17859/J XXVII. GP

Eingelangt am 16.02.2024
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Staatsbürgerschaft: Abklärung des Bekenntnisses zu demokratischen Grundwerten 

 

Wer die österreichische Staatsbürgerschaft beantragt, muss neben der Erfüllung von Voraussetzungen wie einen idR zehnjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, ausreichende Deutschkenntnisse, einen gesicherten Lebensunterhalt sowie Unbescholtenheit vorweisen. Weiters ist beim Erwerb der Staatsbürgerschaft das "Gesamtverhalten des Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration zu berücksichtigen". Hierzu zählt auch das Bekenntnis zu "den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft" (§ 11 StBG).

Aus diesem Grund wohl hat bei der zu absolvierenden Staatsbürgerschaftsprüfung (§ 10a StBG1) ein Prüfungsgebiet zu sein: "Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien" (§ 2 Abs 1 Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung – StbP-V) .2,3 Die gesamte Prüfung besteht nur aus 18 Multiple-Choice-Fragen, jeweils sechs zu jedem Prüfungsgebiet (§ 3 Abs 1 StbP-V). 

Wirft man einen Blick in die offiziellen Lernunterlagen, verdeutlicht sich, dass die Staatsbürgerschaftsprüfung von überschaubarer Sinnhaftigkeit ist. Den Beispielfragen der Lernunterlagen des Bundes kann man z.B. entnehmen, dass "Unterösterreich" kein Bundesland und das Rote Kreuz eine Nichtregierungsorganisation ist. Überraschend wenige Fragen decken das Prüfungsgebiet zu Demokratie und deren Grundprinzipien ab. Fragen zu Sexismus, Antisemitismus oder Homophobie sind in der Liste an Beispielsfragen überhaupt nicht beinhaltet.3 

Die Fragen, die von den Bundesländern vorgegeben werden, verwundern ebenso. In den Lernunterlagen Wiens finden sich beispielsweise Fragen wie "Was ist gemeint, wenn man vom „Roten Wien“ spricht?" oder "Wie heißt der Teil des Praters, der ein Vergnügungspark ist?" - aber keine grundsätzlichen Fragen zu Werteinstellungen.4 In Niederösterreich ist wiederum wichtig zu wissen, wer die Semmeringbahn plante und erbaute und wie der höchste Berg heißt.5 Auch dort fehlen Fragen zu Werten in den Unterlagen.6 

Es stellt sich daher die Frage, wie überhaupt das Gesamtverhalten und die Einstellung der Antragsteller:innen bis und beim Staatsbürgerschaftstest abgeklärt werden. 

Bemerkenswert ist, dass die ÖVP Niederösterreich vor wenigen Wochen eine "Null-Toleranz"-Initiative angekündigt und strengere Regeln für den Erhalt der Staatsbürgerschaft gefordert hat. So führte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner aus, dass es sich um einen "Wendepunkt" handle sowie: "Gegengesellschaften dürfen wir als Gemeinschaft in unserem Land nicht tolerieren - wir müssen sie zur Verteidigung unserer Werte viel mehr sanktionieren." So solle es nach der ÖVP NÖ unter anderem Änderungen im Staatsbürgerschaftsrecht geben, bspw. eine Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft bei nationalsozialistischer Wiederbetätigung.

Die ÖVP NÖ und die Landeshauptfrau haben anscheinend vergessen, dass die ÖVP seit mehr als 20 Jahren fast durchgehend die/den Innenminister:in stellt und die Landeshauptfrau selbst das Amt inne hatte. Es mutet weiters auch absurd an, gegen Antisemitismus einzutreten und gleichzeitig mit der FPÖ in Niederösterreich zu koalieren.

