17474/J XXVII. GP
Eingelangt am 04.01.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Mag. Julia Seidl, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Benkos Millionenvilla: Mehr Transparenz über Vorgehensweise des Finanzamtes bei Steuervermeidungstricks
Nach mehreren Insolvenzanträgen im Signa-Imperium wurde am 31.12.2023 bekannt, dass die Republik für eine Villa in Innsbruck ein Pfandrecht vormerken hat lassen. Es geht um das einst renommierte Schlosshotel Igls, einst weit über die Grenzen Innsbrucks hinaus bekannt, welches 2016 von der Schlosshotel Igls GmbH erworben wurde. Diese Gesellschaft ist größtenteils im Besitz der Laura Privatstiftung von René Benko und seiner Mutter. Für Aufsehen sorgte die Entscheidung, das Hotel abzureißen und an seiner Stelle eine Luxusvilla auf einem mehrere Tausend Quadratmeter großen Grundstück zu errichten, die der Milliardär selbst bewohnen soll. Dem Antrag der Finanzbehörde zufolge geht um 12 Mio. Euro an offenen Umsatzsteuern, die die Schlosshotel Igls GmbH der Republik schuldet. Die Schlosshotel Igls GmbH soll über sieben Jahre hinweg Umsatzsteuern für Bauleistungen gezahlt haben und ließ sich diese Summe dann zurückerstatten. Die Finanzbehörde ist nun der Auffassung, dass diese bereits erstatteten Vorsteuern zurückgezahlt werden müssen.
Die Grenzen der Umsatzsteuerpflicht und die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs
Für Unternehmen gilt die Umsatzsteuer üblicherweise lediglich als Durchlaufposten. Wenn Unternehmen die Umsatzsteuer beim Kauf von Gütern bezahlen, können sie sich diese Beträge durch die sogenannte Vorsteuer erstatten lassen. Die zulässigen Grenzen der Vermietung von Wohnimmobilien, die sich im Besitz einer GmbH oder Privatstiftung befinden, an ihre Gesellschafter, Stifter oder Begünstigten beschäftigt die Rechtsprechung und Literatur bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten. In kürzlich ergangenen Erkenntnissen (Ra 2020/15/0067, Ra 2020/15/0004) hat sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit deren umsatzsteuerlicher Behandlung auseinandergesetzt.
Das Höchstgericht hat dabei seine bisherige Rechtsprechung ausführlich erläutert und präzisiert. Bei der Umsatzsteuer sind drei Fallgruppen zu unterscheiden: die bloße Gebrauchsüberlassung, die verdeckte Ausschüttung „an der Wurzel“ und die „klassische“ verdeckte Ausschüttung. Das Fehlen einer wirtschaftlichen Tätigkeit liegt im ersten Fall vor, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass die Bereitstellung der Nutzung eines Wohnhauses an die Gesellschafter nicht mit dem Ziel erfolgt, Einnahmen zu generieren, sondern vielmehr dazu dient, ihnen einen Vorteil zukommen zu lassen.
Es handelt sich hingegen um eine "Ausschüttung an der Wurzel", wenn es sich um ein besonders repräsentatives oder individuell auf die Bedürfnisse des Gesellschafters zugeschnittenes Gebäude handelt, welches nicht auf fremdübliche Weise überlassen wird. Ob eine „klassische“ verdeckte Ausschüttung vorliegt, hängt laut VwGH schließlich von der Renditeerwartung eines "wirtschaftlich agierenden Immobilieninvestors" als Grundlage ab. Diese bezieht sich auf die Mieteinnahmen, die ein sorgfältiger Geschäftsleiter im Interesse der Körperschaft durch Vermietung von gut rentierlichen Immobilien erzielen könnte.
Ein funktionierender Mietenmarkt liegt demnach nur vor, wenn nachgewiesen wird, dass das konkrete Wohnobjekt Mietrenditen erzielen kann, die vergleichbar sind mit gut rentierlichen Objekten, die im geografischen Umfeld vergleichbare Immobilien an fremde Dritte vermieten. In der Praxis bedeutet dies, dass es bei der Errichtung eines luxuriösen Einfamilienhauses wahrscheinlich schwierig ist, den Nachweis eines funktionierenden Mietenmarkts zu erbringen. Daher wird in erster Linie auf die Renditemiete als Fremdvergleichsmaßstab zurückgegriffen werden müssen. Jede Abweichung von der Renditemiete erfordert nicht nur den Nachweis vergleichbarer Immobilien in der Region, sondern auch eine Erklärung, warum ein rein am Mietertrag interessierter Investor ein weniger rentables Investment wählen würde.
