17868/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.02.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Übergang vom Kindergarten in die Schule

 

Bildung ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben und für faire Chancen für jedes Kind. Der Übergang vom Kindergarten in die Volksschule ist eine wichtige Phase in der Bildungslaufbahn. Während im Kindergarten grundlegende Kompetenzen im Bereich der Wahrnehmung (z.B. visuelle und auditive Fähigkeiten), der Beweglichkeit und Geschicklichkeit (Grob- und Feinmotorik), der Sprache, der Merkfähigkeit, der Selbstorganisation sowie der Rücksichtnahme und Kooperationsfähigkeit in der Gemeinschaft im Vordergrund stehen, ist in der Volksschule das Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen im Mittelpunkt. 

Ein wesentlicher Aspekt für einen gelingenden Übergang von der Kindergarten- zur Schulpädagogik ist das Zusammenwirken der Elementarpädagog:innen und der Lehrer:innen. Die Informationsweitergabe über das einzelne Kind hat Vor- und Nachteile: Einerseits kann sie für die pädagogische Arbeit in der ersten Schulstufe hilfreich sein, andererseits kann es auch im Sinne des Kindes sein, wenn sich die Lehrperson unvoreingenommen ein eigenes Bild vom Kind macht. Unstrittig ist aber, dass das gegenseitiges Verständnis der pädagogischen Arbeitsweisen und Prinzipien der Elementar- und Primarpädagogik hilfreich ist, um die Entwicklung des Kindes gut zu begleiten. Außerdem soll eine aktive Zusammenarbeit der beiden Institutionen - etwa durch gegenseitige Besuche - ermöglichen, dass Kindergartenkinder die Schule frühzeitig und schrittweise kennen lernen. 

In der Übergangsphase vom Kindergarten in die Volksschule müssen Kinder und ihre Eltern Verfahrensschritte wie Schuleinschreibung, Schulreifefeststellung (z.B. mittels Schuleingangsscreening) und MIKA-D Test absolvieren, die immer wieder in der Kritik stehen. Die Schulpflicht bzw. deren Sinnhaftigkeit ist weitgehend unumstritten. Weniger konsensual ist das Konzept der "Schulreife". Manche Wissenschaftler:innen wollen es durch den Begriff der Schulfähigkeit ersetzt sehen (im Sinne von erworbenen Fähigkeiten statt biologischer Reifung), andere sehen beide Begriffe als überholt an und würden eine gemeinsame, individualisierte Förderung für alle schulpflichtigen Kinder bevorzugen, anstatt sie in "schulreife" und "nicht schulreife" Kinder zu kategorisieren bzw. stigmatisieren.  

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Verpflichtendes letztes Kindergartenjahr:
    1. Wieviel Prozent der Kinder nahmen in den letzten 5 Jahren am "verpflichtenden letzten Kindergartenjahr" teil? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern.

                                          i.    In wieviel Prozent der Fälle war das Kind zwar im Kindergarten eingeschrieben, erfüllte aber nicht die vorgegebene Mindestanwesenheitszeit? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern.

    1. Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um die Eltern von "nicht teilnehmenden" Kindern zur Einhaltung der Teilnahmepflicht zu bewegen?

                                          i.    Welche Konsequenzen gab es im Falle einer Weigerung?

  1. Übergang vom Kindergarten in die Volksschule:
    1. Wie wurden und werden die Bildungsziele und Bildungsinhalte im Kindergarten und in der Volksschule aufeinander abgestimmt? 
    2. Wie wird die pädagogische Zusammenarbeit und Abstimmung von Elementarpädagog:innen und Volksschullehrer:innen seitens des BMBWF gefördert?

                                          i.    Welche gemeinsamen Fortbildungsangebote gibt es und von wie vielen Personen wurden diese im letzten Studienjahr genutzt? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Berufsgruppe (Elementarpädagog:innen/Volksschullehrer:innen)

                                        ii.    Gibt es verpflichtende gemeinsame Aus-, Fort- oder Weiterbildungsmodule für Elementarpädagog:innen und Volksschullehrer:innen? Wenn ja, welche?

    1. Welche Unterstützungsmaßnahmen sind für Kinder und Eltern/Erziehungsberechtigte vorgesehen, um den Übergang zu erleichtern?
  1. Schulreife:
    1. Wie ist das Durchschnittsalter der Kinder zum Zeitpunkt der Schulreifefeststellung?
    2. Nach welchen Kriterien und durch welche Verfahren wird die Schulreife eines Kindes festgestellt?

                                          i.    In wieviel Prozent der Schulen wird das Instrument "Schuleingangsscreening" dafür herangezogen? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und nach Papierform vs. elektronischer Form. 

