16972/J XXVII. GP
Eingelangt am 22.11.2023
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ANFRAGE
der Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Mag. Gerhard Kaniak, Mag. Christian Ragger, Peter Wurm
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Hat Bundesminister a.D. Faßmann gegen das Medizinproduktegesetz verstoßen?
Im Jahr 2021 kam es zu einem Verlangen auf Durchführung einer Gebarungsüberprüfung gemäß § 99 Abs 2 iVm § 26 GOG-NR. Wesentlicher Punkt war damals der begründete Verdacht eines Verstoßes gegen das Medizinproduktegesetz im Zusammenhang mit der Inverkehrbringung von Selbsttest an Österreichs Schulen:
Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass Bundesminister Heinz Faßmann bei der lnverkehrbringung dieser Selbsttests gegen das Medizinproduktegesetz verstoßen hat. Eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung liegt dem Gesundheitsministerium vor.[1]
In einem aktuellen RH-Bericht wird nun folgende Feststellung getroffen:
Der RH hielt kritisch fest, dass für den Zeitraum 18. bis 22. Jänner 2021 für die an Schulen ausgelieferten Antigen–Tests keine Rechtsgrundlage zu deren Selbstanwendung vorlag. Auch für die Zeit nach Außerkrafttreten der neu geschaffenen Rechtsgrundlage des § 81 Abs. 4 Medizinproduktegesetz 2021, ab Jänner 2022, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass noch Antigen–Tests an den Schulen im Umlauf waren, für die keine Rechtsgrundlage zur Selbstanwendung bestand.
Der RH empfahl dem Bildungsministerium, sicherzustellen, dass keine Antigen–Tests, die nicht zur Selbstanwendung in Verkehr gebracht wurden, an den Schulen im Umlauf sind.
Der RH kritisierte, dass in Bezug auf das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren des Magistratischen Bezirksamts 3 nur eine fragmentierte Einstellungsbegründung vorlag, die nicht im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG)71 ausreichend begründet war.
Er empfahl der Stadt Wien, darauf zu achten, dass Verwaltungsstrafakten vollständig sind und Einstellungen von Verwaltungsstrafverfahren nachvollziehbar begründet werden.[2]
Die einschlägigen Verwaltungsstrafbestimmungen im Medizinproduktegesetz lauten folgendermaßen:
Verwaltungsstrafbestimmungen
§ 80. (1) Wer
1. ein Medizinprodukt entgegen den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 oder dieses Bundesgesetzes in Verkehr bringt, am Markt bereitstellt, in Betrieb nimmt, errichtet, installiert, oder anwendet,
2. als Hersteller, Bevollmächtigter, Importeur, Händler oder als sonstige natürliche oder juristische Person seinen Verpflichtungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 oder gemäß diesem Bundesgesetz nicht nachkommt,
3. als Benannte Stelle die Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 nicht erfüllt,
4. ein Medizinprodukt zu Demonstrationszwecken entgegen den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 ausstellt,
5. den Vorgaben des Art. 6 der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder des Art. 6 der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 zuwiderhandelt,
6. die Anforderungen gemäß Art. 15 der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder Art. 15 der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 nicht erfüllt,
7. ein Medizinprodukt entgegen Art. 22 der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 kombiniert, ohne die dafür vorgesehene Erklärung abzugeben,
8. ein Medizinprodukt entgegen Art. 22 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 sterilisiert, bei klinischen Prüfungen oder Leistungsstudien den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 oder den Vorgaben des 3. Abschnitts zuwiderhandelt,
10. die Anforderungen der Überwachung und Vigilanz gemäß Kapitel VII Abschnitt 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder gemäß Kapitel VII Abschnitt 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 nicht erfüllt,
11. bei Maßnahmen der Überwachung seiner Verpflichtung zur Duldung oder Unterstützung dieser Maßnahmen gemäß Art. 93 der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder Art. 88 Verordnung (EU) Nr. 746/2017 nicht nachkommt,
