18079/J XXVII. GP

Eingelangt am 01.03.2024
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesregierung

betreffend Folgeanfrage Aberkennung von Ehrenzeichen der Republik wegen NS-Betätigung

 

Nachdem wir seit 2018 mehrere parlamentarische Anfragen1 und auch einen Initiativantrag2 betreffend (posthume) Aberkennung von an NS-Tätern verliehenen Ehrenzeichen der Republik eingebracht haben, hat sich die Regierung dem Thema angenommen und das Ehrenzeichengesetz (EhrenzeichenG)3 geändert; die Änderung trat am 1.1.2024 in Kraft. Dadurch wurde geregelt, unter welchen Voraussetzungen welches Ehrenzeichen verliehen bzw. welche bereits verliehene Auszeichnung widerrufen bzw. aberkannt werden kann.

Mögliche Ehrenzeichen nach dem Ehrenzeichengesetz sind das

 

Widerruf

§ 21 Abs 1: Wird die bzw. der nach diesem Bundesgesetz Ausgezeichnete durch ein inländisches Gericht

rechtskräftig verurteilt, gilt das Ehrenzeichen von Gesetzes wegen als widerrufen.

Jenes Organ, welches die Verleihung der jeweiligen Auszeichnung vorzuschlagen hat, ist zur Überprüfung des Eintritts eines Widerrufs gemäß § 21 Abs. 1 berechtigt, die in § 2 Abs. 1 Z 1 bis 6 Strafregistergesetz 1968 genannten personenbezogenen Daten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Strafregistergesetz 1968 aus dem Strafregister abzufragen und schriftlich dokumentiert zu verarbeiten. "Nach Widerruf eines Ehrenzeichens ist die bzw. der Ausgezeichnete von jenem Organ, welches das Ehrenzeichen verliehen hat, schriftlich aufzufordern, die Dekoration und das Beurkundungsdekret innerhalb angemessener Frist an die Präsidentschaftskanzlei bzw. das Bundeskanzleramt (§ 19) zurückzustellen" (§ 22 Abs 2 EhrenzeichenG).

Aberkennung: Weiters ist das Ehrenzeichen gem § 21 Abs 2 Z 1 iVm § 23 EhrenzeichenG abzuerkennen, wenn wer durch ein ausländisches Gericht, das die Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention oder vergleichbare Grundsätze beachtet, wegen strafbarer Handlungen, die auch in Österreich gerichtlich strafbar wären, im Sinne des Abs. 1 rechtskräftig verurteilt wurde.

Auch ist das Ehrenzeichen gem § 21 Abs 2 Z 2 iVm § 23 EhrenzeichenG abzuerkennen, wenn diese Person "eine führende Rolle in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), der Schutzstaffel (SS), der Sturmabteilung (SA), dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK), dem Nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK), dem Nationalsozialistischen Soldatenring, dem Nationalsozialistischen Offiziersbund, der deutschen Wehrmacht, in sonstigen Gliederungen der NSDAP, ihr angeschlossenen Verbänden, anderen nationalsozialistischen Organisationen oder in der Verwaltung des nationalsozialistischen Regimes innehatte und sich aktiv an den Planungen oder der Ausführung von nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligte".

Aberkennungen werden grundsätzlich vom Bundespräsidenten auf Vorschlag jenes Organs getätigt, welches nach dem Gesetz jeweils für die Zuerkennung zuständig ist (nur die Aberkennung des Bundes-Ehrenzeichens erfolgt durch das sachlich zuständige Mitglied der Bundesregierung- § 23 EhrenzeichenG).

Das zuständige Organ ist zur Prüfung der Voraussetzungen gemäß § 23 Abs. 2 jenes Organ berechtigt, welches nach diesem Bundesgesetz die Verleihung der jeweiligen Auszeichnung vorzuschlagen hat, die in § 2 Abs. 1 Z 1 bis 6 Strafregistergesetz 1968 genannten personenbezogenen Daten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Strafregistergesetz 1968 aus dem Strafregister abzufragen und schriftlich dokumentiert zu verarbeiten. Bei Bundes-Ehrenzeichen kommt diese Befugnis dem jeweils sachlich zuständigen Mitglied der Bundesregierung zu (§ 23 Abs 1 und 2 EhrenzeichenG). 

