17803/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.02.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Unterstützung der gemeinnützigen und kostenlosen Lebensmittelweitergabe

 

Im Juni 2023 hat das Parlament das Lebenshaltungs- und Wohnkosten-Ausgleichs-Gesetz (LWA-G)) geändert. Die Einbringung in Form eines Initiativantrags von Abgeordneten der Mehrheitsparteien umgeht die Begutachtung und schaltet die rechtzeitige Auseinandersetzung von Experten mit der Materie aus.

Gemäß § 3c des somit novellierten LWA-G zielen die Gesetzesänderungen auf eine gemeinnützige Lebensmittelweitergabe an "vulnerable Haushalte" ab. Insgesamt stellt der Bund 10 Millionen Euro zur Verfügung. 2 Millionen sollen in den Aufbau einer digitalen Drehscheibe zur Weitergabe von Lebensmittelspenden fließen. 8 Millionen Euro sind für organisatorische und strukturelle Maßnahmen im Bereich der Lebensmittelweitergabe vorgesehen.

Anspruchsvoraussetzung für den Erhalt der Budgetmittel gemäß § 3c LWA-G ist, dass Förderempfänger "gemeinnützig und kostenlos" agieren. Sozialmärkte, die sehr niedrige symbolische Preise für ihre angebotenen Lebensmittel einheben, arbeiten zwar gemeinnützig, aber eben nicht kostenlos, und sind damit von diesem Förderprogramm ausgeschlossen. Es zeigt sich alledings, dass eine messerscharfe Trennung zwischen gemeinnützigen Sozialmärkten und kostenlosen "Tafeln" oftmals nicht möglich ist. Vielfach betreiben gemeinnützige Organisationen gleichzeitig sowohl Sozialmärkte mit Waren zu symbolisch niedrigen Preisen als auch Tafeln mit kostenloser Lebensmittelabgabe. Für beide Tätigkeitszweige greifen diese gemeinnützigen Organisationen auf dieselben Waren zurück. Wenn nach der Gesetzesbestimmung der "Ankauf von Lebensmitteln" gefördert wird, ist allerdings nicht abgrenzbar, ob die via Förderung gekauften Lebensmittel verbilligt über den Sozialmarkt oder kostenlos über die Tafel derselben Organisation abgegeben worden sind.

Das führt dazu, dass manche der gemeinnützigen Organisationen iSd Gesetzes förderbar sind und andere nicht, obwohl beide Organisationstypen dieselbe Zielgruppe, nämlich von Armut betroffene Menschen, haben. Wenn nun vorrangig Tafelstrukturen mit kostenloser Lebensmittelweitergabe von der Förderung profitieren, ist fraglich, wie viele "vulnerable Haushalte" man damit überhaupt erreicht. So versorgt „Die Tafel Österreich“ z.B. gemäß Angaben auf deren Webseite Institutionen wie Mutter-Kind-Heime, Frauenhäuser, etc. und keine privaten Personen. Personen, welche bei keiner dieser sozialen Einrichtungen um Hilfe ansuchen, werden folglich bei der Förderung nicht berücksichtigt.

Zum einen empfinden es armutsbetroffene Personen u.U. als würdevoller, einen kleinen symbolischen Preis für ihre Lebensmittel zu bezahlen als gar nichts. Zum anderen wird nur eine Minderheit von armutsbetroffenen Personen im Versorgungsbereich von Tafeln erreicht, eine große Mehrheit von Sozialmärkten. Der Gesetzgeber hat hier bei der Umsetzung des Ministerratsbeschlusses 58/15 aus 2023 eine unsachliche Differenzierung getroffen.

Die gegenständliche Gesetzesänderung dient laut Antragsbegründung zu 3427/A der Umsetzung des Ministerratsbeschlusses 58/15 aus 2023. Dort wurde beschlossen:

Das Gesetz dient also der "Armutsbekämpfung". Verfassungsrechtlich fällt es daher in den Kompetenzbereich "Armenwesen" nach Art 12 B-VG. Der Bund hätte daher nur ein Grundsatzgesetz beschließen können, zu dem die Länder Ausführungsgesetze beschließen und das die Länder auch vollziehen.

