17030/J XXVII. GP

Eingelangt am 29.11.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Misshandlungsfälle in ehemaligen Bundeseinrichtungen für gehörlose Kinder

 

Im Jahr 1779 gründete Kaiser Joseph II das „Taubstummeninstitut“ im Bürgerspital im ersten Wiener Bezirk. Nach zwischenzeitlichen Übersiedlungen stand es im vierten Bezirk an der Taubstummengasse (1808-1912), im 13. Bezirk an der Speisinger Straße noch als „K.k. Taubstummeninstitut“ und dann als „Bundes-Taubstummeninstitut“ (1912-1979) und ab 1980 bis dato als „Bundesinstitut für Gehörlosenbildung“ an der Maygasse. 

Das „Bundes-Taubstummeninstitut“ erhielt 1938 das Ferienheim in Kaltenleutgeben, das seit 1942 für gehörlose Kinder Raum und Unterricht bot. 1944/45 zog die Wehrmacht ein. Nach dem Krieg wurde das Gebäude wieder vom Institut in Betrieb genommen und bis 1981 verwendet. 

Dem Gehörlosenbund sind Berichte über Misshandlungen an untergebrachten gehörlosen Kindern und Jugendlichen in beiden Einrichtungen von 1945 bis 1999 bekannt. Die meisten von ihnen wurden laut deren Schilderungen dazu angehalten, die Österreichische Gebärdensprache im Heim- und Unterrichtsbetrieb nicht zu verwenden. Erst der damalige Unterrichtsminister Dr. Helmut Zilk (1983-1984) hat das Gebärdensprachverbot in den Schulen aufgehoben. 

Im Zuge der Aufarbeitung der Übergriffe in Heimen und staatlichen Einrichtungen an untergebrachten Kindern und Jugendlichen haben alle Bundesländer bereits staatliche Opferschutzstellen zur Aufarbeitung und Entschädigung der Betroffenen eingesetzt. Das „Bundes-Taubstummeninstitut“ bzw. „Bundesinstitut für Gehörlosenbildung“ in Wien-Speising und das ehemalige Heim in Kaltenleutgeben sind als eine der wenigen Bundeseinrichtungen im Kinder- und Jugendbereich davon aber nicht erfasst. 

Am 14. Juni 2023 hat Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz beim jährlichen Tätigkeitsbericht vor dem Nationalrat über den Anstieg an Anträgen auf Heimopferrente berichtet und führt dies auf den neu gewonnenen Zugang zur Gehörlosengemeinschaft zurück. In diesem Zusammenhang betonte Achitz, dass die Entschädigungszahlungen des Bundes wieder aufgenommen werden sollten (1).

 

  1. https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/NRSITZ/219/A_-_20_13_01_00299267.pdf

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Ist es richtig, dass das „Bundes-Taubstummeninstitut“ bzw. „Bundesinstitut für Gehörlosenbildung“ und Kaltenleutgeben in den Jahren ab 1945 Einrichtungen des Bundes waren, die dem Verantwortungsbereich des damaligen Bundesministeriums für Unterricht unterstanden sind?
  2. Welche Schritte zur Aufarbeitung von gewalttätigen Übergriffen während der Jahre ab 1945 an untergebrachten gehörlosen Kindern und Jugendlichen in den beiden Einrichtungen haben Sie aktuell gesetzt?
  3. An welche Stelle können sich gehörlose Betroffene von gewalttätigen Übergriffen in den Bundeseinrichtungen Wien-Speising und Kaltenleutgeben zwecks Hilfestellung und Entschädigung richten?
  4. Sollte es noch keine Schritte zur Aufarbeitung geben: Wurden Vorkehrungen getroffen, um eine Aufarbeitung in die Wege zu leiten und Betroffenen eine Ansprechstelle für Entschädigung und Beratung zu geben?
    1. Falls ja: Welche?
    2. Falls nein: Warum nicht?

                                          i.    Warum sehen Sie keine Zuständigkeit für diese Einrichtung in Ihrem Ressort und welche Stelle des Bundes wäre zuständig?