17049/J XXVII. GP
Eingelangt am 05.12.2023
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Offene Fragen zum Aufsichtsgebaren der FMA unter anderem im Zusammenhang mit dem Legalitätsprinzip
Die österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) sieht sich seit Jahren berechtigter Kritik hinsichtlich ihrer Aufsichtspraxis ausgesetzt. Zuletzt wurde der FMA im Jahr 2021 im Zusammenhang mit der Causa „Commerzialbank Mattersburg“ von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Bereich der Bankenaufsicht Amtsmissbrauch vorgeworfen, da trotz stichhaltiger Whistleblower-Eingaben und einer im Jahr 2015 laufenden Vor-Ort-Prüfung gemäß § 30 FM-GwG der aufsichtsbehördliche Prüfauftrag nicht ausgeweitet und glaubwürdige Informationen über Missstände bei der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG zurückgehalten worden seien. Ebenso lief mehrere Monate lang ein Ermittlungsverfahren gegen den FMA-Vorstandsdirektor Helmut Ettl wegen des Vorwurfs der falschen Zeugenaussage vor dem Eisenstädter Untersuchungsausschuss zur Causa Commerzialbank Mattersburg, welches letztendlich lediglich mangels Nachweisbarkeit eingestellt werden musste.
Einer der insbesondere von der juristischen Lehre und Literatur erhobenen Kernkritikpunkte gegenüber FMA betrifft die Praxis, unter dem Titel des „Naming and Shaming“ (vorgeblich im Interesse des Anlegerschutzes) verwaltungsrechtliche Sanktionen und Maßnahmen gegenüber Einzelpersonen und Unternehmen ungeschwärzt auf der FMA-Webseite zu veröffentlichen. Durch diese öffentliche Bloßstellung in der digitalen Welt tritt für die Betroffenen regelmäßig ein erheblicher Reputationsschaden ein, der auch deshalb nachhaltig wirkt, da die FMA ihre Veröffentlichungen ungeachtet allfälliger Veränderungen im Geschäftsgebaren der Betroffenen grundsätzlich nicht löscht, daher Veröffentlichungen über mehrere Jahrzehnte abrufbar bleiben und diese aufgrund der Reichweitenstärke der FMA-Webseite bei Suchanfragen zu Unternehmen regelmäßig prominent in den Ergebnissen sämtlicher relevanten Internet-Suchmaschinenbetreiber aufgeführt werden.
Auch hinsichtlich der Veröffentlichungspraxis bei verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen agiert die FMA intransparent und legt im Speziellen nicht offen, unter welchen Umständen Sanktionen veröffentlicht werden und warum diese im Einzelfall unter vollständiger Namensnennung oder anonymisiert erfolgen.
Bei einer Sichtung sämtlicher Veröffentlichungen der FMA im Bereich von Investorenwarnungen und Sanktionen fällt insbesondere auf, dass hinsichtlich der insgesamt 3.800 österreichischen Kreditinstitute (knapp 500 Haupt- und 3.300 Zweiganstalten) sowie der insgesamt 41 österreichischen Versicherungsunternehmen, bei denen traditionell ein enges Naheverhältnis zur ÖVP gegeben ist, eine durch sachliche Erwägungen nicht erklärbare Zurückhaltung in der Veröffentlichungspraxis besteht. Gegenüber österreichischen Unternehmen ohne Verquickung mit dem notorischen Parteiproporz wird demgegenüber seit Jahren kompromisslos durchgegriffen.