    1. Wie wird sichergestellt, dass die Verfahren zur Schulreifefeststellung ganzheitlich und kindzentriert gestaltet sind?

                                          i.    Ist derzeit vorgesehen oder zukünftig geplant, dass in die Beurteilung der Schulreife nicht nur eine punktuelle Testung - deren Ergebnisse in diesem Alter leicht durch Faktoren wie Ablenkung und Schüchternheit verzerrt sein können - sondern auch eine längerfristige Beobachtung im gewohnten Umfeld einbezogenen wird? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht?

                                        ii.    Werden die pädagogischen Fachkräfte aus dem Kindergarten in den Prozess der Schulreifefeststellung einbezogen? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht?

    1. Wieviel Prozent der Kinder wurden in den letzten 10 Jahren jeweils als "schulreif" bzw. "nicht schulreif" bewertet? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Nennung des Gesamtwerts für Österreich.
    2. Gibt es Überlegungen seitens des BMBWF, von der Trennung der schulpflichtigen Kinder in "schulreife" und "nicht schulreife" Kinder abzugehen und stattdessen eine gemeinsame erste Schulstufe zu schaffen, in der jene Kinder individuelle, zusätzliche Förderung erhalten, die in einzelnen (oder allen) Aspekten der Schulfähigkeit noch Aufholbedarf haben?

                                          i.    Wenn ja, welche?

                                        ii.    Wenn nein, wieso nicht?

  1. Vorschule:
    1. Wie viele "nicht schulreife" Kinder wurden in den letzten 10 Jahren jeweils in eigenen Vorschulklassen unterrichtet? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Nennung des Gesamtwerts für Österreich, jeweils in absoluten Zahlen und in Prozent.

                                          i.    Ab welcher Anzahl an "nicht schulreifen" Kindern ist eine eigene Vorschulklasse einzurichten?

    1. Wie viele "nicht schulreife" Kinder wurden in den letzten 10 Jahren jeweils in den regulären ersten Klassen, jedoch nach Vorschullehrplan, unterrichtet? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und Nennung des Gesamtwerts für Österreich, jeweils in absoluten Zahlen und in Prozent.

                                          i.    Wie viele dieser Kinder konnten im Laufe des ersten Schuljahres in den Lehrplan der 1. Klasse wechseln und den Schulbesuch im Folgejahr in der 2. Klasse fortsetzen?

    1. Wie viele Schüler:innen kommen in den Vorschulklassen durchschnittlich auf eine Lehrperson?
    2. Haben Lehrpersonen, die in der Vorschulklasse zum Einsatz kommen, dafür spezifische Aus- oder Fortbildungsmodule zu absolvieren? Wenn ja, in welchem Ausmaß?
    3. Gibt es Pläne für Änderungen im Vorschullehrplan oder bei anderen pädagogischen Rahmenbedingungen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Entwicklungsständen der Kinder noch besser gerecht zu werden?
    4. Gibt es Pläne oder Überlegungen, das in der Vorschulklasse verbrachte Schuljahr nicht mehr für auf die Erfüllung der Schulpflicht anzurechnen, damit es seltener vorkommt, dass die 9. Schulstufe (z.B. das Polytechnikum zur Vorbereitung auf eine Lehre) oder - im Fall einer Klassenwiederholung - sogar die 8. Schulstufe nicht von der Schulpflicht erfasst ist?
  1. Schuleinschreibung:
    1. Wie werden Eltern/Erziehungsberechtigte im Prozess der Schuleinschreibung unterstützt und informiert?
    2. Wieviel Prozent der Kinder konnten in den letzten 10 Jahren jeweils an der Wunschschule angenommen werden und wieviel Prozent mussten auf eine andere Schule ausweichen? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern. 
    3. Welche Vereinfachungs- oder Automatisierungsmaßnahmen wurden in den letzten Jahren umgesetzt oder sind aktuell in Vorbereitung, um den Verwaltungsaufwand im Zuge der Schuleinschreibung für Schulen und Eltern/Erziehungsberechtigte möglichst gering zu halten?
  1. Übergabeblatt
    1. Gibt es für das Übergabeblatt, das vom Kindergarten auszufüllen und in die Schule mitzubringen ist, ein bundesweit einheitliches Formular?
    2. Welche Erfahrungen wurden seit der 2019 erfolgten Einführung des verpflichtenden Übergabeblatts mit dieser Maßnahme gesammelt?

                                          i.    Was hat sich bewährt?

                                        ii.    Was hat sich weniger bewährt und wurde verändert oder soll noch verändert werden?

  1. An welchen Institutionen wird in Österreich zum Übergang vom Kindergarten in die Vorschule geforscht?
    1. Was tut das BMBWF, um den Transfer der Erkenntnisse aus der Forschung in die pädagogische Praxis sicherzustellen?