18083/J XXVII. GP
Eingelangt am 04.03.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Abwicklung der Community Nurses
Die Pflegereform, der EU-Aufbau- und Resilienzplan sowie der Finanzausgleich haben alle Änderungen im Bereich der Pflege gebracht und sollen im Idealfall positive Auswirkungen auf die Versorgung und die Anzahl der gesunden Lebensjahre der österreichischen Bevölkerung haben. Wie genau diese Ziele erreicht werden sollen, ist in einigen Bereichen jedoch nach wie vor ungeklärt, was die Reform teilweise in Frage stellt. So sind beispielsweise Community Nurses im internationalen Vergleich eine wichtige Personalgruppe im Gesundheits- und Sozialwesen, um niederschwellige Versorgung anzubieten und stellen damit einen Kernpunkt in den Konzepten "ambulant vor stationär" und "daheim altern" dar.
Selbst die aktuelle Reform hat für Community Nurses aber nur die Finanzierung umgestellt, das Berufsbild steckt nach wie vor in den Kinderschuhen und erste Einblicke weisen darauf hin, dass die Entwicklung hin zu einem vollwertig ausgebauten Bereich der Pflege auch noch einiges an Zeit in Anspruch nehmen könnte. Da halbgare Umsetzungen aber oft rasch zu Gewohnheitsrecht werden und nachfolgende Umstellungen auf vollwertige Berufsbilder blockieren können, muss rechtzeitig darauf geachtet werden, wie diese Pilotprojekte sich entwickeln.
So werden in einigen Pilotprojekten überwiegend beratende und unterstützende Aufgaben von den Community Nurses durchgeführt (1). Oder wie das BMSGPK es definiert, sind Community Nurses "diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, die als zentrale Ansprechpersonen für Fragen zu Pflege und Gesundheit fungieren, Menschen und Leistungserbringer:innen vernetzen, diverse Dienstleistungen sowie Therapien koordinieren und eine zentrale Rolle im Präventionsbereich spielen. Dafür sind sie wohnortnah – beispielsweise in Ordinationen – angesiedelt und führen auch Hausbesuche durch." (2)
Bei diesen Unterstützungs- und Beratungstätigkeiten handelt es sich zwar auch um eine Kernkompetenz gehobener Pflegekräfte (3), die dringende Entlastung des Gesundheitsbereichs in Krankenhäusern und Arztpraxen wird dadurch aber nicht unbedingt beschleunigt. Unklar ist auch, ob und welche Erkenntnisse aus den Pilotprojekten zur weiteren Ableitung genutzt werden. So sollen die Evaluierungsergebnisse zwar in die Erarbeitung eines Berufsbildes einfließen (4), die Erwartungen und auch angekündigten Änderungen weichen aber immer wieder voneinander ab. Je nach Pilotprojekt gibt es sehr unterschiedliche Informationen, ob Pflegekräfte auch wirklich an und mit Patient:innen arbeiten, oder stärker in Beratungstätigkeiten involviert sind. Genauere Informationen darüber gibt es aber nicht. In Factsheets wird nicht nur darauf verwiesen, dass die Erkenntnisse für die Gestaltung eines Berufsprofils entscheidend sein werden, sondern auch darauf, was eben nicht geht (5).
Zumindest für das BMSGPK scheint die Überführung aus dem EU-Aufbau- und Resilienzfonds aber auch eine gewisse Änderung des Berufs zu bringen. Immerhin wird in den Erläuterungen zum Pflegefondsgesetz von einer Aufwertung des Community Nursing gesprochen (6). Möglich wären auch Kombinationen mit anderen Gesundheitsberufen, beispielsweise unter Berücksichtigung von notfallpflegerischen Tätigkeiten (7). Wie genau ein Beruf ohne Berufsbild mit einem Gesetz aufgewertet wird, das keine Auswirkungen auf das Berufsbild hat, ist allerdings fraglich. Wichtig scheint jedenfalls, dass mit diesem Beruf eine Maßnahme zur Attraktivierung der Pflegeberufe gesetzt wird, da so ein Fokus auf Gesundheitsförderung und "weitgehend autonomes" Arbeiten möglich wird (8). In der Praxis ist dies aber wohl schwierig. Immerhin wurde die Mehrheit der Förderanträge von Sozialhilfeverbänden oder Arbeitsgemeinschaften gestellt, sodass Community Nurses in vielen Fällen in Pflegesysteme eingebunden sind und wohl gar nicht sonderlich autonom arbeiten (9).
