17092/J XXVII. GP
Eingelangt am 13.12.2023
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Christian Oxonitsch, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Dubiose Vorgänge rund um das ICMPD
Das „International Center for Migration Policy Development“ (im Folgenden kurz „ICMPD“ genannt) ist eine internationale Organisation, die vor 30 Jahren von Österreich und der Schweiz gegründet wurde. Ziel der Organisation ist es, einen Raum zu schaffen, indem Entscheidungsträger:innen abseits der Öffentlichkeit über migrationspolitische Fragen diskutieren können. Nach eigenen Aussagen zählt auch die Durchführung von Forschung und sonstigen migrationsbezogenen Projekten zum Organisationszweck. In den letzten Monaten stand die Organisation immer wieder in der Kritik: So unterstützte das IMPCD im Rahmen mehrere Projekte die Küstenwachen in Lybien, Marokko und Tunesien, denen allesamt schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworden werden.[1] Von 2017 bis 2019 förderte das BMI das ICMD-Projekt „SUPREM“, dass 33 Nigerianische Staatsangehörige nach abgewiesenen Asylanträgen zur freiwilligen Ausreise bewegen sollte, mit mehr als 270.000 Euro. Letztlich reiste ein einziger Nigerianer aus – mit 270.000 Euro wohl die teuerste freiwillige Ausreise in der 2. Republik. Obwohl Unterlagen aus dem ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss zeigen, dass auch innerhalb des BMI von „einer klaren Verfehlung der Zielvorgaben“ die Rede ist, wurden die 273.566,37 Euro nie zurückgefordert.
Im Frühjahr 2023 wurde vom IMPCD eine Haftanstalt im bosnischen Flüchtlingslager Lipa errichtet (gefördert unter anderem durch das BMI). Nach massiver Kritik und einer fehlenden Baugenehmigung wurde vom bosnischen Menschenrechtsminister mitgeteilt, dass das Projekt nicht in Betrieb genommen werde.[2] Mit der Idee einer entsprechenden „Hafteinheit“ ist das ICMPD aktiv auf die bosnische Regierung zugegangen. Kritiker:innen des Projekts wurden mit SLAPP-Klagen eingeschüchtert. Im Oktober 2023 wies das Handelsgericht Wien eine entsprechende Klage des ICMPD gegen den Flüchtlingshelfer Pero Rosandić ab und stellte beim ICMPD „zum Teil ganz eindeutig rechtswidrigen offen zur Schau getragenen Tendenzen“ sowie „unprofessionell mehrdeutigen und widersprüchlichen Vorgehen in der Öffentlichkeit“ fest.
Seit 2016 ist Michael Spindelegger, ehemaliger Vizekanzler und ÖVP Chef, neuer Generaldirektor des IMPCD. Auffallend ist, dass sich das Jahresbudget der Organisation seit diesem Zeitpunkt vervierfacht hat. Auch die Förderungen der Republik Österreich sind seit dem Jahr 2016 stark gestiegen.[3] Interne Akten aus dem BMI zeigen, wie Michael Spindelegger wiederholt im Innenministerium vorsprach und dabei auch um Förderungen „abseits der vorgesehenen Kriterien“ gebeten haben soll.[4]
Die massive Kritik, die gerichtlich festgestellten „rechtswidrigen Tendenzen“ und das Ansteigen der Fördersumme des BMI werfen jedenfalls einige Fragen auf.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1. Welche Mittel (Förderungen, Beteiligungen/sonstigen Finanzierungen) sind für das Jahr 2024 für Projekte des ICMPD veranschlagt? (Bitte um Angabe der Höhe der Förderung und Name des Projekts)
a. In welchen Untergliederungen, Global- und Detailbudgets sind diese Förderungen veranschlagt?
b. Welche Ziele verfolgen die Projekte, für die bereits Förderungen veranschlagt wurden?
2. Das Wiener Handelsgerichts spricht in seinem schriftlichen Urteil vom November 2023 im Zusammenhang mit dem ICMPD von „zum Teil ganz eindeutig rechtswidrigen offen zur Schau getragenen Tendenzen“ und „unprofessionell mehrdeutigen und widersprüchlichen Vorgehen von ICMPD in der Öffentlichkeit“
a. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung des Wiener Handelsgerichts auf den Umgang mit zukünftigen Förderansuchen durch das ICMPD
b. Haben Sie eine Prüfung veranlasst, die untersucht, ob an das ICMPD ausbezahlte Fördersummen rechtswidrig verwendet wurden?
c. Wie stellen Sie sicher, dass künftige Fördermittel vom ICMPD rechtskonform verwendet werden?
