16995/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.11.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Stillstand in der Elementarpädagogik

 

Die Elementarpädagogik ist gleichzeitig Bildung und Betreuung und damit für unsere Gesellschaft in doppelter Hinsicht von größter Bedeutung: Als elementare Bildung schafft sie für alle Kinder - insbesondere auch für jene, die zuhause weniger förderliche Bedingungen vorfinden - die Basis für eine gelingende Bildungslaufbahn. Und als Kinderbetreuung ermöglicht sie es den Eltern der Kinder, ihrem Beruf nachzugehen.

Im internationalen Vergleich ist hat Österreich in der Elementarpädagogik großen Nachholbedarf, und zwar sowohl in bildungsbezogener, qualitativer Hinsicht (etwa beim Fachkraft-Kind-Schlüssel) als auch in betreuungsbezogener, quantitativer Hinsicht (etwa bei der Betreuungsquote der Unter-3-jährigen). 

Die föderale Zersplitterung der Kompetenzen erschwert den notwendigen Aufholprozess: Für die Gesetzgebung im Bereich der Kinderbildung und -betreuung sind die Länder zuständig, Träger der Einrichtungen sind (mit Ausnahme Niederösterreichs) überwiegend die Gemeinden und für die Ausbildung der Pädagog:innen zuständig ist der Bund. Weiters steuert der Bund mittels "Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik" Zweckzuschüsse u.a. für sprachliche Förderung bei. Für mehr Fortschritt und bessere Abstimmung zwischen den Akteur:innen sollte zunächst der "Elementarpädagogik-Beirat" sorgen, der bisher aber keine nennenswerten Erfolge vorzuweisen hat. Unter mithilfe der EU und der UNESCO läuft mittlerweile ein so genanntes "TSI-Projekt" das sich ebenfalls der Aufgabe widmet, gemeinsame Ziele und Qualitätsstandards für ganz Österreich zu entwickeln.

Von September 2018 bis August 2022 stellte die "Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22" (in der Folge kurz: "15a-Vereinbarung") ein wesentliches Element der Zusammenarbeit dar. Da diese 15a-Vereinbarung laut damaliger Auskunft des Bildungsministers erst nach ihrem Ablauf evaluiert werden sollte, mussten die Verhandlungen über die anschließende, seit September 2022 gültige 15a-Vereinbarung abgeschlossen werden, ohne allfällige Erkenntnisse aus einer Evaluierung zu berücksichtigen. 

Ebenfalls seit 2022 läuft ein zweijähriges Projekt (2022-2024), das von der Europäischen Union durch das Instrument für technische Unterstützung (Technical Support Instrument/TSI) finanziert wird: https://www.bmbwf.gv.at/Ministerium/Presse/20221201a.html. Diese "Technische Unterstützung" wird von der Abteilung Frühkindliche Entwicklung des UNICEF-Regionalbüros Europa und Zentralasien in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Unterstützung von Strukturreformen (GD REFORM) der Europäischen Kommission geleistet. Mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für das Personal in der frühkindlichen Bildung und Betreuung (0-6 Jahre) zu verbessern und damit das Personalangebot und die Qualität im Sektor zu erhöhen, soll das TSI-Projekt indirekt zum Erfolg des angestrebten quantitativen Ausbaus der elementaren Bildungsangebote in Österreich im Rahmen des nationalen Aufbau- und Resilienzplans beitragen.

Eine Evaluierung der 15a-Vereinbarung 2018-22 sollte mittlerweile, gut ein Jahr nach Ablauf der Laufzeit der Vereinbarung, jedenfalls vorliegen. Und auch aus dem TSI-Projekt sind zur Mitte der Laufzeit erste Ergebnisse zu erwarten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

15a-Vereinbarung

  1. Wurde die 15a-Vereinbarung zur Elementarpädagogik 2018-2022 evaluiert?
    1. Wenn ja, durch wen? Wurden die Ergebnisse veröffentlicht?
    2. Wenn nein, warum nicht?

2.    Zur Erreichung der allgemeinen Ziele: In der 15a-Vereinbarung 2018-2022 wurden die unten genannten Zielsetzungen festgelegt.  

    1. In welchem Ausmaß wurden diese erreicht? 
    2. Welche davon können als erledigt/erreicht betrachtet werden?
    3. Welche werden in der neuen 15a-Vereinbarung 2022-2026 weiter verfolgt?
    4. Welche werden ggf. nicht weiter verfolgt? 

