17702/J XXVII. GP

Eingelangt am 31.01.2024
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Thomas Spalt

an die Bundesministerin für EU und Verfassung

betreffend Vorarlberger Modell der direkten Demokratie: Wie lange bleibt die Bundesregierung noch säumig?

 

 

Die Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ), Mag. Gerald Loacker (NEOS), Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ), Kolleginnen und Kollegen haben am 20. November 2020 im Nationalrat einen Entschließungsantrag betreffend Rettung der direkten Demokratie in Vorarlberg eingebracht.[1]

 

Anlass für die Initiative der Opposition war die Aufhebung einzelner Bestimmungen im Vorarlberger Landes-Volksabstimmungsgesetz und im Vorarlberger Gemeindegesetz durch den Verfassungsgerichtshof. Dieser hatte nach einer Volksabstimmung in der Vorarlberger Gemeinde Ludesch geurteilt, dass es dem repräsentativ-demokratischen System widerspreche, wenn Bürger direktdemokratisch wie bisher über den Gemeinderat hinweg Gemeindeorgane zu Handlungen oder Unterlassungen verpflichten könnten.[2]

 

Um die Mitspracherechte der Bevölkerung in Gemeindeangelegenheiten zu sichern und dadurch die direkte Demokratie zu stärken, forderten die drei Oppositionsparteien die Bundesregierung auf einen Legislativvorschlag zu unterbreiten:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, welcher eine Rechtsgrundlage für die Durchführung von Volksabstimmungen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde auf Verlangen des Gemeindevolkes, wie im Vorarlberger Landes-Volksabstimmungsgesetz vorgesehen, schafft.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G). Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP), Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne), Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Länder-Dialog zu direkter Demokratie auf Gemeindeebene starten eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen wurde. Die Entschließung des Antrags lautete:

 

Die Bundesministerin für EU und Verfassung wird ersucht, betreffend die Absicherung und die Förderung direktdemokratischer Instrumente auf der Ebene der Gemeinden mit den Ländern, insbesondere den Landesverfassungsgesetzgebern, in den Dialog zu treten und zu ergründen, inwieweit Änderungen der bundesverfassungsgesetzlichen Rahmenbedingungen auf Grund regionaler Bedürfnisse angezeigt sind. Dem Verfassungsausschuss soll darüber berichtet werden.[3]

 

Im Gegensatz zur konkreten Forderung der Opposition wurde mehrheitlich ein „in den Dialog treten und zu ergründen“ beschlossen. Verbindlich auf ein Ergebnis gerichtet war der Antrag nur in einem Punkt: „Dem Verfassungsausschuss soll darüber berichtet werden.“ Seit dem Beschluss des Antrages als Minimalkompromiss der schwarz-grünen Regierungsmehrheit in der 131. Sitzung des Nationalrates am 19.11.2021 ist jedoch in der Sache kaum etwas geschehen.

 

Wie die Beantwortung[4] einer parlamentarischen Anfrage[5] betreffend Vorarlberger Modell der direkten Demokratie zeigt, haben die Länder inzwischen sogar selbst die Initiative ergriffen:

 

Vor diesem Hintergrund hat die Landeshauptleutekonferenz am 20. Mai 2022 das Institut für Föderalismus beauftragt, unter weiterer Einbindung der Wissenschaft die rechtlichen Möglichkeiten direktdemokratischer Elemente auf Gemeindeebene, ohne die Grenzen einer Gesamtänderung der Bundesverfassung zu überschreiten, zu prüfen. Ein Ergebnis dieser Prüfung liegt dem Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst noch nicht vor.

 

Auf die Frage „Welche konkreten Maßnahmen/Umsetzungen/Vorschläge planen Sie künftig in dieser Angelegenheit?“ heißt es noch unverbindlicher als in der ohnehin schon unverbindlichen Selbstverpflichtung:

 

Die weiteren Maßnahmen hängen wesentlich vom Ergebnis des noch in Gang befindlichen Prüfungsprozesses ab.

 

Da sich aus dem Dialog mit den Ländern laut Anfragebeantwortung bereits eindeutig ergibt, dass „in einzelnen Ländern der Wunsch nach einer Normierung direkt-demokratischer Instrumente im Landesrecht, wenngleich in jeweils unterschiedlichem Umfang“ besteht, steht einer Berichtsvorlage an den Nationalrat in Umsetzung der Entschließung zu 1153 dB. XXVII. GP nichts mehr entgegen.

 

Vor diesem Hintergrund wurde die Bundesministerin für EU und Verfassung aufgefordert die Ergebnisse des Dialogs mit den Ländern zu konsolidieren bis zum 19. März 2023 – dem Tag des Landespatrons von Vorarlberg und "Landesfeiertag" – mittels Berichts an den Nationalrat darzulegen, inwiefern es zur Umsetzung der diskutierten Szenarien eine (volksabstimmungspflichtige) Gesamtänderung der Bundesverfassung braucht. Der Bericht sollte dem Verfassungsausschuss– zugehen.[6]

 

In der Parlamentskorrespondenz anlässlich der Verhandlung über diesen Gegenstand ist folgendes festgehalten:

 

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler betonte, dass sich zunächst die Länder darüber einigen müssten, was ihr Begehren sei, bevor die Regierung weitere Schritte setze. Schließlich müsste man eine Volksabstimmung abhalten, wolle man direktdemokratische Elemente stärker in der Verfassung verankern.[7]

 

Die Bundesministerin als Teil der Bundesregierung ist aber nicht abhängig von einer wie auch immer definierten „Einigung“ auf Länderebene, die auch im Entschließungsantrag nicht genannt wird. Sie muss vielmehr die von einer parlamentarischen Mehrheit des Nationalrates getragene Entschließung umsetzten. Ob die Länder sich auf eine Position verständigen oder es verschiedene Standpunkte zu berücksichtigen gilt, ist für die Umsetzung der Mehrheitsentscheidung unerheblich.

 

 

Da bisher keine Umsetzung des Entschließungsantrages erfolgte, richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für EU und Verfassung nachstehende

 

Anfrage

 

  1. Wieso ist die Umsetzung des Entschließungsantrages bislang noch nicht erfolgt?
  2. Wie sieht der aktuelle Status der Umsetzung aus?
  3. Welche Stellungnahmen haben Sie bislang von den Ländern eingeholt? (Bitte nach Bundesland, Datum und konkreten Inhalt ausdifferenzieren.)
  4. Welche Schritte werden aktuell gesetzt bzw. sind derzeit geplant, um eine ehestmögliche Umsetzung sicherzustellen?
  5. Wann wird die Bundesministerin in Umsetzung des Entschließungsantrages dem Verfassungsausschuss Bericht erstatten?


[1] Antrag der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. Gerald Loacker, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rettung der direkten Demokratie in Vorarlberg (1080/A(E)), https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_01080/index.shtml.

[2] https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH_Erkenntnis_G_166_2020_vom_6._Oktober_2020.pdf

[3] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_01153/fnameorig_1009221.html, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_01153/fnameorig_1009222.html.

[4] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_12319/index.shtml

[5] Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für EU und Verfassung betreffend Vorarlberger Modell der direkten Demokratie (12628/J), https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_12628/index.shtml.

[6] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/3082

[7] https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2023/pk0193#XXVII_A_03082