17790/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.02.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Psychische Versorgung der Österreicher:innen

Die Debatte über die psychische Versorgung der österreichischen Bevölkerung hält seit Jahren an und wurde durch die Pandemie massiv verschärft. Hohe Kosten für Privatpatient:innen, komplizierter Zugang zu Kassenversorgungsplätzen und lange Bearbeitungszeiten, bis mehr als zehn Therapieeinheiten von Kassen bezuschusst werden. Hintergrund ist oftmals die schwierige Debatte über einen Rahmenvertrag der Sozialversicherungsträger, der trotz dreißigjähriger Verhandlungen einfach nicht zustande kommt (1). Je nach Gesprächspartner:in ist die komplizierte Ausbildungssituation auf lange zurückliegende Systemfehler zurückzuführen. So wurde Anfang der 1990er das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz reformiert, um Psychotherapie auf Krankenschein zu ermöglichen und einen Anspruch dafür zu schaffen. Nach Jahren zeigte sich aber, dass dieser nicht so gehandhabt oder zumindest unterschiedlich interpretiert wurde (2). Der Bundesverband für Psychotherapie wiederholte damals erneut die Forderung nach einem Rahmenvertrag, der damalige Hauptverband verwies auf den Mangel an einheitlichen Qualifikationen bei Therapeut:innen. Obwohl die Debatte über die Ausbildung sich weiterentwickelte und bereits 2005 an der Sigmund-Freud-Universität der erste Studiengang zu Psychotherapie startete (3), soll die Akademisierung erst jetzt erfolgen (4). 

Die Pandemie und der resultierende gesellschaftliche Fokus auf psychische Gesundheit haben die öffentliche Debatte über psychische Versorgung massiv befeuert. Wer wie und unter welchen Umständen eine Versorgung bekommt und ob diese erstattungsfähig ist, wurde seit Jahren nicht mehr so intensiv diskutiert. Besonders der Fokus auf Kinder und Jugendliche war neu, mit "Gesund aus der Krise" konnte zumindest zwischenzeitlich ein Überbrückungssystem aufgestellt werden, das gute Ergebnisse erzielt (5). Für Erwachsene ändert sich am Angebot aber nichts und so ist davon auszugehen, dass psychische Erkrankungen weiterhin der häufigste Grund für Invaliditätspensionen bleiben (6).

Zwar anerkennt die ÖGK mittlerweile den Bedarf und die Anzahl Therapieplätze auf Kassenkosten wird ausgebaut, wie genau dieser Ausbau aussieht, ist allerdings unklar. So wird weiterhin auf Versorgungsvereine zurückgegriffen, damit ist allerdings beispielsweise die Anzahl der Therapeut:innen unbekannt (7). Wie genau Zielwerte wie 4.000 Psychotherapeut:innen, die "ausschließlich Kassentherapie anbieten" (8) erreicht werden können, ist ebenso unklar, immerhin wäre dann rund ein Drittel der Therapeut:innen exklusiv für die ÖGK tätig. Gemessen am weiterhin fehlenden Rahmenvertrag für die Leistungen ist es damit gut möglich, dass die bisherige Finanzierungs- und Versorgungslücke bestehen bleibt.

Durch 500 Studienplätze pro Jahr soll die Anzahl in Zukunft steigen, wie genau diese errechnet wurden, ist allerdings mehr als fraglich. Immerhin gehen Bedarfsplanungen der GÖG davon aus, dass pro Jahr rund 2.200 Ausbildungsplätze für den aktuellen Versorgungsgrad nötig wären (9). Ähnlich unklar ist auch, wie die Versorgung über die verschiedenen Berufsgruppen hinweg sicher gestellt werden kann. Immerhin wird diese durch die Aufnahme von gesundheitspsychologischer oder klinisch-diagnostischer Behandlung in das ASVG erweitert, da die Gruppe der Behandler:innen durch die hohe Überschneidung bei den Ausbildungen dadurch aber nicht einfach aufsummiert werden kann, ist unklar, welchen Effekt die Erweiterung haben wird. Auch, weil es nach wie vor keinen Rahmenvertrag für die Behandlungen gibt, ist unklar, welche Auswirkung die ASVG-Erweiterung auf den Versorgungsstand für Menschen mit psychischen Problemen haben wird. Nachdem aber auch unbekannt ist, wie sich der Ausbau in den vergangenen Jahren entwickelt hat, benötigt es in dieser Hinsicht mehr Transparenz.

