17744/J XXVII. GP
Eingelangt am 31.01.2024
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ANFRAGE
des Abgeordneten Hermann Brückl, MA
an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung
betreffend Transparenzmangel bei Förderungen von Deutschkursen für Flüchtlinge
Das AMS sowie der ÖIF bieten Deutschkurse an, die sich im Besonderen auch an Flüchtlinge wenden. Flüchtlinge, die an diesen Deutschkursen teilnehmen, erhalten für die Teilnahme Geld in Form einer Förderung. Vorausgesetzt ist aber eine Mindestanwesenheitsquote i.H.v. 80 Prozent. Die Teilnahme wird durch die jeweilige Unterschrift bestätigt. Dies führt allerdings dazu, dass einige Flüchtlinge nur zum Unterschreiben erscheinen und danach wieder gehen, also nicht die ganze Kurseinheit zugegen sind. In Folge wird dann die Förderung ausgezahlt, ohne dass der Kurs im verlangten Ausmaß besucht worden ist
Weiters wird in diesen Kursen den Teilnehmern die Möglichkeit geboten, die Deutschlehrer mit Hilfe eines „Smiley Systems“ zu bewerten. Umgekehrt gibt es aber kein entsprechendes System für die Lehrer, um die Teilnehmer zu bewerten. Somit wird weder die Leistungen der Teilnehmer beurteilt noch ihre tatsächliche Anwesenheit transparent und überprüfbar erfasst.
Am 30. Dezember 2023 hat das Online-Medium „Exxpress“ folgenden Artikel veröffentlicht, aus welchen hervorgeht, dass zudem ein hoher Anteil an Analphabeten in diesen Kursen zu verzeichnen ist:[1]
Asylberechtigte: Zwei von drei starten Deutschkurse als Analphabeten
Der Österreichische Integrationsfonds hat im vergangenen Jahr 66.000 geförderte Deutschkursplätze vergeben. 44.000 Kursteilnehmer waren Analphabeten. Ihnen musste er erst einmal Lesen und Schreiben vermitteln. Heuer wurde 22.000 Asylwerbern Schutz gewährt – der dritthöchste Wert seit 2015.
Ein Großteil jener Asylberechtigten, die Deutschkurse besuchen, beherrscht nicht einmal die lateinische Schrift. Zwei Drittel der Teilnehmer an den Deutschkursen beginnen nämlich als Analphabeten, wie der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) berichtet. Mit anderen Worten: Zwei von drei Besuchern eines Deutschkurses müssen sich erst einmal lesen und schreiben lernen. Ein Drittel davon kann auch in seiner Erstsprache weder lesen noch schreiben. Der Rest beherrschte die lateinische Schrift nicht.
Viele Syrer und Afghanen, wenig Bildung
Darin spiegelt sich zum einen das niedrige Bildungsniveau zahlreiche Asylwerber wider, zum anderen der hohe Anteil an Syrern und Afghanen. Wer mit Arabisch oder Farsi als Muttersprache aufwächst, erlernt eine andere Schrift und nicht das lateinische Alphabet.
Der ÖIF bietet Deutschkurse für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte ab dem vollendeten 15. Lebensjahr an. Auch Asylwerber mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit können eine Förderung für einen Deutschkurs erhalten.
Viele positive Asylbescheide, hohe Nachfrage
Der ÖIF hat im abgelaufenen Jahr eine starke Nachfrage nach seinen Angeboten registriert. 60.000 Antritte bei Deutschprüfungen bis Ende November bedeuten einen Rekord und einen Anstieg um 17 Prozent.
In Summe hat der ÖIF 66.000 geförderte Deutschkursplätze vergeben. Die Zahl der Asyl- und Schutzgewährungen lag in Österreich mit 22.000 etwa 30 Prozent über jener des Vorjahres. 2023 war daher „geprägt von der hohen Zahl an Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten, die in Österreich Schutz erhielten“, unterstrich der ÖIF. Das sei der dritthöchste Wert seit 2015 und im EU-Vergleich der dritthöchste bei erstinstanzlichen Entscheidungen für 2023.
Der Integrationsfonds vermerkte in seiner Bilanz rund 265.000 Integrationsberatungen und 11.000 Personen, die an Werte- und Orientierungskursen teilnahmen.