 

  1. Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10005579)
  2. Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung – StbP-V (https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20004685)
  3. https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/staatsbuergerschaft/1/Seite.260421.html
  4. https://www.staatsbuergerschaft.gv.at/fileadmin/user_upload/Broschuere/RZ_BMI_StaBuBro_Gesamt-Buch_2022.pdf
  5. https://www.wien.gv.at/verwaltung/staatsbuergerschaft/ahs-info/pdf/landesgeschichte-wien-neu.pdf
  6. https://www.noe.gv.at/noe/Persoenliche-Ausweise-Dokumente/Version_Druckvorlage_Juni_2021.pdf

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Inwiefern wird durch welche vom wem wann gesetzte Vorgabe bzw. Maßnahme aus Ihrem Resort gewährleistet, dass beim Erwerb der Staatsbürgerschaft das "Gesamtverhalten des Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration" (inkl. Bekenntnis zu den Grundwerten eines europäischen, demokratischen Staates) berücksichtigt wird? 
  2. Inwiefern wird durch welche vom wem wann gesetzte Vorgabe bzw. Maßnahme aus Ihrem Resort gewährleistet, dass das Prüfungsgebiet "Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien" bei der Staatsbürgerschaftsprüfung ausreichend Beachtung findet? 
  3. Wie hoch ist bei der Staatsbürgerschaftsprüfung der Prozentsatz an Fragen, die sich auf österreichische und europäische Grundwerte beziehen, insb. zu
    1. Demokratie? 
    2. Menschenrechten? 
    3. Sexismus, Rassismus, Homophobie, Antisemitismus? 
  1. Aus welchen Gründen werden bei der Staatsbürgerschaftsprüfung nicht mehr Fragen gestellt, die sich auf österreichische und europäische Grundwerte beziehen? 
  2. Wer bzw. welche Stelle ist innerhalb Ihres Ressorts für die Zusammenstellung der Fragen zuständig? 
    1. Wann wurden die Fragen zum letzten Mal aktualisiert bzw. revidiert? 
  1. Wird die Aufteilung der Fragen mit den Bundesländern akkordiert, um zu gewährleisten, dass alle Prüfungsgebiete VO-konform ausreichend Beachtung finden? 
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, warum nicht? 
    3. Gibt es einen regelmäßigen Austausch? 
    4. Wären die Bundesländer grundsätzlich bemächtigt, zusätzliche Fragen zu österreichischen und europäischen Grundwerten zu stellen? 

                                          i.    Wie sind diesbezüglich die Zuständigkeiten aufgeteilt? Welche Inhalte werden jeweils vom Bund, welche von den Ländern vorgegeben?  

  1. Gibt es Bestrebungen, die Prüfung der Kenntnisse bzw. des Bekenntnisses zu österreichischen und europäischen Grundwerten im Staatsbürgerschaftstest zu individualisieren, z.B. durch die Einführung einer mündlichen Prüfung, die Durchführung eines persönlichen Gesprächs, usw.? 
    1. Wenn ja, inwiefern? 

                                          i.    Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort diesbezüglich in dieser Legislaturperiode noch setzen? 

    1. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Gibt es Bestrebungen, die Prüfung der österreichischen und europäischen Grundwerte im Staatsbürgerschaftstest auszuweiten bzw. zu ergänzen? 
    1. Wenn ja, inwiefern? Um welche Inhalte? 

                                          i.    Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort diesbezüglich in dieser Legislaturperiode noch setzen? 

    1. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Gibt es Bestrebungen, die gesetzlichen Regelungen des Staatsbürgerschaftstests (§§ 10 Abs 1 Z 2 iVm Abs 5 und 6) insoweit abzuändern,  als dass zusätzlich das Bekenntnis zu den Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung geprüft wird? 
    1. Wenn ja, inwiefern? 

                                          i.    Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort diesbezüglich in dieser Legislaturperiode noch setzen? 

    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. Gibt es Bestrebungen, sonstige Regelungen im Staatsbürgerschaftsgesetz und/oder in der Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung abzuändern?
    1. Wenn ja, inwiefern? Um welche Inhalte? 

                                          i.    Welche Maßnahmen wird Ihr Ressort diesbezüglich in dieser Legislaturperiode noch setzen?