17503/J XXVII. GP
Eingelangt am 19.01.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Wahlen in Serbien
Die Parlaments- und Kommunalwahlen in Serbien am 17. Dezember wurde von serbischen wie auch internationalen Beobachter:innen als nicht fair eingestuft. Seit der Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses gibt es Proteste, begleitet von Berichten über exzessive Gewaltanwendung durch die Behörden, Verhaftungen von Kritikern und Anklagen unter Gesetzesvorschriften, für deren Verletzung mehrjährige Haftstrafen vorgesehen sind. Politiker:innen der größten Oppositionsparte, Serbien gegen Gewalt, traten in Hungerstreik.
Nach der Wahl wurden der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) des autoritären Präsidenten Aleksandar Vučić etwa 65% der Stimmen zugeschrieben. Die SNS gewann laut Regierung auch die Wahlen in der Hauptstadt Belgrad und in der nordserbischen Provinz Vojvodina. Die Opposition sprach hingegen von Wahlbetrug und wurde von internationalen Beobachter:innen bestärkt. Berichtet werden Stimmenkauf und gefälschte Unterschriften, aber auch systematische Benachteiligung der Opposition im Wahlkampf. Bereits vor dem Wahltag hat die SNS schon seit langer Zeit eine Politik der Mediengleichschaltung betrieben und der Opposition mit finanziellen und anderen Einschränkungen die Arbeit erschwert, und damit keine fairen Wahlen zustande kommen lassen.
Speziell in Belgrad ist es wahrscheinlich, dass der Wahlsieg der SNS nur durch Wahlbetrug erreicht wurde, da in Serbiens Hauptstadt das Wahlergebnis mit etwa 38-35% knapp war. Es gibt Hinweise darauf, dass die Regierung Menschen aus dem Kosovo und Bosnien, wo aufgrund der ethnischen und politischen Spannungen die serbische Bevölkerung stark nationalistisch und damit SNS-affin ist, mit Bussen nach Belgrad gebracht hat (wo das Wahlergebnis mit etwa 38-35% knapp war). Auch solle Wählerlisten mit 40.000 bis 50.000 Personen aus anderen Regionen verfälscht worden sein.
Auch österreichische Wahlbeobachter:innen haben die Wahlen teils scharf kritisiert. So sprach Abg. Reinhold Lopatka von "Unregelmäßigkeiten" und „unfairen Verhältnissen,“ wie Stimmenkauf, dem Bringen von Wählern vor allem in die serbische Hauptstadt Belgrad und teilweise Gewaltanwendung. Abg. Ewa Ernst-Dziedzic sagte zur Austria Presse-Agentur, dass in einigen Wahllokalen „einschüchternd“ wirkende Mitglieder der Wahlkommission „den Menschen über die Schulter“ geschaut hätten. Und Abg. Andreas Schieder fand die Nachrichten über Busse mit Nicht-Ansässigen, die zur Wahl nach Belgrad gebracht wurden, Stimmendiebstahl, Bestechung und Korruption schockierend und forderte eine unabhängige Untersuchung der Vorkommnisse. Schieder stellte auch klar, dass die EU „ihre Appeasement-Politik gegenüber Vučić endlich beenden“ müsse um sicherzustellen, dass „Serbien als größtes Land in der Region seiner Verantwortung für Stabilität und Frieden im Westbalkan voll und ganz nachkommt.“ Auch der Südosteuropa-Experte Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik sagte im ORF: „Serbien ist sicher keine Demokratie mehr. Das haben die Wahlen gezeigt, die nicht frei und fair waren.“
Nach den Wahlen in Belarus 2020 erkannten europäische Staaten das Ergebnis nicht an, weil die Abstimmung weder frei noch fair gewesen sei. Auch Österreich verweigert seitdem der Regierung Lukaschenka die Anerkennung. Zudem erinnert Außenminister Alexander Schallenberg regelmäßig daran, dass das demokratische Lebensmodell im Rückzug begriffen ist und verteidigt werden muss. Im Falle der serbischen Wahlen gibt es noch keine klare Positionierung der Bundesregierung. Europaministerin Edtstadler sprach sich noch am 27.12.2023 für eine weitere Heranführung Serbiens an die EU aus.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Im Unterschied zu den Wahlen in Belarus hat die die österreichische Bundesregierung die serbischen Wahlen nicht kritisch kommentiert. Wird die österreichische Bundesregierung aufgrund der Beobachtungen der internationalen Wahlbeobachtungsmissionen den Wahlen vom 17.12.2013 die Anerkennung ebenso wie denen in Belarus verweigern, bzw. hat sie dies zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung bereits getan?
a. Wenn nein, nach welchen Kriterien wurde den Wahlen in Belarus die Anerkennung verweigert, die in Serbien nicht zutreffen?
2. Wird die österreichische Bundesregierung eine Evaluierung der Berichte über Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen am 17.12.2023 durchführen?
3. Wird die Bundesregierung eine Evaluierung der Verletzungen der Rechte der Opposition, wie Recht auf Finanzierung, Zugang zu Medien, Medienfreiheit, Versammlungsfreiheit und andere kolportierte Einschränkungen demokratischer Freiheiten und Rechte, durchführen?
4. Wird die Bundesregierung eine internationale Untersuchung der Vorgänge bei den Wahlen am 17.12.2023 unterstützen oder fordern?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, in welchen internationalen Gremien?
c. Wenn ja, wie wird die Bundesregierung eine derartige Untersuchung unterstützen?
5. Wird die Bundesregierung eine internationale Untersuchung der Verletzungen der Rechte der Opposition, wie Recht auf Finanzierung, Zugang zu Medien, Medienfreiheit, Versammlungsfreiheit und andere kolportierte Einschränkungen demokratischer Freiheiten und Rechte, unterstützen oder fordern?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, in welchen internationalen Gremien?
c. Wenn ja, wie wird die Bundesregierung eine derartige Untersuchung unterstützen?
6. Die österreichische Bundesregierung hat sich für die Beendigung des türkischen Beitrittsprozesses aufgrund des mangelnden Fortschritts bzw. aufgrund von Rückschritten der Türkei ausgesprochen. Wird die Bundesregierung die Beendigung des serbischen Beitrittsprozesses ebenso einfordern?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn nein, aufgrund welcher Kriterien wird Serbien nicht gleich wie die Türkei bewertet?
7. Wird die Bundesregierung sich in der Europäischen Union für Sanktionen gegen Serbien einsetzen, bzw. Sanktionen gegen Serbien unterstützen?
8. Wurde die Geschäftsträgerin oder anders Personal der serbische Botschaft betreffend die Beobachtungen der internationalen Wahlbeobachtungsmissionen einbestellt?
a. Wenn ja, was waren die österreichischen und serbischen Positionen?
b. Wenn nein, warum nicht?
9. Wurde die Geschäftsträgerin oder anders Personal der serbische Botschaft einbestellt, um die Anschuldigungen der serbischen Ministerpräsidenten Ana Brnabic gegenüber den österreichischen Wahlbeobachtern Andreas Schieder und Stefan Schennach zu erklären?
a. Wenn ja, was war die serbische Position?
b. Wenn nein, warum nicht?