Darüber hinaus sind die Bestimmungen betreffend Nachweispflichten und Vergütung der Förderungen aus der Förderrichtlinie des Österreichischen Integrationsfonds (Individualförderung Deutschkurse, Version 14 vom 01.07.2023) zu entnehmen:[2]
6. Auszahlung der Förderung und Nachweispflichten
Die dem Fördernehmer in der Förderzusage zugesprochene Fördersumme wird vom ÖIF bei Vorliegen aller in diesem Abschnitt angeführten Voraussetzungen – und vorbehaltlich etwaiger Abweichungen aufgrund nicht abgehaltener UE - nach Kursende (letzte Kurseinheit) direkt an das Kursinstitut überwiesen. Zwischen dem ÖIF und dem Kursinstitut besteht eine sogenannte Direktverrechnungsvereinbarung, welche die Abwicklung des Kostenersatzes regelt. Vorauszahlungen werden vom ÖIF nicht geleistet.
Die Überweisung der dem Fördernehmer gewährten Förderung an das Kursinstitut setzt voraus:
1. Erfüllung der Mindestanwesenheitsquote i.H.v. 80 % durch den Fördernehmer/die Fördernehmerin und
2. Rechnungslegung durch das Kursinstitut innerhalb von drei Monaten nach Kursende samt Anwesenheitsliste und Stundenplan
Das Kursinstitut hat dem ÖIF eine dem Umsatzsteuergesetz entsprechende Rechnung (ausgestellt auf „Österreichischer Integrationsfonds“ als Rechnungsempfänger) über die Kurskosten zu legen. Die Rechnungslegung hat spätestens drei Monate nach Kursende zu erfolgen, wobei die Rechnung am letzten Tag der Frist beim ÖIF eingegangen sein muss. Langt die Rechnung nicht fristgerecht beim ÖIF ein, verliert das Kursinstitut den Anspruch auf Bezahlung der Kurskosten durch den ÖIF. Der Rechnung sind folgende Unterlagen anzuhängen:
• Anwesenheitsliste(n): Die Anwesenheit im Kurs ist für jeden Kurstag mit eigenhändiger Unterschrift des Fördernehmers/der Fördernehmerin zu bestätigen und
• Stundenplan, aus dem hervorgeht, wie viele Unterrichtseinheiten an welchem Wochentag tatsächlich stattgefunden haben und wie viele Unterrichtseinheiten davon ggf. online abgehalten wurden. Für den Fall, dass weniger Unterrichtseinheiten abgehalten wurden als im Kostenvoranschlag angegeben, gilt, dass dem ÖIF jedenfalls nur die Kosten für die tatsächlich abgehaltenen Unterrichtseinheiten in Rechnung gestellt werden dürfen.
Die Rechnung samt den erforderlichen Unterlagen ist an folgende Adresse zu übermitteln:
Österreichischer Integrationsfonds
Team Einzelförderungen
Landstraßer Hauptstraße 26,
1030 Wien
Der Rechnungsbetrag, maximal jedoch die Fördersumme laut Förderzusage, wird auf das vom Kursinstitut bekannt gegebene Konto überwiesen. Eine Überweisung auf ein Konto außerhalb von Österreich ist nicht möglich. Ein etwaiger Differenzbetrag wird nicht vom ÖIF getragen, insbesondere übernimmt der ÖIF diesfalls keine Ausfallshaftung. Das Kursinstitut trägt – bis auf die in den obigen Bestimmungen angeführten Ausnahmen - das Kostenrisiko für den Fall, dass die Mindestanwesenheit i.H.v. 80% vom Fördernehmer/von der Fördernehmerin nicht erfüllt wurde bzw. seitens des Kursinstituts dem ÖIF nicht ordnungsgemäß nachgewiesen werden kann; das Kursinstitut hat diesfalls die Kosten des Kurses ggf. direkt beim Fördernehmer/bei der Fördernehmerin einzutreiben. Der ÖIF übernimmt in keinem Fall eine Ausfallshaftung für den Fördernehmer/die Fördernehmerin.
