Eingelangt am 22.11.2023
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Anfrage
der
Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen
an den
Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend
Stillstand in der Elementarpädagogik
Die Elementarpädagogik ist gleichzeitig
Bildung und Betreuung und damit für unsere Gesellschaft in doppelter
Hinsicht von größter Bedeutung: Als elementare Bildung schafft sie
für alle Kinder - insbesondere auch für jene, die zuhause weniger
förderliche Bedingungen vorfinden - die Basis für eine gelingende
Bildungslaufbahn. Und als Kinderbetreuung ermöglicht sie es den Eltern der
Kinder, ihrem Beruf nachzugehen.
Im internationalen Vergleich ist hat
Österreich in der Elementarpädagogik großen Nachholbedarf, und
zwar sowohl in bildungsbezogener, qualitativer Hinsicht (etwa beim
Fachkraft-Kind-Schlüssel) als auch in betreuungsbezogener, quantitativer
Hinsicht (etwa bei der Betreuungsquote der Unter-3-jährigen).
Die föderale Zersplitterung der
Kompetenzen erschwert den notwendigen Aufholprozess: Für die Gesetzgebung
im Bereich der Kinderbildung und -betreuung sind die Länder zuständig,
Träger der Einrichtungen sind (mit Ausnahme Niederösterreichs)
überwiegend die Gemeinden und für die Ausbildung der
Pädagog:innen zuständig ist der Bund. Weiters steuert der Bund
mittels "Vereinbarung gemäß Art.
15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die
Elementarpädagogik" Zweckzuschüsse u.a. für
sprachliche Förderung bei. Für mehr Fortschritt und bessere
Abstimmung zwischen den Akteur:innen sollte zunächst der
"Elementarpädagogik-Beirat" sorgen, der bisher aber keine
nennenswerten Erfolge vorzuweisen hat. Unter mithilfe der EU und der UNESCO
läuft mittlerweile ein so genanntes "TSI-Projekt" das sich
ebenfalls der Aufgabe widmet, gemeinsame Ziele und Qualitätsstandards
für ganz Österreich zu entwickeln.
Von September 2018 bis August 2022 stellte die
"Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die
Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis
2021/22" (in der Folge kurz:
"15a-Vereinbarung") ein
wesentliches Element der Zusammenarbeit dar. Da diese 15a-Vereinbarung laut
damaliger Auskunft des Bildungsministers erst nach ihrem Ablauf evaluiert
werden sollte, mussten die Verhandlungen über die anschließende,
seit September 2022 gültige 15a-Vereinbarung abgeschlossen werden, ohne
allfällige Erkenntnisse aus einer Evaluierung zu
berücksichtigen.
Ebenfalls seit 2022 läuft ein
zweijähriges Projekt (2022-2024), das von der Europäischen Union
durch das Instrument für technische Unterstützung (Technical
Support Instrument/TSI) finanziert wird: https://www.bmbwf.gv.at/Ministerium/Presse/20221201a.html.
Diese "Technische Unterstützung" wird von der Abteilung
Frühkindliche Entwicklung des UNICEF-Regionalbüros Europa und
Zentralasien in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion Unterstützung von
Strukturreformen (GD REFORM) der Europäischen Kommission geleistet. Mit
dem Ziel, die Rahmenbedingungen für das Personal in der
frühkindlichen Bildung und Betreuung (0-6 Jahre) zu verbessern und damit
das Personalangebot und die Qualität im Sektor zu erhöhen, soll das
TSI-Projekt indirekt zum Erfolg des angestrebten quantitativen Ausbaus der
elementaren Bildungsangebote in Österreich im Rahmen des nationalen
Aufbau- und Resilienzplans beitragen.
Eine Evaluierung der 15a-Vereinbarung 2018-22
sollte mittlerweile, gut ein Jahr nach Ablauf der Laufzeit der Vereinbarung,
jedenfalls vorliegen. Und auch aus dem TSI-Projekt sind zur Mitte der Laufzeit
erste Ergebnisse zu erwarten.
Die
unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
15a-Vereinbarung
- Wurde die 15a-Vereinbarung zur
Elementarpädagogik 2018-2022 evaluiert?
- Wenn ja, durch wen? Wurden die Ergebnisse
veröffentlicht?
- Wenn nein, warum nicht?
2.
Zur Erreichung der allgemeinen Ziele: In der
15a-Vereinbarung 2018-2022 wurden die unten genannten Zielsetzungen festgelegt.
- In welchem Ausmaß wurden diese
erreicht?
- Welche davon können als
erledigt/erreicht betrachtet werden?
- Welche werden in der neuen 15a-Vereinbarung
2022-2026 weiter verfolgt?