12. als Wirtschaftsakteur den Vorgaben gemäß Art. 94, 95 und 97 der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 oder Art. 89, 90 und 92 der Verordnung (EU) Nr. 746/2017 zuwiderhandelt,
13. den Vorgaben des § 6 zuwiderhandelt oder die Anforderungen gemäß § 7 nicht beachtet,
14. Medizinprodukte in Gesundheitseinrichtungen entgegen § 9 herstellt und verwendet,
15. bei einer nichtinterventionellen Studie die Anforderungen einer Verordnung gemäß § 35 nicht erfüllt,
16. der Meldepflicht des § 37 nicht nachkommt,
17. bei Maßnahmen der Überwachung seiner Verpflichtung zur Duldung oder Unterstützung dieser Maßnahmen gemäß § 38 Abs. 7 und 8 oder § 39 nicht nachkommt,
18. der Meldepflicht gemäß § 40 oder der Verpflichtung gemäß §§ 41 und 42 nicht nachkommt,
19. einer Anordnung gemäß den §§ 43 und 44 nicht nachkommt,
20. die Vorgaben der §§ 45 und 47 nicht erfüllt,
21. der Verordnung (EU) Nr. 722/2012 der Kommission vom 8. August 2012 über besondere Anforderungen betreffend die in der Richtlinie 90/385/EWG bzw. 93/42/EWG des Rates festgelegten Anforderungen an unter Verwendung von Gewebe tierischen Ursprungs hergestellte aktive implantierbare medizinische Geräte und Medizinprodukte zuwiderhandelt,
22. Personen beauftragt, Tätigkeiten gemäß § 48 auszuführen, ohne dass diese die Voraussetzung erfüllen,
23. die Tätigkeit eines Medizinprodukteberaters entgegen § 48 ausübt,
24. die allgemeinen Anforderungen des § 49 oder einer Verordnung gemäß § 49 Abs. 2 nicht beachtet,
25. die Anforderungen des § 50 Abs. 2 oder einer Verordnung gemäß § 50 Abs. 1 und Abs. 3 nicht erfüllt,
26. Personal nicht entsprechend § 52 einweist oder einweisen lässt und die Einweisung nicht gemäß § 52 Abs. 3 dokumentiert,
27. entgegen § 53 kein Bestandsverzeichnis führt oder das Bestandsverzeichnis nicht entsprechend § 53 führt,
28. seinen Verpflichtungen zur Instandhaltung gemäß § 54 nicht nachkommt,
29. die Prüfungen nicht gemäß den §§ 55 bis 57 durchführt oder dafür Personen heranzieht, die nicht dem § 59 Abs. 1 entsprechen,
30. seiner Dokumentationsverpflichtung gemäß § 58 nicht nachkommt,
31. die gemäß § 60 erforderlichen Maßnahmen nicht setzt,
32. die Anforderungen einer Verordnung nach § 61 nicht erfüllt,
33. ein Medizinprodukt entgegen § 62 oder einer Verordnung gemäß § 63 reinigt, desinfiziert oder sterilisiert,
34. ein Medizinprodukt entgegen einer Verordnung nach § 64 anwendet,
35. als Betreiber einer Gesundheitseinrichtung die Mindestausstattung gemäß einer Verordnung nach § 65 nicht zur Verfügung hat,
36. einen Betrieb entgegen den besonderen Regelungen für den Betrieb gemäß einer Verordnung nach § 65 Abs. 1 führt oder im Sinne des § 65 Abs. 5 Tätigkeiten ausübt, ohne dem § 65 Abs. 5 zu entsprechen,
37. einen Betrieb ohne die erforderliche Genehmigung gemäß einer Verordnung nach § 65 Abs. 3 führt,
38. ein Medizinprodukt entgegen einer Verordnung gemäß den §§ 66 oder 67 abgibt,
39. Personen zum Zweck des Sammelns von Bestellungen von Medizinprodukten gemäß § 69 aufsucht oder den Auftrag dazu erteilt,
40. Kennzeichnungen oder Aufmachungen verwendet, Angaben oder Ankündigungen macht, die gemäß Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 745/2017 zur Irreführung oder dazu geeignet sind, fälschliche Erwartungen zu erwecken,
41. den Vorgaben des 11. Abschnitts über Werbung für Medizinprodukte zuwiderhandelt,
42. den Vorgaben des § 79 zuwiderhandelt,
43. entgegen §§ 81 bis 85 Medizinprodukte in Verkehr bringt, in Betrieb nimmt oder in Gesundheitseinrichtungen betreibt oder anwendet,
44. Anordnungen zuwiderhandelt, die sonst in Verordnungen nach diesem Bundesgesetz enthalten sind,
macht sich, sofern sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 25 000 €, im Wiederholungsfalle bis zu 50 000 € zu bestrafen.
(2) Der Versuch ist strafbar.
In diesem Zusammenhang richten die Abgeordneten Hermann Brückl, MA, Mag. Gerhard Kaniak, Mag. Christian Ragger und Peter Wurm an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage
1. Teilen Sie die Ansicht des Rechnungshofs, wonach der ehemalige Bundesminister Faßmann im Zusammenhang mit der Inverkehrbringung von Selbsttest an Österreichs Schulen gegen das Medizinproduktegesetz verstoßen hat?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, warum im Konkreten?