In ihrem Vorgehen gegen missliebige Marktteilnehmer setzt sich die FMA regelmäßig über das Legalitätsprinzip hinweg, da zwar die Einrichtung der FMA gemäß § 1 FMABG mittels einer Verfassungsbestimmung normiert wurde, die Unterstellung der Banken-, Versicherungs-, Wertpapier- sowie Pensionskassenaufsicht unter das Regime der FMA jedoch lediglich durch eine einfachgesetzliche Regelung erfolgte. Entgegen dem Legalitätsprinzip nimmt die FMA in ihrer Aufsichtspraxis selbstständig und offensichtlich unbeaufsichtigt eine intrasystematische Fortentwicklung der relevanten Aufsichtsbegrifflichkeiten vor und zieht als beliehene Einrichtung ohne verfassungskonforme Grundlage eigens konzipierte Leitlinien zur Gesetzesauslegung heran. Dies etwa im Rahmen der Einstufung von Mietenpool-Konstruktionen als Alternative Investmentfonds. Ebenso wird seitens der FMA eine gesetzlich nicht gedeckte Eigeninterpretation von Unionsrichtlinien (wie etwa der ESMA-Richtlinien) vorgenommen. So geschehen bei Fragen des anwendbaren Aufsichtsrechts im Zusammenhang mit kollektiver oder individueller Portfolioverwaltung.
Mit ihrem Vorgehen schreckt die FMA innovatives Unternehmertum abseits herkömmlicher Bankenfinanzierung ab und schädigt nachhaltig das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Österreich sowie das österreichische Behördenwesen.
Aus diesem Grund richtet der unterzeichnete Abgeordnete an den Bundesminister für Finanzen folgende
Anfrage
1. Wie viele strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurden seit dem Jahr 2013 gegen Mitarbeiter und Funktionäre der FMA aufgrund von Amtsdelikten geführt?
2. In wie vielen Fällen kam es seit dem Jahr 2013 zu strafrechtlichen Anklagen gegen Mitarbeiter und Funktionäre der FMA aufgrund von Amtsdelikten?
3. In wie vielen Fällen wurden seit dem Jahr 2013 Mitarbeiter und Funktionäre der FMA rechtskräftig aufgrund von Amtsdelikten verurteilt?
4. Welche Maßnahmen wurden von der FMA seit dem Jahr 2013 gegen von Ermittlungsverfahren, strafrechtlichen Anklagen oder rechtskräftigen Verurteilungen aufgrund von Amtsdelikten betroffene Mitarbeiter und Funktionäre der FMA ergriffen?
5. Wie viele Veröffentlichungen in Form von Investorenwarnungen oder Sanktionen wurden von der FMA seit dem Jahr 2013 vorgenommen?
6. Anhand von welchen Kriterien werden von der FMA Veröffentlichungen von verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen vorgenommen oder nicht vorgenommen?
Gibt es hierzu verschriftlichte Richtlinien?
a. Wenn ja, seit wann?
b. Wieso sind diese Richtlinien nicht öffentlich zugänglich?
c. Wenn nein, wie erfolgt die interne Überprüfung dieser Ermessensausübung?
d. Über welchen objektivierten Rechtschutz verfügt ein Betroffener gegen eine Veröffentlichung im Falle eines Verstoßes gegen diese Kriterien?
7. Wie viele der vorgenommenen Veröffentlichungen im Bereich von verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen geschahen unter voller Namensnennung des Betroffenen oder aber mit vollständiger oder teilweiser Anonymisierung?
8. Nach welchen Kriterien entscheidet die FMA, ob bei der Veröffentlichung von verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen Anonymisierungen vorgenommen werden oder nicht? Gibt es hierzu verschriftlichte Richtlinien?
a. Wenn ja, seit wann?
b. Wieso sind diese Richtlinien nicht öffentlich zugänglich?
c. Wenn nein, wie erfolgt die interne Überprüfung dieser Ermessensausübung?
d. Über welchen objektivierten Rechtschutz verfügt ein Betroffener gegen eine Veröffentlichung im Falle eines Verstoßes gegen diese Kriterien?