- Welche werden ggf. nicht weiter
verfolgt?
i. Stärkung der Rolle der Einrichtungen als erste Bildungsinstitution
ii. Ganzheitliche Förderung nach einem länderübergreifenden
Bildungsrahmenplan
iii. Verbesserung des Übergangsmanagements zur Volksschule
iv. Bildung und Erziehung der Kinder nach bundesweit abgestimmten,
empirisch belegten pädagogischen Konzepten
v. Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
vi. Vermittlung der grundlegenden Werte der österreichischen
Gesellschaft
- Zur Höhe und Ausschöpfung des
Zweckzuschusses des Bundes:
- Welches Budget war 2018-2022 für den
Zweckzuschuss vonseiten des Bundes in Summe vorgesehen vorgesehen und wie
war dieses auf die neun Bundesländer verteilt?
- Für in einem Jahr nicht abgerufene
Mittel war vorgesehen, dass sie vom jeweiligen Bundesland ins
nächste Jahr mitgenommen werden können, bis maximal zum Ende
der Laufzeit der Vereinbarung. In welchem Ausmaß (absolut und
prozentuell) wurde das Budget schlussendlich von den einzelnen
Ländern jeweils abgerufen?
- Sofern es nicht zur Gänze abgerufen
wurde: Welche Gründe dafür konnte das BMBWF in Erfahrung
bringen und welche Schlüsse ergeben sich daraus für
zukünftige 15a-Vereinbarungen zur Elementarpädagogik?
- Gemäß Artikel 14 war vorgesehen,
das der Bundeszuschuss zu mindestens 65 Prozent für den Ausbau des
Bildungs- und Betreuungsangebots und zu mindestens 25 Prozent für
die frühe sprachliche Förderung verwendet wird. Wurde dies
eingehalten? Welche Abweichungen gab es ggf.?
- In Artikel 14 wurde weiters vereinbart,
dass die Länder je Kindergartenjahr Finanzmittel in der Höhe
von 52,5% des Zweckzuschusses des Bundes zur Verfügung stellen, mit
Ausnahme der Mittel für die Besuchspflicht gemäß Art. 5.
Bitte um Auflistung der geleisteten Kofinazierungsbeiträge nach
Bundesländern und Jahren.
- Zur frühen sprachlichen
Förderung: In Artikel 4, Punkt 1. der Vereinbarung war
vorgesehen, dass frühe sprachliche Förderung in den
letzten beiden Jahren vor Schuleintritt systematisch durchgeführt und
besser mit der Schnittstelle zur Schule abgestimmt wird.
- Wurde der unter Artikel 15 (2) 2. genannte
Zielzustand erreicht, dass sich die Anzahl der
außerordentlichen Schülerinnen und Schüler in der ersten
Schulstufe pro Bundesland um mindestens 20 Prozent reduziert? Bitte um
Auflistung der erreichten prozentuellen Reduktion für die
einzelnen Bundesländer.
- Sofern der Zielzustand nicht erreicht
wurde: Aus welchen Gründen wurde er aus Sicht des BMBWF nicht
erreicht und was ist zu tun, um ihn zukünftig zu erreichen?
- Wurde im Sinne einer Best Practice Erhebung
evaluiert, welches der unterschiedlichen Sprachfördermodelle der
Bundesländer (interne Sprachförderkräfte, externe
Sprachförderkräfte, Mischformen, etc.) die beste Wirkung
entfaltet?
i. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
ii. Wenn nein, warum nicht?
- Wurde die Schnittstelle zur Schule in
Sachen Sprachförderung tatsächlich verbessert? Wenn ja,
inwiefern?
i. Wurden die Anforderungen und Erhebungsmethoden von BESK (Kindergarten)
und MIKA-D (Schule) aufeinander abgestimmt? Wenn nein, ist
dies zukünftig geplant?
ii. Wurden Kindergartenpädagog:innen und Volksschullehrer:innen
hinsichtlich der Anforderungen und Erhebungsmethoden der jeweils anderen
Sprachstandserhebung geschult, um das gegenseitige Verständnis zu
verbessern und Fördermaßnahmen auf einander abzustimmen? Wenn nein,
ist dies zukünftig geplant?
- Zum Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote:
In Artikel 15 (1) waren Zielzustände genannt.
- Wurde die Betreuungsquote für unter
Dreijährige pro Bundesland und Jahr um 1 Prozentpunkt angehoben?
i. Welche Bundesländer haben dieses Ziel erreicht, welche nicht?
- Wurde der Anteil der drei- bis sechsjährigen
Kinder, die elementare Bildungseinrichtungen besuchen, die den
VIF-Kriterien entsprechen, bis zum Kindergartenjahr 2021/22 um 6
Prozentpunkte erhöht?
- Zur widmungsgemäßen Verwendung
des Zweckzuschusses:
- Anlässlich des Rechnungshofberichts „Frühe sprachliche Förderung in
Kindergärten“ vom 28. Mai 2021 wurde in einer Aussendung
festgehalten: "Der Rechnungshof weist weiters darauf hin,
dass das Land Niederösterreich die Zweckzuschüsse für
bereits bestehende Maßnahmen verwendete. Somit finanzierte Niederösterreich
schon bestehende Ausgaben zum Teil mit Bundesmitteln."
i. Wurden seitens des BMBWF diese "fehlgeleiteten"
Zweckzuschüsse zurückgefordert?