Werden dem zuständigen Organ Tatsachen bekannt, die das Vorliegen von Aberkennungsvoraussetzungen vermuten lassen, hat dieses nach Vornahme einer ersten Prüfung der Schlüssigkeit der vorliegenden Informationen

1. die bzw. den Ausgezeichneten tunlichst von der laufenden Prüfung der Aberkennung schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihr bzw. ihm die Möglichkeit einzuräumen, innerhalb angemessener Frist hierzu Stellung zu nehmen,
2. in den Fällen des § 21 Abs. 2 Z 1 eine Stellungnahme der bzw. des für europäische und internationale Angelegenheiten zuständigen Bundesministerin bzw. Bundesministers, und
3. in den Fällen des § 21 Abs. 2 Z 2 eine Empfehlung des Ehrenzeichenbeirats (§ 24) einzuholen (§ 23 Abs 3 EhrenzeichenG). 


Nach Aberkennung eines Ehrenzeichens ist die bzw. der Ausgezeichnete von dem für die Aberkennung zuständigen Organ schriftlich aufzufordern, die Dekoration und das Beurkundungsdekret innerhalb angemessener Frist an die Präsidentschaftskanzlei bzw. das Bundeskanzleramt (§19) zurückzustellen (§ 23 Abs 4 EhrenzeichenG).  Ist die bzw. der Ausgezeichnete bereits verstorben, hat das für die Aberkennung zuständige Organ das Vorliegen der Aberkennungsvoraussetzung unter Berücksichtigung der Empfehlung des Ehrenzeichenbeirates (§ 24) festzustellen und auf geeignete Weise zu veröffentlichen (§ 23 Abs 5 EhrenzeichenG). 

Der Ehrenzeichenbeirat ist beim Bundeskanzleramt angesiedelt. Seine 7 Mitglieder werden vom Bundeskanzler, vier Minister:innen und dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) bestellt. 

§26 EhrenzeichenG legt fest, wer für die Vollziehung des Gesetzes zuständig ist:

Wichtig ist, dass es nun zur Umsetzung der neuen Gesetzesbestimmungen kommt. Dies bringt im Hinblick auf die historische Verantwortung Österreichs auch ein wichtiges politische Zeichen mit sich.

 

1) Anfrage betreffend Aberkennung von Ehrenzeichen der Republik wegen NS-Betätigung (781/J): https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVI/J/781?selectedStage=100

    Folgeanfrage Aberkennung von Ehrenzeichen der Republik wegen NS-Betätigung (14097/)): https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/14097

2) Initiativantrag: https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/76

3) EhrenzeichenG:  https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/I/2197

