17045/J XXVII. GP

Eingelangt am 30.11.2023
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Dollfuß auf Schulplakaten

Der Stiefel-Lehrmittelverlag hat in seiner Produktpalette Plakate unter der Bezeichnung "Zeitstreifen-Set 'Österreich im 20. Jahrhundert'". Diese kosten 225 Euro und wurden in verschiedenen Schulen angeschafft und aufgehängt - vermutlich im Rahmen der Schulbuchaktion, d.h. approbiert durch die fachlich zuständige Schulbuchkommission des BMBWF. Laut Verlag ist das Produkt "perfekt für den Schulalltag geeignet."¹

Auf diesen Plakaten befinden sich mehrere problematische und verharmlosende Beschreibungen historischer Ereignisse und Persönlichkeiten:

• Engelbert Dollfuß, der im Jahr 1933 in Österreich die Demokratie ausschaltete und eine ständestaatliche, austrofaschistische Diktatur etablierte, wird folgendermaßen beschrieben:

"Engelbert Dolfuß: Bundeskanzler von 1932 bis 1934. Am 12.2.1934 kommt es wegen eines Generalstreiks zu schweren Kämpfen mit vielen Toten. Dollfuß löst daraufhin die Sozialdemokratische Partei auf. Am 25.7.1934 wird er von Nationalsozialisten ermordet."

Seine Rolle als Totengräber der Demokratie wird unter den Tisch gekehrt. Außerdem war nicht der Generalstreik sondern die Reaktion des Regimes die Ursache für den Bürgerkrieg 1934.

In einer früheren, noch im Umlauf befindlichen Version des Plakats heißt es noch lapidarer:

"Engelbert Dollfuß: Bundeskanzler von 1932 bis 1934. Er wurde von Nationalsozialisten ermordet."

• Der Eintrag zum 2. Weltkrieg beschränkt sich auf folgende Aussage, die Österreich einseitig als Opfer darstellt:

"Vom 2. Weltkrieg bleibt auch Österreich nicht verschont." 

Verschwiegen wird die Tatsache, dass zahlreiche Österreicher (und wenige -innen) Mittäter schwerster Verbrechen im Krieg und im Holocaust (der auf dem Plakat mit keinem Wort erwähnt wird) waren.

• Weniger problematisch, aber historisch falsch ist folgende Aussage zum 1. Weltkrieg:

"Österreich-ungarische Monarchie: (...) Zerfall des Riesenstaates führte zum 1. Weltkrieg."

Der Zerfall der Donaumonarchie war Folge und nicht Auslöser des 1. Weltkriegs. Auslöser war die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an den Nachbarstaat Serbien. 

1) https://www.stiefel-lehrmittelverlag.at/zeitstreifen-set-osterreich-im-20-jahrhundert

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1. Ist es zutreffend, dass es sich bei dem Produkt "Zeitstreifen-Set 'Österreich im 20. Jahrhundert'" des Stiefel-Lehrmittelverlags um ein approbiertes Lehrmittel handelt?

1. Wenn ja, bitte um Nennung der zuständigen Kommission, namentliche Auflistung ihrer Mitglieder und des Datums der Approbation. 
2. Wenn nein, ist es dann zutreffend, dass die Leitung der jeweiligen Schule die Verantwortung für die Anschaffung dieser Plakate trägt?

2. Wie bewerten Sie das betreffende Plakat?

1. Entspricht es dem Stand der Geschichtswissenschaften?
2. Ist es im Sinne der Ziele der Politischen Bildung und Demokratiebildung der Schüler:innen?

3. Wie bewerten Sie das System der Schulbuchapprobation in Österreich, das aufwändig und schwerfällig ist (lange Zyklen von der Entstehung bis zum Einsatz von Lehrmitteln) und dennoch offenbar nicht dazu geeignet, inhaltlichen Unfug zu vermeiden?
4. Nach welchen Kriterien werden die Approbationskommissionen besetzt?

1. Sind bei der Besetzung der für diesen Fall zuständigen Kommission aus Ihrer Sicht Fehler passiert?
2. Bis wann wird die betreffende Kommission tätig sein bzw. wann ist eine Neubestellung von Mitgliedern erforderlich?

5. Prüft das BMBWF Alternativen zum derzeitigen System der Qualitätssicherung von Lehrmitteln, das die Approbation von Schulbüchern, die Zertifizierung von Lern-Apps und die freie Wahl sonstiger Lehrmittel vorsieht?

1. Wenn ja, ist folgende Option Teil der Überlegungen: Approbation von Anbietern statt von Einzelprodukten bei gleichzeitiger Einführung eines crowdbasierten Qualitätssicherungssystems mit laufender Peer-Review durch Lehrkräfte und Schüler:innen in einem transparenten, öffentlichen Online-Verfahren?
2. Wenn nein, warum nicht?