  1. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_05309/index.shtml
  2. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/chronik/oesterreich/370121_Therapie-auf-Krankenschein-ist-Rechtsanspruch.html
  3. https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=1357&cHash=58e3b875ca50e79dbc5e1c032fd29df9
  4. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240111_OTS0032/psychotherapieausbildung-ab-2026-an-oeffentlichen-universitaeten
  5. https://gesundausderkrise.at/wp-content/uploads/0923_Abschlussbericht_Kurzversion.pdf
  6. https://www.wienerzeitung.at/h/die-psychischen-folgekosten-der-pandemie
  7. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/5445
  8. https://www.profil.at/oesterreich/was-2024-fuer-verbesserungen-in-der-psychischen-gesundheit-bringt/402714706
  9. https://jasmin.goeg.at/id/eprint/2898/1/Versorgungslage%20PT%202040_bf.pdf

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Für wie viele Personen haben die Krankenkassen die Kosten für diagnostische Verfahren bei Psycholog:innen in den vergangenen drei Jahren übernommen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Kasse, Monaten und Bezirken)
    1. Für wie viele Sitzungen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Kasse, Monaten und Bezirken)
    2. Wie viele Sitzungen wurden bei Vertragspsycholog:innen je Krankenkasse durchgeführt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Kasse, Monaten und Bezirken)
    3. Für wie viele Sitzungen wurde um Kostenerstattung je Krankenkasse angesucht? (Bitte um Aufschlüsselung nach Kasse, Monaten und Bezirken)
  1. Ist nachvollziehbar, wie viele dieser Personen anschließend eine Form von Psychotherapie oder psychiatrischer Behandlung erhalten haben?
    1. Falls ja: Wie viele?
    2. Falls nein: Wie kann sicher gestellt werden, dass diese Personen in Folge einer Diagnose eine Behandlung erhalten?
  1. Wie viele Vereine sind in Österreich mit der Bereitstellung von Psychotherapie als Sachleistung beauftragt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Kassen und Bezirken)
  2. Wie viele Psychotherapeut:innen sind im Rahmen von Versorgungsvereinen oder über andere Arbeitsverhältnisse exklusiv für Versicherungsträger tätig?
  3. Mit welchen Maßnahmen soll die Anzahl dieser Therapeut:innen erhöht werden?
  4. Wie viele Kassenplätze für Psychotherapie wurden in den vergangenen drei Jahren durch die Versicherungsträger zur Verfügung gestellt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Therapiesetting, Bundesland und Jahr)
  5. Wie viele Stunden Psychotherapie wurden über diese Kassenplätze ausfinanziert? (Bitte um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Bundesland, Jahr und Therapiesetting)
  6. Wie viele Patient:innen wurden in den vergangenen drei Jahren bei Vertragspartnern behandelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Verein, Versicherungsträger, Bundesland und Jahren ebenso für alle Unterfragen)
    1. Wie viele dieser Patient:innen waren bereits davor in Psychotherapeutischer Behandlung (für die Kosten erstattet wurden)?
    2. Wie lange dauerte es jeweils durchschnittlich, bis nach Antragstellung ein Behandlungsplatz zur Verfügung stand?
    3. Wie viele Sitzungen wurden bei Vertragseinrichtungen durchgeführt? 
  1. Wie viel wurde Versorgungsvereinen jeweils für die Bereitstellung von Psychotherapie durch die Versicherungsträger bezahlt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Verein, Versicherungsträger und Bundesland für die vergangenen drei Jahre)
  2. Wie vielen Patient:innen wurde in den vergangenen drei Jahren eine Kostenerstattung für Psychotherapie genehmigt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Bundesland und Jahre ebenso für alle Unterfragen)
    1. Für wie viele Sitzungen wurde um eine Kostenerstattung angesucht?
    2. Wie viele Patient:innen erhielten für bis zu zehn Therapieeinheiten einen Erstattungsbetrag?
