Eingelangt am 17.11.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Dr. Stephanie
Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Zwangsheirat mit
Migrationsaspekt
Im
Frühling 2023 veröffentlichte der Österreichische
Integrationsfonds (ÖIF) eine vom Instituts für Konfliktforschung
erstellte Studie zu Zwangsheirat (1). Die Ergebnisse sind lesenswert: Im Jahr
2021 wurden 54 Verdachtsfälle von Zwangsverheiratung bei
Minderjährigen erfasst, 53 der Betroffenen waren weiblich. Konkrete Zahlen
gibt es aber nur für Jugendliche, die durch die Kinder- und Jugendhilfe
unterstützt werden: Schätzungen gehen davon aus, dass
österreichweit ca. 200 Personen jährlich von Zwangsheirat betroffen
bzw. bedroht sind.
Zwangsheirat
betrifft in erster Linie Frauen. Eine erzwungene Hochzeit wird von Familien
teils als Mittel gesehen, sich finanziell abzusichern - etwa, wenn es um
Mädchen mit Lernschwierigkeiten oder einer körperlichen Behinderung
geht - oder um die Sexualität von Mädchen und jungen Frauen zu kontrollieren.
Auch die Wiederherstellung der Ehre, z.B. nach einer Vergewaltigung, kann ein
Grund für eine Zwangsheirat sein. Jedenfalls begründet sich die Idee
der Zwangsheirat in althergebrachten und kulturell verankerten
Geschlechterbildern, die Frauen und Mädchen nur wenig Selbstständigkeit
und Selbstwirksamkeit zugestehen.
Besonders
gefährdet sind laut Studienautor:innen:
- Mädchen und junge Frauen der zweiten und dritten
Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Diese werden
oftmals gezwungen, die Schule bzw. ihre Ausbildung abzubrechen, um ihnen
keine ökonomische Selbständigkeit zu ermöglichen.
- Frauen, die aus ihrem Herkunftsland zum Zweck der
Zwangsheirat nach Österreich gebracht werden. Frauen dieser Gruppe
befinden sich in einer noch stärkeren Abhängigkeit. Sie haben
nicht nur im Regelfall keine Ausbildung, sondern sprechen auch nicht
Deutsch und sind sozial isoliert, weil sie in Österreich auf kein
soziales Netzwerk zurückgreifen können.
- Die dritte Gruppe sind Frauen in unterschiedlichen
(Vor-)Stadien des Asylverfahrens sowie unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge.
In vielen
Fällen beinhaltet Zwangsheirat einen Migrationsaspekt. Junge Frauen werden
zum Zwecke der Zwangsheirat ins Ausland gebracht bzw. junge Frauen aus dem
Ausland werden nach der erzwungenen Heirat nach Österreich gebracht. Bei
Zweiterem ist besonders problematisch, dass die Frau in diesem Fall meist
außer ihrem Ehemann kaum Kontakt in Österreich hat und auch die
Sprache nicht ausreichend spricht, wodurch ein Abhängigkeitsverhältnis
entsteht. Bei Eheschließungen, wobei mindestens eine:r der
Ehepartner:innen noch kein Aufenthaltsrecht in Österreich hat, wird ein
behördliches Verfahren zur Familienzusammenführung nach NAG oder
Asylgesetz notwendig. Außerdem muss eine im Ausland geschlossene Ehe in
Österreich beim Standesamt eingetragen werden. In Bezug auf Zwangsheirat
mit Migrationsaspekt besteht also das Potential, Fälle im Zuge von
behördlichen Prozessen aufzudecken und Schlimmeres zu verhindern.
(1)
https://www.integrationsfonds.at/der-oeif/presse/detail/oeif-forschungsbericht-zu-zwangsheirat-in-oesterreich-jaehrlich-rund-200-faelle-auch-frauen-der-zweiten-und-dritten-generation-betroffen-17101/
Die unterfertigten
Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Welchen Prozess durchlaufen österreichische Staatsbürger:innen
oder Drittstaatangehörige, wenn sie Ehepartner:innen aus dem Ausland
nach dem NAG nachholen wollen?
- Welche Schritte muss der/die Ehepartner:in im Ausland selbst
setzen?
- Welche Schritte muss der/die Ehepartner:in im Inland setzen?