                                          i.    Stärkung der Rolle der Einrichtungen als erste Bildungsinstitution

                                        ii.    Ganzheitliche Förderung nach einem länderübergreifenden Bildungsrahmenplan

                                       iii.    Verbesserung des Übergangsmanagements zur Volksschule

                                       iv.    Bildung und Erziehung der Kinder nach bundesweit abgestimmten, empirisch belegten pädagogischen Konzepten

                                        v.    Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf

                                       vi.    Vermittlung der grundlegenden Werte der österreichischen Gesellschaft

  1. Zur Höhe und Ausschöpfung des Zweckzuschusses des Bundes:
    1. Welches Budget war 2018-2022 für den Zweckzuschuss vonseiten des Bundes in Summe vorgesehen vorgesehen und wie war dieses auf die neun Bundesländer verteilt?
    2. Für in einem Jahr nicht abgerufene Mittel war vorgesehen, dass sie vom jeweiligen Bundesland ins nächste Jahr mitgenommen werden können, bis maximal zum Ende der Laufzeit der Vereinbarung. In welchem Ausmaß (absolut und prozentuell) wurde das Budget schlussendlich von den einzelnen Ländern jeweils abgerufen?
    3. Sofern es nicht zur Gänze abgerufen wurde: Welche Gründe dafür konnte das BMBWF in Erfahrung bringen und welche Schlüsse ergeben sich daraus für zukünftige 15a-Vereinbarungen zur Elementarpädagogik?
    4. Gemäß Artikel 14 war vorgesehen, das der Bundeszuschuss zu mindestens 65 Prozent für den Ausbau des Bildungs- und Betreuungsangebots und zu mindestens 25 Prozent für die frühe sprachliche Förderung verwendet wird. Wurde dies eingehalten? Welche Abweichungen gab es ggf.?
    5. In Artikel 14 wurde weiters vereinbart, dass die Länder je Kindergartenjahr Finanzmittel in der Höhe von 52,5% des Zweckzuschusses des Bundes zur Verfügung stellen, mit Ausnahme der Mittel für die Besuchspflicht gemäß Art. 5. Bitte um Auflistung der geleisteten Kofinazierungsbeiträge nach Bundesländern und Jahren.
  1. Zur frühen sprachlichen Förderung: In Artikel 4, Punkt 1. der Vereinbarung war vorgesehen, dass frühe sprachliche Förderung in den letzten beiden Jahren vor Schuleintritt systematisch durchgeführt und besser mit der Schnittstelle zur Schule abgestimmt wird.
    1. Wurde der unter Artikel 15 (2) 2. genannte Zielzustand erreicht, dass sich die Anzahl der außerordentlichen Schülerinnen und Schüler in der ersten Schulstufe pro Bundesland um mindestens 20 Prozent reduziert? Bitte um Auflistung der erreichten prozentuellen Reduktion für die einzelnen Bundesländer.  
    2. Sofern der Zielzustand nicht erreicht wurde: Aus welchen Gründen wurde er aus Sicht des BMBWF nicht erreicht und was ist zu tun, um ihn zukünftig zu erreichen?
    3. Wurde im Sinne einer Best Practice Erhebung evaluiert, welches der unterschiedlichen Sprachfördermodelle der Bundesländer (interne Sprachförderkräfte, externe Sprachförderkräfte, Mischformen, etc.) die beste Wirkung entfaltet?

                                          i.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis? 

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Wurde die Schnittstelle zur Schule in Sachen Sprachförderung tatsächlich verbessert? Wenn ja, inwiefern? 

                                          i.    Wurden die Anforderungen und Erhebungsmethoden von BESK (Kindergarten) und MIKA-D (Schule) aufeinander abgestimmt? Wenn nein, ist dies zukünftig geplant?

                                        ii.    Wurden Kindergartenpädagog:innen und Volksschullehrer:innen hinsichtlich der Anforderungen und Erhebungsmethoden der jeweils anderen Sprachstandserhebung geschult, um das gegenseitige Verständnis zu verbessern und Fördermaßnahmen auf einander abzustimmen? Wenn nein, ist dies zukünftig geplant?

  1. Zum Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote: In Artikel 15 (1) waren Zielzustände genannt. 
    1. Wurde die Betreuungsquote für unter Dreijährige pro Bundesland und Jahr um 1 Prozentpunkt angehoben?

                                          i.    Welche Bundesländer haben dieses Ziel erreicht, welche nicht?

    1. Wurde der Anteil der drei- bis sechsjährigen Kinder, die elementare Bildungseinrichtungen besuchen, die den VIF-Kriterien entsprechen, bis zum Kindergartenjahr 2021/22 um 6 Prozentpunkte erhöht?
  1. Zur widmungsgemäßen Verwendung des Zweckzuschusses:
    1. Anlässlich des Rechnungshofberichts „Frühe sprachliche Förderung in Kindergärten“ vom 28. Mai 2021 wurde in einer Aussendung festgehalten: "Der Rechnungshof weist weiters darauf hin, dass das Land Niederösterreich die Zweckzuschüsse für bereits bestehende Maßnahmen verwendete. Somit finanzierte Niederösterreich schon bestehende Ausgaben zum Teil mit Bundesmitteln."