    3. Wie viele Patient:innen erhielten für mehr als zehn Therapieeinheiten einen Erstattungsbetrag?
  1. Wie lange dauerte es durchschnittlich von Antragstellung bis zur Genehmigung eines Antrags auf Kostenerstattung für mehr als zehn Therapieeinheiten? (je Bundesland und Versicherungsträger) 
  2. Für wie viele Therapieeinheiten wurde durchschnittlich eine Kostenerstattung genehmigt? (je Bundesland und Versicherungsträger)
    1. Wie hoch waren die Rechnungsbeträge für die um Erstattung angesucht wurde?
    2. Wie hoch ist aktuell der Erstattungsbetrag der jeweiligen Versicherungsträger?
    3. Wie hoch waren die Kostenerstattungen für psychotherapeutische Behandlungen?
  1. Wie viele Patient:innen waren in den vergangenen drei Jahren bei Einrichtungen der Länder wie etwa dem Psychosozialen Dienst in psychotherapeutischer Behandlung, ohne dass es seitens eines Versicherungsträgers eine Kostenerstattung dafür gab? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahren)
    1. Wie viele Sitzungen wurden in Einrichtungen der Länder durchgeführt?
    2. Wie viele dieser Patient:innen waren bereits zuvor in psychotherapeutischer Behandlung, für die eine Kostenerstattung genehmigt worden war?
    3. Wie lange dauerte es durchschnittlich, bis Patient:innen einen Behandlungsplatz in Landeseinrichtungen erhalten?
  1. Wie viele Patient:innen wurden in den vergangenen drei Jahren in Krankenhäusern psychotherapeutisch behandelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahren)
    1. Wie viele Sitzungen wurden in Krankenhäusern durchgeführt?
    2. Wie viele dieser Patient:innen waren bereits zuvor in psychotherapeutischer Behandlung, für die eine Kostenerstattung genehmigt worden war?
    3. Wie lange dauerte es durchschnittlich, bis Patient:innen einen Behandlungsplatz in einem Krankenhaus erhielten?
  1. Wie viele Stunden Psychotherapie wären zur Abdeckung der Bedarfs in der Bevölkerung pro Jahr nötig?
  2. Wie viele dieser Stunden können aktuell durch Psychotherapeut:innen geleistet werden?
  3. Welche Bedarfsberechnung liegt den 500 Studienplätzen zugrunde?
  4. Mit wie vielen Absolvent:innen sowie Eintragungen in der Psychotherapeutenliste wird in den nächsten zehn Jahren gerechnet?
  5. Mit welchen Maßnahmen wollen die Versicherungsträger möglichst viele neu eingetragene Psychotherapeut:innen dazu bringen, im Rahmen einer "Kassentätigkeit" versorgungswirksam zu werden?
  6. Gibt es in Folge der Akademisierung neue Bestrebungen, einen Rahmenvertrag zur Finanzierung der Psychotherapie abzuschließen?
    1. Falls ja: Bis wann soll ein derartiger Vertrag abgeschlossen werden?
    2. Falls nein: Warum nicht?
    3. Falls nein: Auf welchem Wege soll stattdessen sichergestellt werden, das der eigenfinanzierte Anteil an Psychotherapie reduziert wird?
  1. Wie viele Psychotherapeut:innen haben ebenfalls eine Ausbildung in klinischer Psychologie?
  2. Welche Bedarfsberechnungen wurden der Aufnahme klinischer Psychologie in das ASVG zugrunde gelegt?
  3. Welche Patient:innenzahlen wurden dem initialen Budget für klinisch-psychologische Behandlung für die Jahre 2024 und 2025 zugrunde gelegt?
  4. Wie wird die klinisch-psychologische Behandlung über Versicherungsträger abgewickelt?
  5. Wie viele Kassenplätze für klinisch-psychologischen Behandlungen werden in den nächsten drei Jahren durch die Versicherungsträger zur Verfügung gestellt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Therapiesetting, Bundesland und Jahr)
  6. Wie viele Stunden klinisch-psychologische Behandlung werden über diese Kassenplätze ausfinanziert? (Bitte um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Bundesland, Jahr und Therapiesetting)
  7. Gibt es Verhandlungen zum Abschluss eines Rahmenvertrags für die klinisch-psychologische Behandlung durch die Versicherungsträger?
    1. Falls ja: Bis wann soll ein derartiger Vertrag abgeschlossen werden?
    2. Falls nein: Warum nicht?