- Welchen Prozess durchlaufen Asyl- bzw. subsidiär
Schutzberechtigte in Österreich, wenn sie Ehepartner:innen aus dem
Ausland nach dem Asylgesetz nachholen wollen?
- Welche Schritte muss der/die Ehepartner:in im Ausland selbst
setzen?
- Welche Schritte muss der/die Ehepartner:in im Inland setzen?
- Mit welchen anderen Ressorts, Ministerien und Einheiten bzw.
Magistratsabteilungen auf Landesebene arbeitet das BMEIA bei
Familienzusammenführungen nach dem NAG (inkl. Visumsausstellung)
zusammen?
- Mit welchen anderen Ressorts, Ministerien und Einheiten bzw.
Magistratsabteilungen auf Landesebene arbeitet das BMEIA bei
Familienzusammenführungen nach dem Asylgesetz (inkl.
Visumsausstellung) zusammen?
- Werden Botschafts- bzw. Konsularbeamte geschult, Warnzeichen von
Zwangsheirat zu erkennen?
- Wenn ja, nach welchen Warnzeichen wird Ausschau gehalten?
- Gibt es Schulungen zu international best practices?
i. Wenn ja, in welchem Abstand?
ii. Wenn ja, mit welchem Inhalt?
iii. Wenn nein, warum nicht?
- Ist es im Rahmen von Familienzusammenführung nach NAG oder
Asylgesetz möglich, minderjährige Ehepartner:innen nach
Österreich zu holen?
- Wird generell eine Altersgrenze gehandhabt und geprüft?
- Wurden in den Prozessen, die bei Familienzusammenführung zur
Anwendung kommen, Vorkehrungen getroffen, um Fälle von Zwangsheirat
aufzudecken?
- Wenn ja, welche?
- Was passiert bei Auftreten von Verdachtsmomenten bei der
Nachholung von im Ausland lebenden Ehepartnern? Welche Nachforschungen
stellen Botschaftsmitarbeiter:innen bei Verdachtsmomenten an?
- In wie vielen Fällen gab es einen
Verdacht auf Zwangsheirat (seit 2016)?
- Wo werden derartige Verdachte gemeldet und
wie wird in der Folge verfahren?
- In wie vielen Fällen bestätigte
sich der Verdacht?
- Wie viele Anträge auf Familienzusammenführung nach dem
NAG gab es pro Jahr seit 2016? Bitte um Aufschlüsselung nach
Staatsangehörigkeit, Vertretungsbehörde sowie beantragtem
Aufenthaltstitel (Familienangehöriger; Rot-Weiß-Rot
Karte plus; Niederlassungsbewilligung usw.).
- Wie viele davon wurden bewilligt?
- Wie viele davon wurden abgelehnt?
i. Aus welchen Gründen jeweils?
- Bei wie vielen Anträgen auf Familienzusammenführung nach
dem NAG handelte es sich um Anträge, einen Ehepartner bzw. eine
Ehepartnerin nachzuholen?
- Aus welchen Ländern sollten die Ehepartner:innen nachgeholt
werden? Bitte um Aufgliederung.
- In welche Altersgruppen fallen die nachzuholenden
Ehepartner:innen? Bitte um Aufgliederung.
- Wie viele davon wurden bewilligt?
- Wie viele davon wurden abgelehnt?
i. Aus welchen Gründen jeweils?
- Wie viele Anträge auf Familienzusammenführung nach dem
Asylgesetz gab es pro Jahr seit 2016? Bitte um Aufschlüsselung nach
Staatsangehörigkeit und Vertretungsbehörde.
- Wie viele davon wurden bewilligt?
- Wie viele davon wurden abgelehnt?
i. Aus welchen Gründen jeweils?
- Bei wie vielen Anträgen auf Familienzusammenführung nach
dem Asylgesetz handelte es sich um Anträge, eine:n Ehepartner:in
nachzuholen?
- Aus welchen Ländern sollten die Ehepartner:innen nachgeholt
werden? Bitte um Aufgliederung.
- In welche Altersgruppen fallen die nachzuholenden Ehepartner:innen?
Bitte um Aufgliederung.
- Wie viele davon wurden bewilligt?
- Wie viele davon wurden abgelehnt?
i. Aus welchen Gründen jeweils?