                                          i.    Wurden seitens des BMBWF diese "fehlgeleiteten" Zweckzuschüsse zurückgefordert?

    1. Der Rechnungshof hielt weiters fest: "Nach Ansicht der Prüferinnen und Prüfer sollten die Zweckzuschüsse des Bundes jedenfalls den Effekt von messbaren Qualitätssteigerungen haben und nicht bestehende Finanzierungsverpflichtungen ersetzen. Der Rechnungshof empfiehlt daher dem Bildungsministerium, zukünftige Zweckzuschüsse für die frühe sprachliche Förderung an die Bedingung einer messbaren Qualitätssteigerung zu knüpfen."

                                          i.    Wurde dieser Empfehlung des Rechnungshof bei der Neuverhandlung der 15a-Vereinbarung Folge geleistet?

                                        ii.    Wie wird zukünftig verhindert, dass Zweckzuschüsse des Bundes für bereits bestehende Maßnahme verwendet werden und somit kein zusätzlicher Effekt erzielt wird?

TSI-Projekt

  1. Wer ist vonseiten des BMBWF in das Projekt eingebunden und mit welchem Auftrag sind die betreffenden Personen in das Projekt entsendet worden?
  2. Bitte erläutern Sie die bisherigen und noch geplanten Arbeitsschritte des Projekts.
  3. In der Beschreibung des TSI-Projekts wird dargelegt, das die Zielsetzung des Projekts folgende Ergebnisse umfasst:
    1. Ergebnis 1: Die österreichischen Behörden haben sich umfassende Kenntnisse über den aktuellen Stand sowie die Rahmenbedingungen in der Elementarpädagogik und deren Auswirkungen auf die Personalsituation angeeignet.

                                          i.    Welche Schritte wurden bisher gesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen?

                                        ii.    Bis wann soll dieses Ergebnis erreicht werden?

    1. Ergebnis 2: Die österreichischen Behörden auf Bundes- und Landesebene haben gemeinsam einen Modellrahmen für die Qualität und die Bedingungen der Personalausstattung entwickelt, der als Vorlage für die Anpassung und Annahme auf Landesebene dienen soll, sowie einen Monitoring- und Evaluierungsrahmen für Qualitätskontrolle und Koordination der Elementarpädagogik.

                                          i.    Welche Schritte wurden bisher gesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen?

                                        ii.    Bis wann soll dieses Ergebnis erreicht werden?

    1. Ergebnis 3: Die österreichischen Behörden (Bundes- und Landesebene) einigen sich auf eine detaillierte Umsetzungsstrategie zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Rekrutierung in der Elementarpädagogik, einschließlich eines nationalen Aktionsplans und einer Roadmap für die Umsetzung.

                                          i.    Welche Schritte wurden bisher gesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen?

                                        ii.    Bis wann soll dieses Ergebnis erreicht werden?

    1. Ergebnis 4: Basierend auf den im Projekt entwickelten Konzepten und Empfehlungen führen die österreichischen Behörden (Bundes- und Landesebene) eine nationale Informations- und Imagekampagne durch, die darauf abzielt, die Wertschätzung und das Interesse für die Elementarpädagogik als Berufsfeld zu erhöhen.

                                          i.    Welche Schritte wurden bisher gesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen?

                                        ii.    Bis wann soll dieses Ergebnis erreicht werden?

  1. Zum Thema Qualitätssteigerung und Verbesserung der Rahmenbedingungen: Neben dem quantitativen Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote ist vor allem deren qualitative Verbesserung die zentrale Herausforderung im Bereich der Elementarpädagogik in Österreich. Gibt es Vorschläge des BMBWF, wie die kindbezogene Qualität der elementaren Bildung und die Arbeitsbedingungen der Pädagog:innen zukünftig verbessert werden sollen, etwa in Form
    1. bundesweiter Qualitätskriterien und Qualitätsziele,
    2. eines Stufenplans für mehr Fachpersonal pro Gruppe oder
    3. eines Stufenplans für weniger Kinder pro Gruppe,
    4. eines Mindestausmaßes des Arbeitszeitanteils der Pädagog:innen für mittelbare pädagogische Arbeit (Vorbereitungszeit, Elterngespräche, Teambesprechungen usw.),
    5. einer bundesweiten Vereinheitlichung und schrittweise Verbesserung der Ausbildung der Assistenzkräfte,
    6. der forcierten tertiären Ausbildung der Pädagog:innen, im ersten Schritt v.a. der Kindergarten-Leiter:innen,
    7. dem Einsatz multiprofessioneller Teams zur Unterstützung der Pädagog:innen?
      Bitte um Darstellung oder Verlinkung entsprechender Vorschläge oder Konzepte des BMBWF, sofern vorhanden.