17380/J XXVII. GP
Eingelangt am 15.12.2023
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Bewertungsboard für Medikamente schwächt Versorgung
Die Tageszeitung „Standard“ hat am 5.12.2023 folgenden Artikel veröffentlicht:
Bewertungsboard für Medikamente sorgt für Unmut bei Opposition
Das Gesundheitsministerium will mit einem Board die Anwendung hochpreisiger Arzneimittel einheitlich regeln. SPÖ, FPÖ und Neos befürchten Verschlechterungen für Patienten
Max Stepan Gudrun Springer
Wien – Mit einem Bewertungsboard will das Gesundheitsministerium in Zukunft die Anwendung von Medikamenten bundesweit einheitlich regeln. Der Gesetzesentwurf hat bereits für Debatten gesorgt - DER STANDARD berichtete -, bevor er am 22. November den Ministerrat passierte und danach im Nationalrat eingebracht wurde. Nun sorgt er wieder für Aufregung.
Das Board soll laut dem Entwurf "ausgewählte hochpreisige und spezialisierte Arzneispezialitäten" grundsätzlich vor deren Anwendung in Spitälern bewerten. Dann soll es im Grunde binnen fünf Monaten Empfehlungen abgeben – über Anwendung, Begleitmaßnahmen und über den Zusatznutzen "auf Basis eines Vergleichs mit therapeutischen Alternativen in Zusammenschau mit der Wirtschaftlichkeit". So solle es laut Gesundheitsministerium nicht mehr vorkommen, dass etwa ein Krebspatient im Westen Österreichs ein Medikament nicht bekomme, eine andere Patientin im Osten aber schon – das werde sich laut Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) mit dem Board ändern. Scharfe Kritik kommt von der Opposition, die Einsparungen bei der Anwendung von Medikamenten befürchtet.
Vor allem die Zusammensetzung des Gremiums, das letztlich über die Empfehlungen berät, stößt der SPÖ sauer auf. "Das soll wissenschaftlich entschieden werden, wer welches Medikament bekommt, und soll nicht preisabhängig sein", betonte SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler im Ö1-"Morgenjournal" am Dienstag. Im Gremium sind Personen aus Gesundheitsministerium, Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, Gesundheit Österreich Gmbh sowie ein Ländervertreter und je zwei Personen aus den drei Sozialversicherungsträgern ÖGK, BVAEB und SVS vertreten.
FPÖ spricht von "Sterbekommission"
Noch härtere Kritik äußert die FPÖ, die gar von einer "Sterbekommission von ÖVP und Grünen" spricht. "Gesundheitsminister Rauch ergötze sich daran, Herrscher über Leben und Tod spielen zu dürfen", wurden die Freiheitlichen im Ö1-"Morgenjournal" zitiert. Die Neos wünschen sich mehr Fachleute im Gremium. Minister Rauch teilte zuletzt zu dem Thema mit, es sei "absurd zu glauben, ich als ehemaliger Krebspatient würde anderen Patient:innen lebenswichtige Medikamente verweigern".
Die Patientenanwältin Michaela Wlattnig kann dem Bewertungsboard grundsätzlich etwas Positives abgewinnen, denn es sei zu begrüßen, dass ein einheitlicher Einsatz von Medikamenten in Österreich angestrebt wird. Doch auch Wlattnig äußert Kritik an der Zusammensetzung des Gremiums, " es kann nicht sein, dass man den therapeutischen und medizinischen Nutzen mit dem Kostennutzen abwägt", sagte Wlattnig im Ö1-"Morgenjournal".
"Schärfung hin zur Medizin"
Konkret brauche es innerhalb des Gremiums einen "Ausgleich und Schärfung hin zur Medizin und zur Wissenschaft". Solche Medikamente und ihr Einsatz seien laut Wlattnig hochkomplex, und dafür brauche es viel Kompetenz, die in dem Bewertungsboard auch entsprechend abgedeckt werden müsse. Sinnvoll sei das Board nur dann, wenn es auch tatsächlich zu einer Beschleunigung im Entscheidungsprozess bei der Anwendung eines Medikaments kommt, ohne dass dabei der Patient zu kurz kommt, meint Wlattnig. "Entscheiden kann und muss aber natürlich immer nur der behandelnde Arzt."
Es stehe immer die Patientin beziehungsweise der Patient im Mittelpunkt", heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Das Bewertungsboard spreche Empfehlungen aus, auf deren Grundlage dann die Krankenhausträger entscheiden könnten, ob ein Medikament eingesetzt werden soll oder nicht. Ursprünglich sollte es eine Verpflichtung zur Umsetzung geben, diese fiel aber noch in der finalen Verhandlungsphase zur Gesundheitsreform.[1]
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Wie begründen Sie die Einsetzung des Bewertungsboards und welche konkreten Vorteile bringt dieses für die Versorgung mit innovativen Therapien für Patienten?
2. Welche Nachteile könnten durch dieses Bewertungsboard erwachsen und haben Sie diese in Ihre Überlegungen eingebunden?
3. Wie begründen Sie die Einsetzung und die Auswahl der Mitglieder dieses Bewertungsboards?
4. Wie begründen Sie die Verteilungsgewichtung der einzelnen Stakeholder und warum wurden nicht mehr aus den Bereichen Wissenschaft und Forschung angewählt?
