eine Abmahnung. Als sie zum Besuch ihrer Eltern geholt wurde, teilte ihr eine Justizwachebeamtin mit, dass sie zu aufreizend gekleidet sei. Sie habe ein Sommerkleid mit Kompressionsstrümpfen getragen. Für den Besuch hätte sie sich umziehen und statt des Kleides eine Hose tragen müssen. Das BMJ stellte von sich aus klar, dass die Insassinnen nicht für das Verhalten der Insassen verantwortlich gemacht werden dürfen, und stellte mehrere Maßnahmen in Aussicht. Der JA werde empfohlen, den Insassinnen eine Vertrauensperson zu benennen. Weiters sollen den männlichen Inhaftierten Workshops angeboten werden, um ihr Frauenbild zu überdenken
    1. Wurden seit diesem Vorfall Workshops angeboten?

                                          i.    Falls ja: wann wurden die Workshops durchgeführt?

                                        ii.    Falls Nein; warum nicht?

    1. Wurde den Insassinnen eine Vertrauensperson benannt?

                                          i.    Wenn nein: wieso nicht?

  1. Medizinische Versorgung in den Justizanstalten (Band "Kontrolle der öffentlichen Verwaltung" S. 162 ff., Band "Präventive Menschenrechtskontrolle, S. 118, ff): Die Berichte enthalten Schilderungen über desaströse medizinische Versorgung und Überlastung von medizinischem Personal in einer Vielzahl an Justizanstalten. Der Grund sind die unattraktiven Arbeitsbedingungen und fehlenden monetären Anreize, um Mediziner:innen für eine Tätigkeit im Vollzug zu gewinnen.
    1. Welche Maßnahmen werden getroffen, um diese prekäre Situation zu verbessern und um die medizinische Versorgung in den Justizanstalten mittel - und langfristig sicherzustellen?
  1. Nach dem StVG hat das BMJ binnen längstens sechs Wochen nach rechtskräftigem Urteil zu entscheiden, in welcher JA und nach welchen Grundsätzen die Strafe zu vollziehen ist (Klassifizierung). Die VA kritisierte in ihrem Bericht, dass die Frist für die sogenannte Klassifizierung in mehreren Fällen überschritten wurde (Band "Kontrolle der öffentlichen Verwaltung" S. 168). Welche Maßnahmen werden gesetzt, um sicherzustellen, dass die gesetzlich vorgesehene Frist in allen Fällen eingehalten wird?
  2. Der NPM erachtete bei einem Besuch der JA Wien - Favoriten die Besuchszeiten als nicht ausreichend, die VA forderte daher die Ausweitung der Besuchszeiten auf das Wochenende zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen. (Band "Präventive Menschenrechtskontrolle, S. 113): Wurden die Besuchszeiten entsprechend angepasst? 
    1. Falls nein: wieso nicht?
  1. Der NPM forderte, Videotelefonie allen Gefangenen zugänglich zu machen und nicht nur jenen Gefangenen, die keinen Besuch in Österreich empfangen könnten (Band "Präventive Menschenrechtskontrolle S. 113). 
    1. Wurden Maßnahmen gesetzt, um Videotelefonie allen Gefangengen zu ermöglichen?

                                          i.    Falls ja: welche Maßnahmen wurden zu welchem Zeitpunkt gesetzt?

                                        ii.    Falls nein: warum nicht? 

  1. In beiden Berichten wurde die Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Nicht-Exekutive angesprochen, der NPM stellte fest, dass das wechselseitige Verständnis zwischen Justizwache und Betreuungspersonal verbesserbar ist, das liegt auch an der fehlenden Ausbildung des Exekutivpersonals über die Krankheitsbilder der im Maßnahmenvollzug untergebrachten Personen. Laut dem BMJ würden Vorbereitungen für ein gemeinsames Ausbildungskonzept für das Exekekutive und das Nicht-exekutive Personal getroffen werden (Band "Präventive Menschenrechtskontrolle S. 121). 
    1. Wie ist der aktuelle Stand dieser Vorbereitungen?

                                          i.    Wann kann mit dem Start dieser Ausbildung gerechnet werden und wie soll sie ausgestaltet sein?

  1. Bei ihrem Besuch der JA Salzburg stellte die Kommission fest, dass die VISCI-Einstufung mit farblichen Aufklebern neben der Haftraumtüre angebracht war und kritisierte dies als Verletzung der Privatsphäre (Band "Präventive Menschenrechtskontrolle, S.115 ) Wurde diese Praxis mittlerweile beendet?
    1. Wenn ja, wann? 
    2. Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen? 
    3. Wenn nein, warum nicht und bis wann ist eine Umsetzung der Empfehlung durch welche konkreten Maßnahmen geplant?  
  1. Die Kommission musste feststellen, dass bei Therapiegesprächen von Insassinnen mit der Psychotherapeutin die Vertraulichkeit nicht immer gewahrt ist. (Band "Präventive Menschenrechtskontrolle, S. 116) Welche Maßnahmen wurden getroffen, um sicherzustellen, dass in Zukunft die Vertraulichkeit gewahrt wird?
  2. Die Kommission kritisierte, dass Untergebrachte gem. § 21 Abs. 2 StGB, deren Urteil seit geraumer Zeit rechtskräftig ist, noch landesgerichtlichen Gefangenenhäusern angehalten werden.  Können Untergebrachte nicht zeitnahe in ihre Zielanstalt überstellt werden, ist ihnen bis dahin ein adäquates Therapieangebot zu unterbreiten. Wurde diese Empfehlung befolgt?
    1. Wenn ja, wann? 
    2. Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen? 
    3. Wenn nein, warum nicht und bis wann ist eine Umsetzung der Empfehlung durch welche konkreten Maßnahmen geplant?  
  1. Die Kommission kritisierte die baulichen Mängel im Landesklinikum Mauer, Pavillon 12 und regte an, dass Nachsorgeeinrichtungen barrierefrei nutzbar sein müssen, Fluchttüren dürfen nicht versperrt und Notausgänge müssen als solche gekennzeichnet sein. Zudem sind den Bediensteten regelmäßige Auffrischungs- und Fortbildungskurse zum Thema Gewaltprävention anzubieten. Wurde diese Empfehlung befolgt?
    1. Wenn ja, wann? 
    2. Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen? 
    3. Wenn nein, warum nicht und bis wann ist eine Umsetzung der Empfehlung durch welche konkreten Maßnahmen geplant?  
  1. Wurde die Empfehlung zu den Nachsorgeeinrichtungen umgesetzt (Band Präventive Menschenrechtskontrolle, S. 131-132)?
    1. Wenn ja, wann? 
    2. Wenn ja, durch welche konkreten Maßnahmen? 
    3. Wenn nein, warum nicht und bis wann ist eine Umsetzung der Empfehlung durch welche konkreten Maßnahmen geplant?