3. Im Jahr 2021 wurde das Projekt des ICMPD „SUPREM“, das 33 Nigerianer mit negativem Asylbescheid zur freiwilligen Ausreise bewegen sollte, vom BMI mit 270.000 Euro gefördert. Letztlich kam es im Rahmen des Projekts zu einer einzigen freiwilligen Ausreise.[5]
a. Was ist Inhalt des Fördervertrags, auf dessen Grundlage die 270.000 ausbezahlt wurden? (Bitte um Wiedergabe des Wortlauts des Fördervertrags)
b. In der Anfragebeantwortung 15621/AB[6] werden die Bewertungskriterien der Fachabteilung für eingelangte Projektanträge angeführt (Frage 14).
i. Zu welchem Ergebnis kam die Bewertung der Wirtschaftlichkeit bzw. Finanzierungsstruktur des Projekts „SUPREM"?
ii. Zu welchem Ergebnis kam die Bewertung der Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit (Überprüfung, ob das vereinbarte Ziele – in diesem Fall die freiwillige Rückkehr von 33 Nigerianern – umgesetzt und sichergestellt werden können) des Projekts „SUPREM"?
c. Wurde eine (Teil-)Rückforderung der ausbezahlten Fördersumme in Erwägung gezogen?
4. Der Anfragebeantwortung 15621/AB ist zu entnehmen, dass bei vom BMI geförderten Projekten Berichtspflichten des Projektträgers normiert werden.
a. Welche Berichtspflichten unterlag das ICMPD im Rahmen des Projekts „SUPREM“
i. Wurden diese Berichtspflichten erfüllt? Wurden Zwischenberichte vorgelegt, die Aufschluss darüber gaben, dass das erklärte Projektziel (freiwillige Rückkehr von 33 Nigerianern) nicht erreicht werden kann?
5. Am 19.5.2023 berichtete der Standard[7] über wiederholte Vorsprachen von ICMPD- Generaldirektor Michael Spindelegger im BMI betreffend potentielle Förderungen,
a. Welche Termine wurden seit dem Jahr 2016 im BMI mit Generaldirektor Michael Spindelegger wahrgenommen?
i. Welche Vertreter:innen des BMI waren bei diesen Terminen anwesend?
ii. Welche Projekte/Förderungen wurden bei den jeweiligen Terminen besprochen?
6. Am 23.5.2023 veröffentlichte „fragdenstaat.de" einen internen Diversitätsbericht des ICMPD. Ein Drittel der Mitarbeiter:innen gab an, im Rahmen ihrer Arbeit bei ICMPD diskriminiert oder belästigt worden zu sein. Ebenso stünden Rassismus, insbesondere in Bezug auf afrikanische Regionen in denen das ICMPD tätig ist, an der Tagesordnung.
a. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesem Bericht über die Arbeitsweise im ICMPD?
b. Wurden vom ICMPD Nachweise darüber verlangt, dass die im Bericht aufgezeigten Missstände behoben wurden?
i. Falls nein: Werden weitere Förderungen auch ohne entsprechende Nachweise ausbezahlt werden?
[1] https://fragdenstaat.de/blog/2023/05/19/icmpd-die-migrations-manager/
[2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230608_OTS0017/offiziell-bestaetigt-gefaengnis-in-lipa-wird-nicht-in-betrieb-gehen-bild
[3] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/12605/imfname_1502636.pdf
[4] https://www.derstandard.at/story/2000146569611/zentral-im-eu-grenzschutz-umstritten-und-kaum-bekannt-spindeleggers-icmpd
[5] https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6213160/SpindeleggerOrganisation_270000-Euro-Kosten-damit-ein-Asvlwerber
[6] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/AB/15621/imfname_1593540.pdf
[7] https://www.derstandard.at/story/2000146569611/zentral-im-eu-grenzschutz-umstritten-und-kaum-bekannt-spindeleggers-icmpd