17216/J XXVII. GP
Eingelangt am 14.12.2023
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Anfrage
des Abgeordneten Mario Lindner,
Genossinnen und Genossen,
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Solidarität mit der russischen LGBTIQ+ Community
Die Angriffe auf die Grund- und Menschenrechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, transidenten, intergeschlechtlichen und queeren Menschen in der Russischen Föderation sorgen seit Jahren für internationale Empörung. Seit rund einem Jahr wird beispielsweise „Propaganda“ für „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen“ per Gesetz verfolgt. Schon seit einigen Jahren galten ähnliche Regelungen im Zusammenhang mit Minderjährigen. Ende November 2023 fand nun die Instrumentalisierung von LGBTIQ+ Feindlichkeit durch die russische Regierung jedoch einen neuen, traurigen Höhepunkt: Das Oberste Gericht Russlands erklärte auf Antrag des Justizministeriums, dass die queere Community künftig als „extremistisch“ eingestuft werde.
Russische und internationale Menschenrechtsgruppen kritisierten dieses Urteil scharf. Die Verhandlung selbst fand hinter verschlossenen Türen statt, der Wortlaut des Urteils selbst ist noch nicht bekannt – ebenso nicht, wer konkret der Adressat dieser Entscheidung ist:
Die Richter hätten nicht einmal klargestellt, wer genau in ihren Augen der "LGBT-Bewegung" angehört. "Welche Art von "LGBT-Bewegung" ist vom Obersten Gerichtshof verboten worden?", fragt etwa das unabhängige Online-Portal "Meduza". Und beantwortet die Frage gleich selbst: "Wir wissen es nicht." Unter Berufung auf Anwälte schreibt "Meduza", dass nun höchstwahrscheinlich alle Menschen in Russland gefährdet seien, die offen schwul oder lesbisch leben würden. Kritisiert wurde zudem, dass die Gerichtsverhandlung gerade einmal vier Stunden dauerte und hinter verschlossenen Türen abgehalten wurde.[1]
Schon wenige Stunden nach dem Urteil kam es in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember 2023 zu Polizeirazzien in Moskauer LGBTIQ+ Lokalen. Ab 10. Jänner 2024 tritt laut Berichten ein weiterer Teil des Urteils in Kraft, nämlich jener, „der die ‚strukturellen Organisationen‘ betrifft, womit alle Organisationen in Russland gemeint sein könnten, die mit dem Thema LGBTQ verbunden sind.“[2]
Es ist angesichts dieser Entwicklungen klar, dass die russische Regierung zusätzlich zu ihren anderen gravierenden Menschenrechtsverletzungen einmal mehr gerade die LGBTIQ+ Community als innenpolitisches Ziel für die Ablenkung der akuten Probleme in der Russischen Föderation attackiert. Österreich und die gesamte Europäische Union sind deshalb mehr denn je gefordert, wirksame Solidarität mit Menschenrechtsaktivist*innen und LGBTIQ+ Personen in Russland zu zeigen: Das bedeutet nicht nur klare Bekenntnisse und nach Möglichkeit die Unterstützung der LGBTIQ+ Community und von Menschenrechtsaktivist*innen in Russland, sondern auch Unterstützung für jene Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität in die EU oder Österreich fliehen und hier beispielsweise um Asyl ansuchen. Österreich muss dieser internationalen und historischen Verantwortung gerecht werden.
Das bisherige Schweigen der Österreichischen Bundesregierung zu dieser internationalen Entwicklung ist nicht zu akzeptieren!
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Welche konkreten Schritte sind seitens Ihres Ministeriums geplant, um hinsichtlich der menschenrechtswidrigen Angriffe auf die LGBTIQ+ Community in Russland zu reagieren? Bitte um detaillierte Auflistung.
a. Wenn keine Schritte geplant sind, warum nicht?
2. Werden seitens Ihres Ministeriums konkrete Schritte zur direkten Unterstützung der LGBTIQ+ Community in Russland, sowie von dortigen Menschenrechtsorganisationen geplant?
a. Wenn ja, welche Schritte sind dahingehend aus Ihrer Sicht möglich?
b. Wenn nein, warum sehen Sie dazu keine Notwendigkeit?
3. Sind Sie hinsichtlich der aktuellen Angriffe auf die russische LGBTIQ+ Community in Beratungen mit Ihren Amtskolleg*innen auf EU-Ebene?
a. Wenn ja, welche konkrete Schritte und Möglichkeiten werden auf EU-Ebene diskutiert und wann wird es dahingehende Entscheidungen geben?
4. Sind Sie mit dem Bundesminister für Inneres hinsichtlich der aktuellen Angriffe auf die russische LGBTIQ+ Community in Gesprächen, um sicherzustellen, dass Menschen, die wegen dieser Entwicklungen nach Österreich fliehen müssen, hier Schutz und Aufenthalt bekommen?
a. Wenn ja, wie genau soll das sichergestellt werden?
b. Wenn nein, warum sehen Sie dazu keine Notwendigkeit?