16994/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.11.2023
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Bewertungsboard für Medikamente

Medikamente sind für seltene oder schwerwiegende Erkrankungen teuer, gerade aufgrund der hohen Entwicklungskosten und der niedrigen Patientenzahlen ist das auch nachvollziehbar. Wie bei allen sehr teuren Produkten stellt sich deshalb immer eine Kosten-Nutzen-Frage, weshalb im niedergelassenen Bereich der Erstattungskodex und in einigen Bundesländern in den Krankenhäusern sogenannte Medical Innovation Boards eingerichtet wurden. Beides führt immer wieder für bestimmte Patientengruppen zu enormen Problemen im Zugang zu Medikation und in beiden Bereichen gab es in weiterer Folge bereits Gerichtsverfahren, unter welchen Umständen der Zugang zu Versorgung herzustellen ist (u.A. 1). Nachdem dieses Problem weder neu noch überraschend ist, gibt es auch schon seit Jahren Debatten darüber, wie es gelöst werden kann.

So setzt sich auch die Zielsteuerung Gesundheit damit auseinander, wie innovative Produkte zugänglich gemacht werden können. Gerade die Innovationsboards der Länder führten nämlich unter Anderem dazu, dass verschiedene Patient:innen in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich guten Zugang zu derartigen Medikamenten hatten (2). Damit diese Unterschiede ausgeräumt werden können, wurde ein gemeinsames Pilotprojekt "Bewertungsboard für Medikamente in Krankenanstalten" gestartet, welches auch wissenschaftlich begleitet wurde (3). Teilweise unklar an solchen Pilotprojekten ist, ob alle Berichte darüber das gleiche Pilotprojekt meinen. So war beispielsweise auch im Budget 2022 von einer pilotierten Spitals-Heilmittelevaluierungskommission die Rede (4) und schon 2021 hatte der damalige Gesundheitsminister Mückstein angekündigt, dass das Pilotprojekt Bewertungsboard zu einer dauerhaften Einrichtung werden solle (5).

Grundsätzlich schien es sich also um ein Vorhaben zu handeln, das in Bund und Ländern mit einigen Jahren Vorlaufzeit geplant war, Pilotprojekte und Positionen des Rechnungshofes waren klar und dementsprechend hätte dieses Projekt - sofern ordentlich umgesetzt - mit wenig politischem Widerstand durchgeführt werden können. Nunmehr scheinen allerdings Pläne für ein Bewertungsboard bekannt geworden zu sein, die weitaus mehr Fragen nach der Funktionsweise, Besetzung und auch Zweckmäßigkeit eines solchen Boards aufwerfen. Die Krebshilfe sieht eine drohende Einschränkung bei Therapieangeboten (6), auch die wissenschaftliche Kompetenz des kolportierten Boards wird in Frage gestellt (7). Teilweise gibt es zwar Versuche, anhand des (dem Parlament nicht vorliegenden) Gesetzesentwurfes zum Finanzausgleich dieses Board einzuschätzen (8), doch selbst für eine fachlich-neutrale Einschätzung fehlen noch zu viele Informationen.

Entscheidend ist auch, dass solche Projekte nicht nur einseitig die Sparziele des öffentlichen Gesundheitswesens abbilden, sondern sowohl medizinische Expertise als auch die Interessen der Patientinnen und Patienten mit angemessenem Gewicht berücksichtigen.

  1. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/10654
  2. https://steiermark.orf.at/v2/news/stories/2892085/
  3. https://aihta.at/page/arzneimittelerstattung-im-stationaeren-sektor-in-oesterreich/de
  4. https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/BNR/387/imfname_1012992.pdf
  5. https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2021/pk1027
  6. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231113_OTS0127/krebshilfe-uebt-scharfe-kritik-an-dem-geplanten-bewertungsboard-fuer-krebstherapien
  7. https://www.derstandard.at/story/3000000195020/anwendung-teurer-medikamente-soll-einheitlich-entschieden-werden
  8. https://www.sn.at/politik/innenpolitik/teure-medikamente-gemueter-148557073

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie viele Personen sind zur Besetzung eines Bewertungsboards vorgesehen?
  2. Welche Institutionen/Instanzen sollen Mitglieder des Bewertungsboard entsenden können?
  3. Sind Mitglieder des Boards vorgesehen, die nicht entsendet sind?
    1. Falls ja: Wie werden diese ausgewählt?
    2. Falls nein: Wir wird sichergegangen, dass Entscheidungen durch dieses Board auf einer ausreichend medizinisch-wissenschaftlichen Basis und nicht auf einer ökonomischen getroffen werden?
  1. Wie wird sichergestellt, dass die Einführung eines derartigen Boards nicht zu einer Hinauszögerung von innovativen Therapien führt?
  2. Wie stellen Sie sicher, dass ein solches Bewertungsboard die Interessen der Patientinnen und Patienten angemessen berücksichtigt?
  3. Wie wird sichergestellt, dass alle Patientinnen und Patienten unabhängig von potenziellen Entscheidungen des Bewertungsboards die bestmögliche Therapie unabhängig von deren Kosten erhalten können?
  4. Ist vorgesehen, dass das Bewertungsboard Entscheidungen trifft, die die Medikamentenbeschaffung durch die Bundesgesundheitsagentur beeinflusst?
    1. Falls ja: Inwiefern?
    2. Falls nein: Welche Maßnahmen sollen verhindern, dass negative Entscheidungen des Bewertungsboards dazu führen, dass hochpreisige Medikamente nicht verfügbar sind und über die Bundesgesundheitsagentur beschafft werden müssen?
  1. Ist vorgesehen, dass die Genehmigung des Bewertungsboards für ein Medikament verpflichtend ist, damit ein Krankenhaus ein bestimmtes Medikament kaufen kann?
  2. Ist vorgesehen, dass dieses Bewertungsboard sich mit Einzelfällen bzw. bestimmten Patient:innen beschäftigt, bevor der Einkauf eines bestimmten Medikamentes genehmigt wird?
  3. Ist vorgesehen, dass in Einzelfällen für bestimmte Patient:innen aus medizinischen Gründen durch ein Krankenhaus trotz einer fehlenden Genehmigung des Bewertungsboards bestimmte Medikamente eingekauft werden können?
  4. Ist für den Einkauf von Medikamenten, die von diesem Bewertungsboard freigegeben werden, eine Finanzierung durch das jeweilige Krankenhaus, in dem dieses genutzt wird, vorgesehen?
    1. Falls ja: Auf welcher Basis?
    2. Falls nein: Welche Finanzierung ist für Medikamente vorgesehen, deren Anwendung von besagtem Bewertungsboard genehmigt wird?

                                          i.    Ist dafür ein österreichweiter Mittelausgleich zwischen verschiedenen Krankenhäusern vorgesehen, damit Bundesländerunterschiede im Zugang zu hochpreisigen Medikamenten wegfallen?

  1. Ist vorgesehen, dass die Bewertung besagten Boards auch Auswirkungen auf die Anwendung von Medikamenten im niedergelassenen Bereich hat?
    1. Falls ja: Wie wird dies sichergestellt?
    2. Falls nein: Wie soll sichergegangen werden, dass es für bestimmte Therapien dadurch keine Verlagerung vom niedergelassenen in den stationären Bereich gibt?
  1. Österreich ist ohnehin als Niedrigpreisland für Medikamente bekannt und daher gerade bei innovativen Therapien als Markt oftmals unattraktiv. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, damit diese Tatsache durch ein derartiges Bewertungsboard nicht verschärft werden?