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Inwiefern wurde die Umsetzung der o.g. neuen Bestimmungen des Ehrenzeichengesetzes im Ministerrat besprochen?
  2. Wer in welchem Ressort führt(e) eine Liste der nach dem EhrenzeichenG verliehenen
    1. Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich zur Anerkennung hervorragender Leistungen für die Allgemeinheit und herausragender Dienste für die Republik Österreich
    2. Bundes-Ehrenzeichen zur Anerkennung besonderer Verdienste um die Republik Österreich oder besonderer Verdienste um die Allgemeinheit, die durch ehrenamtliche, unentgeltliche Leistungen im Rahmen von Freiwilligen-Organisationen und Freiwilligen-Initiativen auf Gebieten erbracht werden, die Bundessache gemäß Artikel10 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung sind
    3. Österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst an Personen des In- und Auslandes, die sich durch besonders außergewöhnliche schöpferische Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft oder der Kunst allgemeine Anerkennung und einen hervorragenden Ruf erworben haben? 
  1. Ist daher lückenlos dokumentiert, welche Personen diese drei Ehrenzeichen seit der ersten Vergabe erhielten?
  2. Wer erhielt also nach dem EhrenzeichenG verliehenen
    1. Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich zur Anerkennung hervorragender Leistungen für die Allgemeinheit und herausragender Dienste für die Republik Österreich
    2. Bundes-Ehrenzeichen zur Anerkennung besonderer Verdienste um die Republik Österreich oder besonderer Verdienste um die Allgemeinheit, die durch ehrenamtliche, unentgeltliche Leistungen im Rahmen von Freiwilligen-Organisationen und Freiwilligen-Initiativen auf Gebieten erbracht werden, die Bundessache gemäß Artikel10 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung sind, bzw. 
    3. Österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst an Personen des In- und Auslandes, die sich durch besonders außergewöhnliche schöpferische Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft oder der Kunst allgemeine Anerkennung und einen hervorragenden Ruf erworben haben? Bitte um Übermittlung der vorhandenen Informationen- wenn möglich in chronologischer Auflistung der Verleihung. Bitte um vollständige Auflistung von Namen und Datum bzw. zumindest Jahr der Verleihung.
  1. Inwiefern sind die gegenwärtigen Informationen zu verliehenen Ehrenzeichen unvollständig?
  2. Inwiefern wurde von wem wann diese Defizite, durch welche wann durch wen gesetzte Maßnahme behoben?
  3. Wie viele Ehrenzeichen gelten aus jeweils welchem gem. § 21 Abs 1 vorgesehenen Grund bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung als widerrufen? Bitte um Auflistung nach Person und Widerrufsgrund.
  4. Inwiefern wurde bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung ein gem. § 21 Abs 1 iVm § 22 EhrenzeichenG als widerrufen geltendes Ehrenzeichen die bzw. der Ausgezeichnete von jenem Organ, welches das Ehrenzeichen verliehen hat, schriftlich aufgefordert, die Dekoration und das Beurkundungsdekret innerhalb angemessener Frist an die Präsidentschaftskanzlei bzw. das Bundeskanzleramt zurückzustellen?
    1. Zu wie vielen schriftlichen Aufforderungen zur Zurückstellung der Dekoration und des Beurkundungsdekrets nach § 22 Abs 2 EhrenzeichenG ist es gekommen?

                                          i.    In wie vielen Fällen wurde dem entsprochen?

                                        ii.    In wie vielen Fällen nicht? 

  1. Inwiefern wurde durch wen seit der letzten Gesetzesänderung überprüft, ob ausgezeichneten Personen das Ehrenzeichen
    1. gem. § 21 Abs 2 Z 1 iVm § 23 EhrenzeichenG
    2.  gem. § 21 Abs 2 Z 2 iVm § 23 EhrenzeichenG aberkannt werden kann?
  1. Bei den an welche Personen vergebenen Ehrenzeichen welcher Art (Frage 4 a, b oder c) wurde wann so durch wen vorgegangen? 
  2. Kommt es zu einer Mitteilung der rechtskräftigen Verurteilung nach § 21 Abs 1 Z 1 EhrenzeichenG durch das jeweilige Gericht bzw. durch das BMJ oder zur Mitteilung durch das BMI, nachdem die rechtskräftige Verurteilung im Strafregisterauskunft aufscheint?
    1. Wenn nein, warum nicht?
    2. Wenn nein, inwiefern holte wer diese notwendige Information wann für die Prüfung von möglichen Aberkennungen gem. § 21 Abs 1 EhrenzeichenG ein? 

                                          i.    Mit welchem wann vorliegenden Ergebnis? 

  1. Kommt es bei Kenntnis einer rechtskräftigen Verurteilung im Ausland zu einer Weiterleitung an die Bundesregierung durch die österreichischen Vertretungsbehörden?
    1. Wenn ja, wie sieht dann die weitere Vorgehensweise aus? 
    2. Wenn nein, inwiefern holte wer diese notwendige Information wann für die Prüfung von möglichen Aberkennungen gem. § 21 Abs 1 Z 1 EhrenzeichenG ein? 