Eine Auszahlung der zugesagten Förderung direkt an den Fördernehmer/die Fördernehmerin ist ausgeschlossen.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung nachstehende
Anfrage
1. Wie viele Deutschkurse für Flüchtlinge werden mit derzeitigem Stand in Österreich von welchen Einrichtungen abgehalten?
2. Wie viele Flüchtlinge befinden sich mit derzeitigem Stand in einem dieser Deutschkurse?
3. Welche Daten liegen Ihrem Ministerium zur Anwesenheit von Flüchtlingen in diesen Deutschkursen vor?
4. Kann die Anwesenheit von Flüchtlingen in diesen Deutschkursen nachvollziehbar überprüft werden?
a. Wenn ja, in welchem Ausmaß werden diese Deutschkurse tatsächlich besucht?
b. Wenn nein, warum nicht?
5. Wie bewertet Ihr Ministerium die Problematik, dass Flüchtlinge offenbar nur zum Unterschreiben der Anwesenheitsliste erscheinen, ohne die gesamte Kurseinheit zu besuchen?
6. Gibt es zu diesem Sachverhalt bereits Beschwerden der Kursleiter?
a. Wenn ja, wie viele und mit welchem genauen Inhalt?
b. Wenn nein, welche anderen Zeugnisse liegen Ihrem Ministerium hinsichtlich dieser Praxis vor?
c. Wie bewerten Sie das?
7. Können Sie ausschließen, dass Fördergelder gezahlt werden, ohne dass eine Mindestanwesenheitsquote von 80 % tatsächlich erfüllt wird?
a. Wenn ja, warum?
b. Wenn nein, warum nicht?
8. Welche Maßnahmen plant Ihr Ministerium, um sicherzustellen, dass die Mindestanwesenheitsquote von 80 % tatsächlich erfüllt wird, bevor eine Förderung ausgezahlt wird?
9. Welche Informationen liegen Ihnen bezüglich der Bewertung der Lehrer durch ein "Smiley System" vor?
10. Welchen Zweck erfüllt dieses "Smiley System"?
11. Welche Konsequenzen drohen den Lehrern, wenn Sie anhand dieses "Smiley Systems“ eine schlechte Bewertung erhalten?
12. Wie sieht Ihr Ministerium die Ungleichheit im Bewertungssystem, bei dem Teilnehmern die Möglichkeit geboten wird, Lehrer durch ein "Smiley System" zu bewerten, während es kein entsprechendes System für die Lehrer gibt, um die Teilnehmer zu bewerten?
13. Warum gibt es kein entsprechendes System für die Lehrer, um die Teilnehmer zu bewerten?
14. Warum werden die Teilnehmer nicht bewertet?
15. Plant Ihr Ministerium die Einführung eines transparenten Bewertungssystems für Lehrer, um die Leistungen der Teilnehmer beurteilen zu können?
16. Welche Daten liegen Ihrem Ministerium über einen hohen Anteil von Analphabeten unter den Kursteilnehmern vor und wie bewerten Sie diese?
17. Inwiefern kann in den derzeit angebotenen Kursen ein angemessener Unterreicht für den hohen Anteil von Analphabeten unter den Kursteilnehmern stattfinden?
18. Sind die Kursleiter angemessen ausgebildet, um diesen hohen Anteil von Analphabeten unter den Kursteilnehmern zu unterrichten?
19. Welche zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen plant Ihr Ministerium, um die besonderen Anforderungen von Analphabeten in den Deutschkursen zu adressieren?
20. Wie sieht Ihr Ministerium die Wirksamkeit der derzeitigen Nachweispflichten und Vergütung der Förderungen gemäß der Förderrichtlinie des Österreichischen Integrationsfonds?
21. Plant Ihr Ministerium Änderungen oder Ergänzungen in den Richtlinien, um möglichen Missbrauch und Ineffizienzen zu verhindern?
22. Wie bewertet Ihr Ministerium den bisherigen Integrationserfolg der Deutschkurse für Flüchtlinge, im Besonderen unter dem Aspekt der Alphabetisierung?
23. Welche langfristigen Strategien verfolgt das Ministerium, um sicherzustellen, dass die Deutschkurse einen nachhaltigen Beitrag zur Integration der Teilnehmer leisten?