17912/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.02.2024
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend: „Zahngesundheit nach Amalgam-Verbot leistbar machen“

 

Zahngesundheit wird für immer mehr Menschen in Österreich zunehmend zu einer Frage des Einkommens. Gerade angesichts der enormen Teuerung der letzten Jahre und der fehlenden Maßnahmen zur Entlastung großer Bevölkerungsteile stehen viele Menschen vor der Frage, ob sie sich notwendige zahnmedizinische Behandlungen überhaupt noch leisten können. Verschlimmert wird dieser Umstand insbesondere durch den akuten Mangel an Zahnärzt*innen, gerade in ländlichen Regionen: Wie parlamentarische Anfragen zeigen, bleiben immer mehr Kassenstellen unbesetzt. So waren im Oktober 2023 mindestens 171 Kassenstellen in ganz Österreich unbesetzt – zum Vergleich waren es im Oktober 2020 „nur“ 105.

 

Besonders deutlich wird die zahnmedizinische Krise allerdings angesichts der Teil-Refundierungen privater zahnmedizinischer Leistungen. Im Jahr 2022 erhielten mehr als 880.000 Patient*innen Rückzahlungen für Wahlarzt-Leistungen im Bereich der Zahnmedizin. Dass nichtsdestotrotz hohe Geldbeträge für derartige Behandlungen aufgewandt werden müssen, wird angesichts der Tatsache deutlich, dass durch solche Teil-Refundierungen mehr als 120 Millionen Euro zurückerstattet wurden – die tatsächlich eingereichten Kosten waren jedoch 2,5 Mal höher und zahlreiche Patient*innen bleiben auf enorm hohen Rechnungen sitzen.

 

Vor diesem Hintergrund wirft das im Juli 2023 beschlossene EU-weite Verbot von quecksilberhaltigen Amalgam-Zahnfüllungen akute Fragen zur Zukunft der zahnmedizinischen Versorgung in Österreich auf: Ab 2025 können amalgamhaltige Zahnfüllungen nur mehr in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen. Begründet wird diese umfassende Maßnahme nicht nur mit den Gefahren der Herstellung dieses Stoffes für Natur und Umwelt, sondern insbesondere mit den hohen gesundheitlichen Risiken von Amalgam – besonders das hohe Krebsrisiko durch quecksilberhaltige Füllungen stellt für Patient*innen ein enormes Risiko dar. In Österreich sind es jedoch genau diese Füllungen, die im Seitenzahnbereich von den Krankenkassen vollständig übernommen werden. Weiße Kunststoff-Füllungen werden bisher nur im Bereich der Vorderzähne übernommen. Viele Menschen hatten daher bisher gar keine andere finanzielle Möglichkeit, als auf Amalgam-Füllungen zurückzugreifen. Die Tageszeitung Kurier zitiert dahingehend den Leiter der Universitätszahnklinik Wien, Andreas Moritz: „‚Amalgam ist eine Füllung, die heute kaum mehr jemand möchte.‘ Tatsache sei aber auch, ‚dass diese Füllung komplett von der Krankenkasse bezahlt wird und für Menschen, die sich einen hohen Selbstbehalt nicht leisten können, daher alternativlos ist‘. Die Frage sei, ‚was nach dem Verbot stattdessen kommt‘.“[1]

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

Anfrage:

 

1.    Bei wie vielen Patient*innen wurden in den Jahren 2014-2023 Amalgamfüllungen durch die Krankenkasse verrechnet? Erbeten wird eine Auflistung nach Jahren.

2.    Wie viele Refundierungsanträge von wie vielen Patient*innen für weiße Kunststoff-Füllungen bzw. solche aus Keramik, Kunststoff etc. im Seitenzahnbereich wurden in den Jahren 2014-2023 bei den Krankenkassen eingereicht und welche Höhe hatten die eingereichten Rechnungen insgesamt? Erbeten wird eine Auflistung nach Jahren.

