Eingelangt am 07.02.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen
und Kollegen
an den Bundesminister für
Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Psychische Versorgung der
Österreicher:innen
Die Debatte über die
psychische Versorgung der österreichischen Bevölkerung hält seit
Jahren an und wurde durch die Pandemie massiv verschärft. Hohe Kosten
für Privatpatient:innen, komplizierter Zugang zu
Kassenversorgungsplätzen und lange Bearbeitungszeiten, bis mehr als zehn
Therapieeinheiten von Kassen bezuschusst werden. Hintergrund ist oftmals die
schwierige Debatte über einen Rahmenvertrag der
Sozialversicherungsträger, der trotz dreißigjähriger
Verhandlungen einfach nicht zustande kommt (1). Je nach
Gesprächspartner:in ist die komplizierte Ausbildungssituation auf lange
zurückliegende Systemfehler zurückzuführen. So wurde Anfang der
1990er das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz reformiert, um Psychotherapie
auf Krankenschein zu ermöglichen und einen Anspruch dafür zu
schaffen. Nach Jahren zeigte sich aber, dass dieser nicht so gehandhabt oder
zumindest unterschiedlich interpretiert wurde (2). Der Bundesverband für
Psychotherapie wiederholte damals erneut die Forderung nach einem
Rahmenvertrag, der damalige Hauptverband verwies auf den Mangel an
einheitlichen Qualifikationen bei Therapeut:innen. Obwohl die Debatte über
die Ausbildung sich weiterentwickelte und bereits 2005 an der
Sigmund-Freud-Universität der erste Studiengang zu Psychotherapie startete
(3), soll die Akademisierung erst jetzt erfolgen (4).
Die Pandemie und der
resultierende gesellschaftliche Fokus auf psychische Gesundheit haben die
öffentliche Debatte über psychische Versorgung massiv befeuert. Wer
wie und unter welchen Umständen eine Versorgung bekommt und ob diese
erstattungsfähig ist, wurde seit Jahren nicht mehr so intensiv diskutiert.
Besonders der Fokus auf Kinder und Jugendliche war neu, mit "Gesund aus
der Krise" konnte zumindest zwischenzeitlich ein
Überbrückungssystem aufgestellt werden, das gute Ergebnisse erzielt
(5). Für Erwachsene ändert sich am Angebot aber nichts und so ist
davon auszugehen, dass psychische Erkrankungen weiterhin der häufigste
Grund für Invaliditätspensionen bleiben (6).
Zwar anerkennt die
ÖGK mittlerweile den Bedarf und die Anzahl Therapieplätze auf
Kassenkosten wird ausgebaut, wie genau dieser Ausbau aussieht, ist allerdings
unklar. So wird weiterhin auf Versorgungsvereine zurückgegriffen, damit
ist allerdings beispielsweise die Anzahl der Therapeut:innen unbekannt (7). Wie
genau Zielwerte wie 4.000 Psychotherapeut:innen, die "ausschließlich
Kassentherapie anbieten" (8) erreicht werden können, ist ebenso
unklar, immerhin wäre dann rund ein Drittel der Therapeut:innen exklusiv
für die ÖGK tätig. Gemessen am weiterhin fehlenden Rahmenvertrag
für die Leistungen ist es damit gut möglich, dass die bisherige
Finanzierungs- und Versorgungslücke bestehen bleibt.
Durch 500
Studienplätze pro Jahr soll die Anzahl in Zukunft steigen, wie genau diese
errechnet wurden, ist allerdings mehr als fraglich. Immerhin gehen
Bedarfsplanungen der GÖG davon aus, dass pro Jahr rund 2.200 Ausbildungsplätze
für den aktuellen Versorgungsgrad nötig wären (9). Ähnlich
unklar ist auch, wie die Versorgung über die verschiedenen Berufsgruppen
hinweg sicher gestellt werden kann. Immerhin wird diese durch die Aufnahme von
gesundheitspsychologischer oder klinisch-diagnostischer Behandlung in das ASVG
erweitert, da die Gruppe der Behandler:innen durch die hohe Überschneidung
bei den Ausbildungen dadurch aber nicht einfach aufsummiert werden kann, ist
unklar, welchen Effekt die Erweiterung haben wird. Auch, weil es nach wie vor
keinen Rahmenvertrag für die Behandlungen gibt, ist unklar, welche
Auswirkung die ASVG-Erweiterung auf den Versorgungsstand für Menschen mit
psychischen Problemen haben wird. Nachdem aber auch unbekannt ist, wie sich der
Ausbau in den vergangenen Jahren entwickelt hat, benötigt es in dieser
Hinsicht mehr Transparenz.