2. Wurden in diesem Zusammenhang rechtliche Schritte hinsichtlich eines Tatbestandes einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung eingeleitet?
a. Wenn ja, gegen wen?
b. Wenn ja, was ist dessen derzeitiger Stand?
c. Wenn nein, warum nicht?
3. Wurden in diesem Zusammenhang Schritte hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung eingeleitet?
a. Wenn ja, gegen wen?
b. Wenn ja, was ist dessen derzeitiger Stand?
c. Wenn nein, warum nicht?
4. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass Selbsttests ohne gesetzlichen Rahmen in Verkehr gebracht worden sind?
5. Wer übernahm bzw. bei wem lag im Zeitraum von 18. bis 22. Jänner 2021 die Verantwortung bei diesen Selbsttests an Österreichs Schulen?
6. Welche Regelungen wurden hierbei von welchen Ministerien welchen Verantwortlichen bezüglich dieser Selbsttests für den Zeitraum von 18. bis 22. Jänner 2021 bekannt gegeben?
7. Welche Regelungen wurden hierbei von welchen Ministerien welchen Verantwortlichen bezüglich dieser Selbsttests für den Zeitraum ab Jänner 2022 bekannt gegeben?
8. Wurden diese Selbsttests, die außerhalb des Zeitraums von 18. bis 22. Jänner 2021 angewandt wurden, von Schul- und Lehrpersonal geleitet, begleitet, angeordnet und/oder den Schülern angeordnet?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn ja, an welchen Schulen?
c. Wenn ja, was wurde dabei dokumentiert?
9. Wer hat die Durchführung der Selbsttests in den einzelnen Schulen außerhalb des Zeitraums von 18. bis 22. Jänner 2021 dokumentiert?
10. Wo wurden die Testungen und Testergebnisse gesammelt?
11. Sind diese ausgewertet und veröffentlicht worden?
a. Wenn ja, wo?
b. Wenn nein, warum nicht?
12. Wurden diese Selbsttests außerhalb des Zeitraums von 18. bis 22. Jänner 2021 unter Androhung von Konsequenzen bei Nichtdurchführung angewandt?
a. Wenn ja, was waren die Konsequenzen?
13. Wurden Schüler gezwungen, diese Tests durchzuführen?
a. Wenn ja, bei wem liegt nun in Hinsicht auf den Verstoß gegen das Medizinproduktegesetz im oben geschilderten Zusammenhang die Verantwortung für dieses Vorgehen?
14. Sehen Sie hier rechtliche Konsequenzen für den Verantwortlichen?
a. Wenn ja, welche?
15. Wie bewerten Sie persönlich diesen Sachverhalt?
16. Wie viele Selbsttests kamen außerhalb des Zeitraums von 18. bis 22. Jänner 2021 zur Anwendung?
17. Wie viele Selbsttests wurden außerhalb des Zeitraums von 18. bis 22. Jänner 2021 und nach der Empfehlung des Rechnungshofes an das Bildungsministerium noch zur Anwendung?
a. Wo und warum kamen diese noch zur Anwendung?
b. Wer zeigt sich dafür verantwortlich?
c. Welche rechtlichen Schritte sind in diesem Zusammenhang gegen den oder die Verantwortlichen in diesem Zusammenhang eingeleitet worden?
18. Wie bewerten Sie die Feststellung des Rechnungshofs, „dass in Bezug auf das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren des Magistratischen Bezirksamts 3 nur eine fragmentierte Einstellungsbegründung vorlag, die nicht im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG)71 ausreichend begründet war“?
19. Wie bewerten Sie die Empfehlung der „Stadt Wien, darauf zu achten, dass Verwaltungsstrafakten vollständig sind und Einstellungen von Verwaltungsstrafverfahren nachvollziehbar begründet werde[n]“?
20. Welche Informationen fehlen in der „fragmentierten“ Einstellungsbegründung, und warum musste das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden?
21. Wer aus dem Magistratischen Bezirksamt 3 zeigt sich dafür verantwortlich, dass die Verwaltungsstrafakten nicht vollständig aufbewahrt wurden?
22. Drohen dem Verantwortlichen in diesem Zusammenhang (rechtliche) Konsequenzen?
23. Steht es für Sie außer Frage, dass die Einstellungen des Verwaltungsstrafverfahren nachvollziehbar begründet wurden?
a. Wenn ja, wie erörtern Sie diese Begründung?
b. Wenn nein, warum nicht?
24. Hat der ehemalige Bundesminister Faßmann durch diese Selbsttests an Österreichs Schulen im Zeitraum von 18. bis 22. Jänner 2021 in Ihre Kompetenz eingegriffen?
a. Wenn ja, warum?
b. Wenn nein, warum nicht?