                                          i.    Mit welchem wann vorliegenden Ergebnis? 

  1. Inwiefern wird die Bundesregierung von sich aus tätig bei der Prüfung von Aberkennungen nach § 23 EhrenzeichenG?
  2. Bzgl. welcher ausgezeichneten Personen wurden der Bundesregierung als zuständiges Organ jeweils wann Tatsachen bekannt, die das Vorliegen von Aberkennungsvoraussetzungen vermuten lassen?
  3. Inwiefern wurde wer dieser Ausgezeichneten von der laufenden Prüfung der Aberkennung schriftlich in Kenntnis gesetzt und ihr bzw. ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb angemessener Frist hierzu Stellung zu nehmen?
  4. In den Fällen welcher gem. § 21 Abs. 2 Z 1 ausgezeichneten Personen kam es wann zu einer Stellungnahme der bzw. des für europäische und internationale Angelegenheiten zuständigen Bundesministerin bzw. Bundesministers?
  5. In den Fällen welcher gem. § 21 Abs. 2 ausgezeichneten Personen kam es wann zu einer Aberkennung eines Ehrenzeichens?
  6. In den Fällen welcher gem. § 21 Abs. 2 ausgezeichneten Personen kam es wann zu einer schriftlichen Aufforderung, die Dekoration und das Beurkundungsdekret innerhalb angemessener Frist an das Bundeskanzleramt zurückzustellen?
  7. In den Fällen welcher gem. § 21 Abs. 2 Z 2 ausgezeichneten Personen wurde eine Empfehlung des Ehrenzeichenbeirats eingeholt?
  8. In den Fällen welcher gem. § 21 Abs. 2 ausgezeichneten Personen wurde aufgrund des Ablebens durch das für die Aberkennung zuständige Organ das Vorliegen der Aberkennungsvoraussetzung unter Berücksichtigung der Empfehlung des Ehrenzeichenbeirates festgestellt und auf geeignete Weise veröffentlicht? 
  9. Wie sah bzw. sieht die genaue Arbeitsweise bei der Aberkennung von Ehrenzeichen von führenden Nationalsozialisten gem. § 21 Abs 1 Z 2 aus? 
  10. Wird die Bundesregierung nur tätig, wenn sie gem. § 23 Abs 3 EhrenzeichenG von Tatsachen erfährt, die die Aberkennungsvoraussetzungen vermuten lassen?
    1. Wenn ja, inwiefern durch welche Hinweise von wem wann im Fall welcher beehrten Person?
    2. Wenn nein, inwiefern wurde sie proaktiv tätig? 
    3. Inwiefern ist die Vorgehensweise, neben § 23 Abs 5 EhrenzeichenG, bei bereits Verstorbenen anders als bei noch lebenden Beehrten?
  1. Inwiefern wurde wann zur Identifikation potentiell einschlägiger Personen die Expertise welcher Organisationen wie z.B. des DÖW bzw. welcher Expert:innen herangezogen?
  2. Mit welchem wann vorliegenden Ergebnis? 
  3. Wurde hinsichtlich Hans Globke, Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze, die Aberkennungsvoraussetzung hinsichtlich des Ehrenzeichens der Republik Österreich festgestellt?
    1. Wenn nein, warum nicht?
    2. Wenn nein, für wann ist dies geplant?
    3. Wenn ja, bitte um Beschreibung der Chronologie des Vorgehens.
    4. Wie viele andere Fälle nach § 21 Abs 2 Z 2 EhrenzeichenG lagen und liegen bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung zur Prüfung vor?
  1. Wer sind die Mitglieder und Ersatzmitglieder im Ehrenzeichenbeirat?
  2. Vom wem wurden die Mitglieder bestellt? 
  3. Wurden bereits Verordnungen gem. § 27 Abs 2 EhrenzeichenG kundgemacht?
    1. Wenn ja, mit welchem Inhalt?