- https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_05309/index.shtml
- https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/chronik/oesterreich/370121_Therapie-auf-Krankenschein-ist-Rechtsanspruch.html
- https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=1357&cHash=58e3b875ca50e79dbc5e1c032fd29df9
- https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240111_OTS0032/psychotherapieausbildung-ab-2026-an-oeffentlichen-universitaeten
- https://gesundausderkrise.at/wp-content/uploads/0923_Abschlussbericht_Kurzversion.pdf
- https://www.wienerzeitung.at/h/die-psychischen-folgekosten-der-pandemie
- https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/5445
- https://www.profil.at/oesterreich/was-2024-fuer-verbesserungen-in-der-psychischen-gesundheit-bringt/402714706
- https://jasmin.goeg.at/id/eprint/2898/1/Versorgungslage%20PT%202040_bf.pdf
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Für wie viele Personen haben die
Krankenkassen die Kosten für diagnostische Verfahren bei
Psycholog:innen in den vergangenen drei Jahren übernommen? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Kasse, Monaten und Bezirken)
- Für wie viele Sitzungen? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Kasse, Monaten und Bezirken)
- Wie viele Sitzungen wurden bei
Vertragspsycholog:innen je Krankenkasse durchgeführt? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Kasse, Monaten und Bezirken)
- Für wie viele Sitzungen wurde um
Kostenerstattung je Krankenkasse angesucht? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Kasse, Monaten und Bezirken)
- Ist nachvollziehbar, wie viele dieser
Personen anschließend eine Form von Psychotherapie oder
psychiatrischer Behandlung erhalten haben?
- Falls ja: Wie viele?
- Falls nein: Wie kann sicher gestellt
werden, dass diese Personen in Folge einer Diagnose eine Behandlung
erhalten?
- Wie viele Vereine sind in Österreich
mit der Bereitstellung von Psychotherapie als Sachleistung beauftragt?
(Bitte um Aufschlüsselung nach Kassen und Bezirken)
- Wie viele Psychotherapeut:innen sind im
Rahmen von Versorgungsvereinen oder über andere
Arbeitsverhältnisse exklusiv für Versicherungsträger
tätig?
- Mit welchen Maßnahmen soll die Anzahl
dieser Therapeut:innen erhöht werden?
- Wie viele Kassenplätze für
Psychotherapie wurden in den vergangenen drei Jahren durch die
Versicherungsträger zur Verfügung gestellt? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Therapiesetting,
Bundesland und Jahr)
- Wie viele Stunden Psychotherapie wurden
über diese Kassenplätze ausfinanziert? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Bundesland, Jahr und
Therapiesetting)
- Wie viele Patient:innen wurden in den
vergangenen drei Jahren bei Vertragspartnern behandelt? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Verein, Versicherungsträger, Bundesland und
Jahren ebenso für alle Unterfragen)
- Wie viele dieser Patient:innen waren
bereits davor in Psychotherapeutischer Behandlung (für die Kosten
erstattet wurden)?
- Wie lange dauerte es jeweils
durchschnittlich, bis nach Antragstellung ein Behandlungsplatz zur
Verfügung stand?
- Wie viele Sitzungen wurden bei Vertragseinrichtungen
durchgeführt?
- Wie viel wurde Versorgungsvereinen jeweils
für die Bereitstellung von Psychotherapie durch die
Versicherungsträger bezahlt? (Bitte um Aufschlüsselung nach
Verein, Versicherungsträger und Bundesland für die vergangenen
drei Jahre)
- Wie vielen Patient:innen wurde in den
vergangenen drei Jahren eine Kostenerstattung für Psychotherapie
genehmigt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger,
Bundesland und Jahre ebenso für alle Unterfragen)
- Für wie viele Sitzungen wurde um eine
Kostenerstattung angesucht?
- Wie viele Patient:innen erhielten für
bis zu zehn Therapieeinheiten einen Erstattungsbetrag?
- Wie viele Patient:innen erhielten für
mehr als zehn Therapieeinheiten einen Erstattungsbetrag?
