17521/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.01.2024
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Mario Lindner,
Genossinnen und Genossen,
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend „Lehren aus den Ergebnissen des Corona-Aufarbeitungsprozesses“
Die gesellschaftlichen und politischen Folgen der Corona-Pandemie beschäftigen die österreichische Bevölkerung bis heute. Während vor allem junge Menschen noch immer unter den psychosozialen Folgen der Pandemie zu leiden haben und die Arbeitswelt sich im Zuge der letzten Jahre grundlegend verändert hat, stellt sich zunehmend die Frage, welche langfristigen Schlüsse die österreichische Regierung aus den Pandemie-Jahren zieht. Denn auch wenn die Corona-Pandemie unsere Republik vor grundlegende Herausforderungen gestellt hat, so ist es doch unbestreitbar, dass es dringend langfristige Reformen im Bereich der Bundespolitik und der Verwaltung braucht, um nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit der Politik sicherzustellen, sondern auch um unser Land langfristig krisensicherer zu gestalten und dabei auch sicherzustellen, dass gerade in Krisen niemand zurückgelassen wird.
Die Bundesregierung hat zu diesem Ziel die Österreichische Akademie der Wissenschaften mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Pandemie-Jahre beauftragt. Das Ergebnis dieser Aufarbeitung wurde Ende 2023 in Form der Studie „Nach Corona. Reflexionen für zukünftige Krisen“ veröffentlicht. Die Studie selbst bietet im Sinne eines „Corona-Aufarbeitungsprozesses“ durch einen wissenschaftlichen Teil und einen Dialogprozess mit 319 Bürger*innen in allen Bundesländern eine wichtige Datengrundlage für politische Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie. Gleichzeitig handelt es sich dabei nicht um den notwendigen gesellschaftlichen Diskussionsprozess, der insbesondere dem Ziel einer Mäßigung der gesellschaftlichen Diskurse und der Wiederherstellung politischen Vertrauens in die Bundespolitik hätte dienen können. Nicht zu Unrecht schlussfolgerten zahlreiche mediale Kommentator*innen im Zuge der Studien-Präsentation, dass die Bundesregierung diese wissenschaftliche Aufarbeitung eher als Abschluss einer lästigen Aufgabe betrachtet, denn als Auftakt für notwendige Reformprozesse.
Von besonderer Bedeutung im Zuge der Studie „Nach Corona“ kann insbesondere der Dialogprozess „Österreich am Wort“ betrachtet werden. Obwohl es sich dabei um ein vergleichsweise kleines Veranstaltungsformat handelte, können dessen Ergebnisse wichtige Rückschlüsse auf „Empfehlungen für eine bessere Bewältigung zukünftiger Krisen“ geben. Insgesamt wurden von den teilnehmenden Bürger*innen 185 Empfehlungen an Politik, Wissenschaft und Medien erarbeitet:
„Die 185 Empfehlungen wurden vom wissenschaftlichen Team systematisch verglichen und nach Maßgabe inhaltlicher Nähe zu 38 Empfehlungen zusammengefasst. Alle Teilnehmer:innen wurden anschließend eingeladen, die aggregierten Empfehlungen auf ihre Bedeutung bzw. Wichtigkeit zur Vermeidung künftiger Polarisierung hin zu bewerten. Als wichtigste Empfehlung zur Vermeidung von Polarisierung wird eine unabhängige Wissenschaft angesehen (97 %), knapp gefolgt vom Wunsch nach politisch unabhängigen Medien (96 %). Selbst die Empfehlung, die den vergleichsweise geringsten Zuspruch erhielt, nämlich, dass in Krisenzeiten unterschiedliche Verhaltensweisen gleichermaßen toleriert werden sollten, wurde noch von 60 Prozent der Teilnehmer:innen gewählt.
Die wichtigsten Empfehlungen für die Politik waren, Sozialberufe im Sinne einer vorausschauenden Krisenprävention attraktiver zu machen und Maßnahmen transparent zu entwickeln sowie laufend zu evaluieren und entsprechend anzupassen. Die eigenen Mitbürger:innen wurden aufgefordert, offen und respektvoll miteinander umzugehen und in der Krise füreinander zu sorgen. Eine weitere wichtige Forderung an die Wissenschaft lautete, die Grenzen des eigenen Wissens zu kennen und offenzulegen. Die Medien, so der andere zentrale Bürgerwunsch, sollen in Krisenzeiten nicht unnötig Angst erzeugen, sondern auch über Positives berichten. “[1]
Vorgeschlagen wurden von den teilnehmenden Bürger*innen dabei beispielsweise Maßnahmen im Bereich von Bürger*innenforen, zentrale Kommunikationsmaßnahmen der Regierung, multidisziplinäre Expert*innengremien (beispielsweise hinsichtlich von Maßnahmen im Bildungsbereich) oder auch die Förderung von Qualitätsmedien. Neben diesen Bürger*innen-Vorschlägen wurden auch im wissenschaftlichen Teil der Studie wichtige Ergebnisse erarbeitet: Sie geben Rückschlüsse sowohl für die Medienpolitik als auch für den Bereich der Schule und Bildung oder beispielsweise hinsichtlich der Stärkung von wissenschaftlich fundierter Politikberatung.
Auf Basis dieser Ergebnisse ist die Bundesregierung gefordert, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten weitere Schritte zu setzen. Die Aufarbeitung der Corona-Pandemie wird langfristige Diskussionsprozesse, legislative Maßnahmen und Reformen im Bereich der Verwaltung brauchen und darf nicht mit der Präsentation einer Auftakt-Studie bereits wieder für beendet erklärt werden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Welche konkreten Schlüsse für Ihr Ressort und dessen nachgelagerte Dienststellen ziehen Sie aus den Ergebnissen der Studie „Nach Corona. Reflexionen für zukünftige Krisen“? Bitte um detaillierte Auflistung.
2. Welche konkreten Schritte im Bereich der Verwaltung planen Sie für Ihr Ressort und dessen nachgelagerte Dienststellen noch in dieser Legislaturperiode, um die Ergebnisse und Forderungen dieser Studie umzusetzen?
3. Welche konkreten Schritte im Bereich der Kommunikation planen Sie für Ihr Ressort und dessen nachgelagerte Dienststellen noch in dieser Legislaturperiode, um die Ergebnisse und Forderungen dieser Studie umzusetzen?
4. Welche konkreten legislativen Maßnahmen planen Sie für Ihr Ressort und dessen nachgelagerte Dienststellen noch in dieser Legislaturperiode, um die Ergebnisse und Forderungen dieser Studie umzusetzen?
5. Welche Stelle in Ihrem Ressort ist mit der Evaluierung der gegenständlichen Studienergebnisse und Erarbeitung möglicher Schlussfolgerungen daraus beauftragt?
6. Liegen Ihnen andere Evaluierungen, Studien etc. aus Ihrem Zuständigkeitsbereich vor, die für Sie Grundlage für weitere Reformen zum Ziel der Aufarbeitung der Corona-Pandemie und der Gewährleistung einer besseren Krisensicherheit in Zukunft sind?
a. Wenn ja, welche konkret?
7. Inwieweit hat Ihr Ressort an der Erstellung der gegenständlichen Studie mitgearbeitet, Daten geliefert etc.?