9. Hat die Veröffentlichung von Investorenwarnungen und Sanktionen seit dem Jahr 2013 messbaren Einfluss auf die Anzahl der von der FMA geführten Aufsichtsverfahren entfaltet?
a. Wenn nein, weshalb hält die FMA weiterhin in der jetzigen Form an ihrem Veröffentlichungsregime fest?
10. Wie sehen Sie die Bewertung des Veröffentlichungsregimes durch die juristische Lehre, die in der Veröffentlichung von Investorenwarnungen und Sanktionen lediglich eine „Prangerwirkung“ für Unternehmen erblickt?
11. Wie lange bleiben veröffentlichte Investorenwarnungen und Sanktionen auf der Webseite der FMA öffentlich abrufbar?
a. Auf Basis von welchen Rechtsvorschriften und sonstigen Kriterien wird die Veröffentlichungsdauer jeweils im Einzelfall ermittelt?
b. Gibt es hierzu verschriftlichte Richtlinien?
c. Wenn ja, seit wann?
d. Wieso sind diese Richtlinien nicht öffentlich zugänglich?
e. Wenn nein, wie erfolgt die interne Überprüfung dieser Ermessensausübung?
f. Über welchen objektivierten Rechtschutz verfügt ein Betroffener gegen eine Veröffentlichung im Falle eines Verstoßes gegen diese Kriterien?
12. Welchen Mehrwert erblickt die FMA in der weiteren Verfügbarkeit von veröffentlichten Investorenwarnungen und Sanktionen auf der Webseite der FMA, bei denen die betroffenen Unternehmen bereits entweder liquidiert oder umfirmiert wurden?
13. Inwiefern trägt die FMA dafür Sorge, dass bei aufrechten Veröffentlichungen zu bereits lange zurückliegenden Verfehlungen einzelner Unternehmen darauf ersichtlich wird, dass es sich nicht um eine aktuelle Warnmeldung handelt?
a. Wenn keine entsprechenden Vermerke stattfinden sollten, warum wird dies nicht vorgenommen?
14. Wie bewerten Sie die intrasystematische Fortbildung des FMA-Aufsichtsregimes vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips gemäß Art 18 B-VG?
15. Wie bewerten Sie die Heranziehung eigens erarbeiteter Leitlinien sowie die „Eigeninterpretation“ von Unionsrichtlinien durch die FMA für die Gesetzesauslegung vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips gemäß Art 18 B-VG?
a. Inwieweit beschneidet diese Praxis Ihrer Ansicht nach die Kompetenz der Legislative und verhindert gleichzeitig innovatives Unternehmertum abseits von Bankenfinanzierungen?
16. Wie viele Aufsichtsbeschwerden wurden seit dem Jahr 2013 gegen die FMA eingebracht und welche konkreten Aufsichtsmaßnahmen wurden infolge dieser Beschwerden ergriffen?
17. Wie viele dieser Aufsichtsbeschwerden erfolgten durch von der FMA beaufsichtigte Unternehmen?
a. Wie viele dieser Aufsichtsbeschwerden erfolgten durch Unternehmen, die nicht von der FMA beaufsichtigt werden?
18. Welche konkreten Initiativen und Maßnahmen plant Ihr Ressort bis zum Ende der Legislaturperiode um die Neutralität und Unbefangenheit der FMA als Aufsichtsbehörde in der alltäglichen Aufsichtspraxis zu stärken (Bitte um detaillierte Antwort)?
19. Wird in Ihrem Ressort derzeit an konkreten Gesetzesentwürfen oder Aktionsplänen gearbeitet, um die Rechtsstellung von- und die Rechtsschutzmöglichkeiten für Unternehmen unter dem Aufsichtsregime der FMA zu stärken (Bitte um detaillierte Auflistung)?
20. Gibt es Gespräche zwischen Ihrem Ressort und dem Bundesministerium für Justiz um auch in Hinblick auf aufsichtsbehördliche Verwaltungsverfahren eine Reform des Kostenersatzes umzusetzen?
a. Wenn nein, warum nicht?