Außerdem sei angemerkt, dass der Herr BMSGPK in den Anfragebeantwortungen 12513/AB und 12651/AB betont: "Die Förderung von Sozialmärkten liegt grundsätzlich in Landesverantwortung". Eine diesbezügliche Förderung von Sozialmärkten entspräche nicht den Vorgaben der Allgemeinen Rahmenrichtlinien des Bundes, da die Wirkung von Sozialmärkten regional begrenzt sei und es sich außerdem um keine Pilotprojekte handle, führt der BMSGPK in den zitierten AB weiter aus. Aber auch „Die Tafel Österreich“ ist regional begrenzt und kein Pilotprojekt. Auch sie blickt auf eine lange Geschichte zurück. An den verfassungsrechtlichen Bestimmungen und an den Rahmenrichtlinien des Bundes für Förderungen, auf die sich der Herr BMSGPK in den genannten AB bezieht, hat sich seither nichts geändert.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Fällt dieses Gesetz, dessen Ziel laut Ministerrat ausdrücklich "Armutsbekämpfung" ist, unter den Art 12 B-VG, "Armenwesen"?
    1. Wenn nein, auf welchen verfassungsrechtlichen Kompetenztatbestand stützt sich Ihre Vollziehung des § 3c LWA-G und mit welcher Begründung?
    2. Wenn ja, sind Sie überhaupt für die Vollziehung dieses Gesetzes zuständig?
  1. Welche Veränderungen der Rechtslage haben dazu geführt, dass Sie heute auf Basis einer anderen Rechtsauffassung in einer Rechtsmaterie selbst vollziehend tätig sind, die Sie im Zeitpunkt der Anfragebeantwortungen 12513/AB und 12651/AB noch der Landesverantwortung zugeordnet haben?
  2. Haben Sie dieses Gesetz dem Verfassungsdienst zur Überprüfung vorgelegt, ob dem BSMGPK überhaupt die Kompetenz für die Richtlinienerlassung und Vollziehung zukommt oder ob die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung in Form einer Ausführungsgesetzgebung und Vollziehungskompetenz der Länder besteht?
    1. Wenn nein, wie haben Sie diese Kompetenzfrage geprüft?
  1. Gibt es bereits eine Richtlinie für die praktische Umsetzung zu § 3c LWA-G?
    1. Wenn ja, seit wann gibt es die Richtlinie?
    2. Wenn ja, wann und wo ist sie für Interessierte und Betroffene einsehbar?
    3. Wenn ja, wer hat die Richtlinie erlassen?
    4. Wenn ja, was sind die relevanten Auszahlungskriterien?
    5. Wenn nein, wann wird die Richtlinie in Kraft treten und was werden die relevanten Auszahlungskriterien sein?
  1. Welche Summe der genannten EUR 10 Millionen gemäß § 3c LWA-G wurde anhand welcher Kriterien bereits ausgezahlt? (bitte um Auflistung der Summe und der einzelnen Förderempfänger inkl. Förderbeträge)
  2. Wie viel davon ist für eine "digitale Drehscheibe" zur Lebensmittelweitergabe ausgeschüttet worden?
  3. Wie viele Organisationen nutzen diese "digitale Drehscheibe" und wie funktioniert sie? (Bitte um Auflistung)
  4. Wie viel davon ist für "organisatorische und strukturelle Maßnahmen" im Bereich der Lebensmittelweitergabe ausgeschüttet worden?
  5. Welche Organisationen haben unter diesem Titel Gelder bezogen und für welche konkreten Maßnahmen?
  6. Aus welcher Budgetposition werden die Millionen für Maßnahmen nach § 3c LWA-G finanziert?
  7. Müssen die Fördernehmer dem Wortlaut entsprechend gemeinnützig UND kostenlos arbeiten oder genügt es, dem Sinn des Gesetzes gemäß gemeinnützig ODER kostenlos zu arbeiten?
  8. Wie stellen Sie sicher, dass Fördergelder ausschließlich an gemeinnützige und kostenlose Märkte fließen und diese nicht von Organisationen bezogen werden, die sowohl gemeinnützige Sozialmärkte als auch kostenlose Tafeln betreiben, zwischen denen eine Trennung nicht abbildbar ist?
  9. Welches Ziel der Armutsbekämpfung verfolgen Sie durch die Einschränkung der Förderung auf Organisationen, die gemeinnützig UND kostenlos arbeiten?
  10. Warum ist die Förderung, welche mit § 3c LWA-G einhergeht, nun gesetzlich möglich, wenn gemäß den Anfragebeantwortungen 12513/AB und 12651/AB Förderungen dieser Art eigentlich nicht den Vorgaben der Allgemeinen Rahmenrichtlinien des Bundes entsprechen, weil die Wirkung von Sozialmärkten (und Tafeln??) regional begrenzt ist und es sich außerdem um keine Pilotprojekte handelt?