Ein erster Zwischenbericht sollte über das Jahr 2022 vorgelegt werden, Zwischenstände sind bis dato allerdings nicht veröffentlicht. Welche Aufgaben bisher durchgeführt wurden, wo sich mehr Bedarf für die Bevölkerung gezeigt hat und wie die zukünftigen Bereiche sich entwickeln könnten, liegt daher im Dunkeln und wirft auch bei Betroffenen Fragen auf. So ist zwar die zukünftige Finanzierung über den Pflegefonds gesichert, bei der Kommunikation darüber dürfte es aber noch einige Probleme geben und auch die verschiedenen Schwerpunkte der einzelnen Pilotprojekte dürften für Unsicherheiten sorgen (10).
Die reine Überführung in den Pflegefonds alleine wird die Frage der Finanzierung aber wohl kaum klären - immerhin bedeuten die Abwicklungen über Gemeinden, Arbeitsgemeinschaften und Sozialhilfeverbände auch große Unterschiede bei den finanziellen Rahmenbedingungen. Gerade die Abwicklung der bisherigen Pilotprojekte stellt in der jeweiligen Gemeinde/Region aber die Weichen, wie Community Nurses in die Gesundheitslandschaft und die Bevölkerung eingebunden werden und welche Chancen das Projekt langfristig hat. So wurde zwar beispielsweise in den Förderprojekten beim BMSGPK aufgeschlüsselt, ob Sozialhilfeverbände oder Gemeinden selbst die Fördernehmer waren, in der Praxis sind Community Nurses in Folge der Ausschreibungen aber ohnehin wieder bei etablierten Sozialdienstleistern wie dem Roten Kreuz angestellt (11). Grundsätzlich ist dies zur Nutzung der vorhandenen Kompetenzen sicherlich nicht die schlechteste Idee, nachdem aber nur wenige Verfahren öffentlich einsehbar sind und es bereits bei diesen offenbar Ausschreibungsprobleme (12) gab, stellen sich auch Fragen nach der Abwicklung sowie potenziellen Overhead-Kosten für die Pilotprojekte. Daher ist nach wie vor unklar, welche Auswirkungen die Finanzierungsumstellung auf den Pflegefonds haben wird und auch in der Wirkungsfolgenanalyse der Gesetzesänderung nicht klar nachvollziehbar, welchen Kostenfaktor die Community Nurses für den Pflegefonds ausmachen werden (13).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Falls ja: Wie viele Projekte betrifft dies und wie oft wurden die einzelnen Anträge bis zu einer Genehmigung überarbeitet?
i. Bitte um Aufschlüsselung, wie viele Community Nurses sowie VZÄ dadurch bei Gesundheitsdienstleistern angestellt sind.
i. Gibt es bei ausgeschriebenen Projekten einen Kostengrenze für beispielsweise Overhead- bzw. Abwicklungskosten der Umsetzungsträger?
i. Falls ja: Wie viele Community Nurses sind in einer weiteren Tätigkeit angestellt oder freiberuflich in der Pflege tätig?
i. Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung der Gesamtkosten für Unternehmen/ Gemeinden/ Freiberufliche nach Lohn- und Lohnnebenkosten
i. Ist im Rahmen dessen angedacht, potenzielle Überschneidungen mit Landesgesundheitsfonds zu überprüfen?