3.    Welche Höhe an Refundierungen wurden in den Jahren 2014-2023 für weiße Kunststoff-Füllungen bzw. solche aus Keramik, Kunststoff etc. im Seitenzahnbereich tatsächlich ausbezahlt? Erbeten wird eine Auflistung nach Jahren.

4.    Welche konkreten Schritte setzt Ihr Ressort, um zusammen mit den Sozialversicherungsträgern auch nach Inkrafttreten des Amalgam-Verbots Optionen für Zahnfüllungen für alle Patient*innen zu garantieren, deren Kosten vollständig von den Krankenkassen übernommen werden?

a.    Welche Art von Zahnfüllungen, die vollkommen von den Sozialversicherungsträgern übernommen werden, sollen in Zukunft Amalgam-Füllungen im Leistungskatalog ersetzen?

5.    Ist angesichts des hohen Gesundheitsrisikos eine Änderung des Leistungskatalogs zur Übernahme anderer Zahnfüllungen schon vor Inkraftreten des Amalgam-Verbots im Jahr 2025 geplant?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum wird davon angesichts des hohen Gesundheitsrisikos abgesehen?

6.    Werden zukünftig Austausch-Behandlungen von Amalgam-Füllungen hin zu anderen, unbedenklicheren Füllmaterialien von den Sozialversicherungsträgern bezahlt werden?

7.    Wird es angesichts des EU-weiten Verbots amalgamhaltiger Zahnfüllungen ab 2025 seitens Ihres Ressorts Gesundheitsfolgenabschätzungen, Studien etc. zu den Auswirkungen bereits existierender Amalgam-Füllungen geben?

a.    Wenn ja, mit welchen konkreten Zielsetzungen sollen derartige Erhebungen in welchem Zeitraum und von welcher Stelle durchgeführt werden?

b.    Wenn nein, warum sehen Sie dazu angesichts der hohen gesundheitlichen Risiken von Amalgam-Zahnfüllungen keine Notwendigkeit?

c.    Sind insbesondere auch Studien zu gesundheitlichen Risiken für die behandelnden Zahnärzt*innen, die in der Vergangenheit zahlreiche Amalgam-Füllungen eingesetzt haben, geplant?

8.    Gibt es seitens Ihres Ressorts angesichts des EU-weiten Verbots von amalgamhaltigen Zahnfüllungen ab 2025 konkrete Vorbereitungen/ Konzepte/Vorschläge, um zu einer generellen Erweiterung des zahnmedizinischen Leistungskatalogs der Sozialversicherungsträger beizutragen, um damit mehr Menschen unabhängig vom Einkommen den Zugang zu umfassenden zahnmedizinischen Leistungen zu ermöglichen?

a.    Wenn ja, welche konkreten Vorbereitungen/Konzepte/Vorschläge wurden dahingehend bereits erarbeitet?

b.    Gab es dahingehend bereits Verhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern?

c.    Wenn nein, warum sehen Sie dazu angesichts der akuten Krise zahnmedizinischer Versorgung keine Notwendigkeit?

9.    Werden noch in dieser Legislaturperiode seitens Ihres Ressorts zusätzliche Finanzmittel zur Erweiterung der zahnmedizinischen Versorgung mit dem Ziel einer umfassenden Absicherung aller Patient*innen unabhängig vom Einkommen zur Verfügung gestellt werden?

a.    Wenn ja, welche Finanzmittel sollen wann und zu welchen konkreten Zwecken zur Verfügung gestellt werden?

b.    Wenn nein, warum sehen Sie dazu angesichts der akuten Krise zahnmedizinischer Versorgung keine Notwendigkeit?



[1] https://kurier.at/wissen/gesundheit/amalgam-verbot-eu-quecksilber-zahnfuellungen-mund-zahnmedizin-krankenkasse-gesundheit/402776284 (27.2.2024).