Stimmen des Finanzministeriums, Steuerexperten und der betroffenen Privatstiftung
Der genaue Grund für die Forderungen der Republik bleibt vorerst unklar. Das Finanzministerium darf aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht keine Informationen zu einzelnen Verfahren preisgeben. Generell hielt das Finanzministerium fest, dass Unternehmen grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich die Vorsteuer zurückzuholen, wenn eine Liegenschaft gewerblich genutzt wird. Sollte jedoch das Finanzamt während einer Prüfung feststellen, dass keine gewerbliche Nutzung vorliegt, wandelt sich die zuvor abgezogene Vorsteuer in eine Umsatzsteuer-Schuld um. Dieser Vorgang kann auch einige Jahre später erfolgen. Wenn die Finanzbehörde die Gefahr sieht, dass die Umsatzsteuer-Schuld uneinbringlich werden könnte, wird es im Interesse der Steuerzahler als angemessen erachtet, eine Pfandrechtsvormerkung auf die betroffene Liegenschaft einzutragen. Der Beschluss des Gerichts zur Vormerkung des Pfandrechts lasse daher darauf schließen, dass die Finanzverwaltung bereits zuvor eigeninitiativ tätig geworden ist. Dies sei als Hinweis zu interpretieren, dass das Finanzamt seine Verpflichtungen im Sinne der Steuerzahler gewissenhaft erfüllt hat.
Steueranwalt Franz Althuber erklärt in einem Standard-Artikel, dass die Vormerkung eines Pfandrechtes bei derart hohen offenen Steuerbeträgen nicht ungewöhnlich ist. Selbst ein längerer Zeitraum, der sich über mehrere Jahre erstreckt, überrascht den Experten nicht, da steuerrechtliche Diskussionspunkte oft erst im Rahmen nachträglicher Betriebsprüfungen auftauchen, die für mehrere vergangene Veranlagungsjahre durchgeführt werden. Wenn der Betriebsprüfer eine andere Rechtsmeinung als der Steuerpflichtige vertritt und das Verfahren im Rechtsmittelweg durchgestritten wird, kann sich die Angelegenheit über viele Jahre hinziehen. Althuber betont jedoch, dass aus der Besicherung selbst nicht vorhergesagt werden kann, wie das Verfahren letztendlich ausgehen wird.
Die Laura Privatstiftung bestreiten den Medien gegenüber die Vorwürfe und bezeichnet die mediale Darstellung als "falsch und irreführend“. Die Umsatzsteuer wurde ordnungsgemäß entrichtet und dann "korrekterweise erstattet".
Viele offene Fragen an die Finanzverwaltung: Wurde weggesehen oder ist Trägheit zur Normalität geworden?
Offene Fragen: Es stellt sich die Frage, warum das Finanzamt nicht früher Verdacht geschöpft hat, insbesondere angesichts des hohen Kaufpreises der Immobilie im Vergleich zur Umsatzsteuerschuld und der späteren Insolvenzen. Trotz neuerer Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes und einer laufenden Prüfung seit 2020 dauerte es bis Ende 2023, um Pfandrechte einzutragen, was die Effizienz und Proaktivität der Finanzverwaltung in Zweifel zieht. Ebenfalls fragwürdig ist die geringe Strafe für die Verletzung der Publizitätspflicht bei Kapitalgesellschaften, die es Unternehmen ermöglicht, Bilanzen nicht offenzulegen und nur geringe Strafen zu zahlen.
Normalitätsbetrachtung: Solche Vorkommnisse sollten nicht normal sein. Die Verzögerungen und die scheinbare Trägheit der Finanzverwaltung, selbst im Angesicht offensichtlicher Anzeichen für Steuerumgehung, sind besorgniserregend. Die geringen Strafen für die Nichtoffenlegung von Bilanzen begünstigen intransparente Firmenstrukturen. Diese Punkte heben die Notwendigkeit hervor, die Effizienz und Wirksamkeit der Finanzverwaltung durch gesetzliche und organisatorische Reformen zu verbessern. Die Anfrage zielt darauf ab, Transparenz darüber zu schaffen, wie das Finanzministerium in solchen Fällen vorgeht und ob an der Überwindung der herrschenden Trägheit gearbeitet wird.
Quellen:
https://www.derstandard.at/story/3000000201568/benkos-gepfaendete-luxusvilla-steuerskandal-oder-gewoehnlicher-vorgang
https://kurier.at/politik/inland/warum-wurde-benkos-villa-erst-jetzt-gepfaendet/402727072
https://www.tt.com/artikel/30872825/nach-pfaendung-von-benko-villa-ruf-nach-aufklaerung-wird-laut
https://kpmg.com/at/de/home/insights/2021/02/tn-luxus-immobilienvermietung-an-den-gesellschafter-stifter-aktuelle-vwgh-rechtsprechung.html
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Gab es Änderungen in der Zuständigkeit?
1. Wenn ja, welche?