- Wie lange dauerte es durchschnittlich von
Antragstellung bis zur Genehmigung eines Antrags auf Kostenerstattung
für mehr als zehn Therapieeinheiten? (je Bundesland und
Versicherungsträger)
- Für wie viele Therapieeinheiten wurde
durchschnittlich eine Kostenerstattung genehmigt? (je Bundesland und
Versicherungsträger)
- Wie hoch waren die Rechnungsbeträge
für die um Erstattung angesucht wurde?
- Wie hoch ist aktuell der Erstattungsbetrag
der jeweiligen Versicherungsträger?
- Wie hoch waren die Kostenerstattungen
für psychotherapeutische Behandlungen?
- Wie viele Patient:innen waren in den
vergangenen drei Jahren bei Einrichtungen der Länder wie etwa dem
Psychosozialen Dienst in psychotherapeutischer Behandlung, ohne dass es
seitens eines Versicherungsträgers eine Kostenerstattung dafür gab?
(Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahren)
- Wie viele Sitzungen wurden in Einrichtungen
der Länder durchgeführt?
- Wie viele dieser Patient:innen waren
bereits zuvor in psychotherapeutischer Behandlung, für die eine
Kostenerstattung genehmigt worden war?
- Wie lange dauerte es durchschnittlich, bis
Patient:innen einen Behandlungsplatz in Landeseinrichtungen erhalten?
- Wie viele Patient:innen wurden in den
vergangenen drei Jahren in Krankenhäusern psychotherapeutisch
behandelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahren)
- Wie viele Sitzungen wurden in
Krankenhäusern durchgeführt?
- Wie viele dieser Patient:innen waren
bereits zuvor in psychotherapeutischer Behandlung, für die eine
Kostenerstattung genehmigt worden war?
- Wie lange dauerte es durchschnittlich, bis
Patient:innen einen Behandlungsplatz in einem Krankenhaus erhielten?
- Wie viele Stunden Psychotherapie wären
zur Abdeckung der Bedarfs in der Bevölkerung pro Jahr nötig?
- Wie viele dieser Stunden können aktuell
durch Psychotherapeut:innen geleistet werden?
- Welche Bedarfsberechnung liegt den 500
Studienplätzen zugrunde?
- Mit wie vielen Absolvent:innen sowie
Eintragungen in der Psychotherapeutenliste wird in den nächsten zehn
Jahren gerechnet?
- Mit welchen Maßnahmen wollen die
Versicherungsträger möglichst viele neu eingetragene
Psychotherapeut:innen dazu bringen, im Rahmen einer
"Kassentätigkeit" versorgungswirksam zu werden?
- Gibt es in Folge der Akademisierung neue
Bestrebungen, einen Rahmenvertrag zur Finanzierung der Psychotherapie
abzuschließen?
- Falls ja: Bis wann soll ein derartiger
Vertrag abgeschlossen werden?
- Falls nein: Warum nicht?
- Falls nein: Auf welchem Wege soll
stattdessen sichergestellt werden, das der eigenfinanzierte Anteil an
Psychotherapie reduziert wird?
- Wie viele Psychotherapeut:innen haben ebenfalls
eine Ausbildung in klinischer Psychologie?
- Welche Bedarfsberechnungen wurden der
Aufnahme klinischer Psychologie in das ASVG zugrunde gelegt?
- Welche Patient:innenzahlen wurden dem
initialen Budget für klinisch-psychologische Behandlung für die
Jahre 2024 und 2025 zugrunde gelegt?
- Wie wird die klinisch-psychologische
Behandlung über Versicherungsträger abgewickelt?
- Wie viele Kassenplätze für
klinisch-psychologischen Behandlungen werden in den nächsten drei
Jahren durch die Versicherungsträger zur Verfügung gestellt?
(Bitte um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger,
Therapiesetting, Bundesland und Jahr)
- Wie viele Stunden klinisch-psychologische
Behandlung werden über diese Kassenplätze ausfinanziert? (Bitte
um Aufschlüsselung nach Versicherungsträger, Bundesland, Jahr
und Therapiesetting)
- Gibt es Verhandlungen zum Abschluss eines
Rahmenvertrags für die klinisch-psychologische Behandlung durch die
Versicherungsträger?
- Falls ja: Bis wann soll ein derartiger
Vertrag abgeschlossen werden?
- Falls nein: Warum nicht?