- Der Rechnungshof hielt weiters fest:
"Nach Ansicht der Prüferinnen und Prüfer sollten die
Zweckzuschüsse des Bundes jedenfalls den Effekt von messbaren
Qualitätssteigerungen haben und nicht bestehende
Finanzierungsverpflichtungen ersetzen. Der Rechnungshof empfiehlt daher
dem Bildungsministerium, zukünftige Zweckzuschüsse für die
frühe sprachliche Förderung an die Bedingung einer messbaren
Qualitätssteigerung zu knüpfen."
i. Wurde dieser Empfehlung des Rechnungshof bei der Neuverhandlung der
15a-Vereinbarung Folge geleistet?
ii. Wie wird zukünftig verhindert, dass Zweckzuschüsse des Bundes
für bereits bestehende Maßnahme verwendet werden und somit kein
zusätzlicher Effekt erzielt wird?
TSI-Projekt
- Wer ist vonseiten des BMBWF in das Projekt
eingebunden und mit welchem Auftrag sind die betreffenden Personen in das
Projekt entsendet worden?
- Bitte erläutern Sie die bisherigen und
noch geplanten Arbeitsschritte des Projekts.
- In der Beschreibung des TSI-Projekts wird
dargelegt, das die Zielsetzung des Projekts folgende Ergebnisse
umfasst:
- Ergebnis 1: Die österreichischen
Behörden haben sich umfassende Kenntnisse über den aktuellen
Stand sowie die Rahmenbedingungen in der Elementarpädagogik und
deren Auswirkungen auf die Personalsituation angeeignet.
i. Welche Schritte wurden bisher gesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen?
ii. Bis wann soll dieses Ergebnis erreicht werden?
- Ergebnis 2: Die österreichischen
Behörden auf Bundes- und Landesebene haben gemeinsam einen
Modellrahmen für die Qualität und die Bedingungen der
Personalausstattung entwickelt, der als Vorlage für die Anpassung
und Annahme auf Landesebene dienen soll, sowie einen Monitoring- und
Evaluierungsrahmen für Qualitätskontrolle und Koordination der
Elementarpädagogik.
i. Welche Schritte wurden bisher gesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen?
ii. Bis wann soll dieses Ergebnis erreicht werden?
- Ergebnis 3: Die österreichischen
Behörden (Bundes- und Landesebene) einigen sich auf eine
detaillierte Umsetzungsstrategie zur Verbesserung der Rahmenbedingungen
und der Rekrutierung in der Elementarpädagogik, einschließlich
eines nationalen Aktionsplans und einer Roadmap für die Umsetzung.
i. Welche Schritte wurden bisher gesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen?
ii. Bis wann soll dieses Ergebnis erreicht werden?
- Ergebnis 4: Basierend auf den im Projekt
entwickelten Konzepten und Empfehlungen führen die
österreichischen Behörden (Bundes- und Landesebene) eine
nationale Informations- und Imagekampagne durch, die darauf abzielt, die
Wertschätzung und das Interesse für die Elementarpädagogik
als Berufsfeld zu erhöhen.
i. Welche Schritte wurden bisher gesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen?
ii. Bis wann soll dieses Ergebnis erreicht werden?
- Zum Thema Qualitätssteigerung und
Verbesserung der Rahmenbedingungen: Neben dem quantitativen Ausbau der
Bildungs- und Betreuungsangebote ist vor allem deren qualitative
Verbesserung die zentrale Herausforderung im Bereich der
Elementarpädagogik in Österreich. Gibt es Vorschläge des
BMBWF, wie die kindbezogene Qualität der elementaren Bildung und die
Arbeitsbedingungen der Pädagog:innen zukünftig verbessert werden
sollen, etwa in Form
- bundesweiter Qualitätskriterien und
Qualitätsziele,
- eines Stufenplans für mehr
Fachpersonal pro Gruppe oder
- eines Stufenplans für weniger Kinder
pro Gruppe,
- eines Mindestausmaßes des
Arbeitszeitanteils der Pädagog:innen für mittelbare
pädagogische Arbeit (Vorbereitungszeit, Elterngespräche,
Teambesprechungen usw.),
- einer bundesweiten Vereinheitlichung und
schrittweise Verbesserung der Ausbildung der Assistenzkräfte,
- der forcierten tertiären Ausbildung
der Pädagog:innen, im ersten Schritt v.a. der
Kindergarten-Leiter:innen,
- dem Einsatz multiprofessioneller Teams zur
Unterstützung der Pädagog:innen?
Bitte um Darstellung oder Verlinkung entsprechender Vorschläge oder
Konzepte des BMBWF, sofern vorhanden.