5. Warum haben Sie sich dazu entschieden, dass spezialisierte und innovative Therapien vor deren Einsatz im Krankenhaus durch das neu einzurichtende Bewertungsboard evaluiert werden?
6. Welche Auswirkungen in Bezug auf die Gewährung werden sich zeigen, wenn ein spezialisierte und innovative Therapien verordnender Arzt mit der Empfehlung des Bewertungsboards konfrontiert ist?
7. Gehen Sie davon aus, dass spezialisierte und innovative Therapien durch diese Maßnahme einer Einsetzung eines Bewertungsboards verringert gewährt werden?
a. Wenn ja, ist das von Ihnen beabsichtigt?
b. Wenn nein, können Sie garantieren, dass ein verordnender Arzt frei und vom Bewertungsboard ungebunden spezialisierte und innovative Therapien verordnen kann?
8. Können Sie ausschließen, dass mit dem Ziel, ein einheitliches Niveau bei der Versorgung mit hoch innovativen Therapien zu erreichen, nicht lediglich eine niedrige Niveauangleichung erfolgen wird mit der Folge, dass weniger spezialisierte und innovative Therapien gewährt werden?
a. Wenn ja, wie?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Wenn nein, warum wird das Bewertungsboard dann eingerichtet, wenn eine Verschlechterung der Versorgungssituation befürchtet werden muss?
9. Können Sie ausschließen, dass durch die Bewertung durch das Board spezialisierte und innovative Therapien erst verzögert beim Patienten zum Einsatz kommen können?
a. Wenn ja, wie?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Wenn nein, warum wird das Bewertungsboard dann eingerichtet, wenn eine Verschlechterung der Versorgungssituation befürchtet werden muss?
10. Können Sie ausschließen, dass durch die Bewertung durch das Board spezialisierte und innovative Therapien für den Patienten überhaupt verhindert werden?
a. Wenn ja, wie?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Wenn nein, warum wird das Bewertungsboard dann eingerichtet, wenn eine Verschlechterung der Versorgungssituation befürchtet werden muss?
11. Was entgegnen Sie der Kritik, wonach „die je Indikationsgebiet erforderliche fachmedizinische Expertise und Patientenorganisationen […] gänzlich ausgeklammert“ sind?
12. Entspricht diese Behauptung den Tatsachen?
a. Wenn ja, warum ist das so?
b. Wenn nein, inwiefern stellen Sie sicher, dass erforderliche fachmedizinische Expertise und Patientenorganisationen in den Bewertungsprozess eingebunden sind?
13. Was entgegnen Sie der Kritik, wonach Mitglieder des Bewertungsboards vermehrt aus wirtschaftlicher, aber weniger aus wissenschaftlicher, medizinischer oder patientenorientierter Sicht über den Einsatz von Therapien entscheiden?
14. Was entgegnen Sie der Kritik, wonach drei Pharmakologen nur bedingt die notwendige fachspezifische Perspektive abbilden?
15. Warum hat die Patientenanwaltschaft als fixer Teil des Boards kein Stimmrecht?
16. Inwiefern haben Patientenvertreter noch Einfluss auf Entscheidungen hinsichtlich der Gewährung von Therapien in diesem Zusammenhang?
17. Mit welcher wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder medizinischen Begründung wird den Patienten, die diese Therapien schließlich benötigen, eine Vertretung mit Stimme vorenthalten?
18. Trauen Sie den Patientenvertretern nicht zu, im Board „richtig“ zu entscheiden?
a. Wenn nein, warum haben sie dann keine Stimme?
b. Wenn ja, warum?
c. Wenn ja, hat das wirtschaftliche Gründe?
19. Was entgegnen Sie der Kritik, wonach durch das Bewertungsboard ein falsches Signal in Richtung Arzneimittelforschung gesendet wird, in Hinblick auf fehlende förderliche Rahmenbedingungen für innovative Therapien?
20. Inwiefern haben Sie geprüft, ob die Arzneimittel- und Therapieauswahl des Bewertungsboards einen verfassungsrechtlichen Eingriff in die Rechte der Patienten darstellt, da es um überlebensrelevante Arzneimittel geht?
a. Was war das Ergebnis dieser Prüfung?
21. Inwiefern haben Sie geprüft, ob die Arzneimittel- und Therapieauswahl des Bewertungsboards einen Eingriff in das Krankenanstalten- und Ärztegesetz darstellt, da diese einen Therapieeinsatz nach dem letzten Stand der medizinisch-pharmazeutischen Wissenschaften vorsehen?
a. Was war das Ergebnis dieser Prüfung?
22. Inwiefern haben Sie geprüft, ob die Arzneimittel- und Therapieauswahl des Bewertungsboards einen Eingriff in das Sozialversicherungsgesetz darstellt, da die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein muss?
a. Was war das Ergebnis dieser Prüfung?
23. Inwiefern haben Sie geprüft, ob die Arzneimittel- und Therapieauswahl des Bewertungsboards einen Eingriff in den Behandlungsvertrag zwischen dem Krankenhaus und dem Patienten darstellt, da das Krankenhaus die Verantwortung über die Behandlung trägt?
a. Was war das Ergebnis dieser Prüfung?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000198252/bewertungsboard-fuer-medikamente-sorgt-fuer-unmut-bei-opposition