18085/J XXVII. GP
Eingelangt am 06.03.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Philip Kucher, Genossinnen und Genossen,
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Patient:innenodyssee für medizinische Gutachten
Personen, die ein medizinisches Gutachten benötigen, müssen oft eine Odyssee hinter sich bringen, bevor sie zu einem Ergebnis kommen. Wird Reha- oder Pflegegeld beantragt, ist die PV (Pensionsversicherung) zuständig, die AUVA für die Unfallrente bzw. Feststellung Grad der Erwerbsminderung, für die Feststellung des Behinderungsgrades das Sozialministeriumsservice (SMS) und um die Arbeitsfähigkeit festzustellen das AMS. Eine zentrale Anlaufstelle für betroffene Patient:innen existiert nicht.
Zudem häufen sich Beschwerden bei der Volksanwaltschaft über die Behandlung und den Prozess. Rund ein Viertel der Gutachten beim SMS waren fehlerhaft und wurden erfolgreich angefochten. Diese Gutachten erfolgen zu 90 % durch freie Sachverständige, nur 10 % der Gutachten werden von bei der Behörde angestellten Ärztinnen und Ärzten erstellt.
Die Volksanwaltschaft berichtet im Wesentlichen von 3 Hauptkritikpunkten:
1.) Objektivität der Gutachten steht im Fokus der Kritik. Antragsteller:innen zweifeln an der Neutralität der Gutachter:innen und betonen die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass die erstellten Gutachten objektiv und fachgerecht sind. Die Angst besteht, dass subjektive Einflüsse die Entscheidungsgrundlage für die zuständigen Sachbearbeiter:innen beeinträchtigen könnten.
2.) Umgang mit Patient:innen während der Begutachtung. Berichte von Antragsteller:innen weisen auf unzureichende Zeit, mangelnde Aufmerksamkeit und respektlose Kommunikation seitens der Gutachter:innen hin. Sie fühlen sich in ihren Leiden und Krankheiten nicht ernst genommen und häufig abgewertet. Nicht selten führen diese Untersuchungen auch zu einer Zustandsverschlechterung, vor allem wenn die Begutachtung sehr lange dauert bzw langwierig Tests durchgeführt werden. Die Gutachter würden sich viel zu wenig Zeit nehmen: mehr als ein Drittel der Untersuchungen durch PVA-Sachverständige dauerten maximal 15 Minuten.
3.) Fehelendes medizinisches Wissen der Gutachter:innen sorgt für Bedenken bezüglich seltener oder neuartiger Erkrankungen sowie psychischer Erkrankungen. Diese Krankheitsbilder werden von den Gutachter:innen häufig nicht erkannt und nicht adäquat medizinisch eingeordnet. ME/CFS ist ein häufiges Beispiel, das nicht als solches erkannt wird und „nur“ auf Ausweichdiagnosen wie psychische Erkrankungen verwiesen wird. Auch Personen, die aufgrund der Erkrankung bettlägrig sind oder das Haus nicht verlassen können bzw eine lange Anfahrt nicht bewältigen können, haben oft große Schwierigkeiten eine Begutachtung zuhause zu organisieren. Dies gelingt häufig nur durch Tätigwerden der VA. Es ist fraglich ob das (freiwillige) Fortbildungsangebot bzw die Verpflichtung zur (Re-) Zertifizierung ausreicht, um sicherzustellen, dass sich alle medizinischen Gutachter:innen auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand befinden. Das Angebot und der Umgang mit (verpflichtenden) Fortbildungen variiert auch zwischen den unterschiedlichen Stellen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten an den Bundesminister für Soziales,
Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Sind Ihnen Beschwerden im Zusammenhang mit Gutachtenserstellungen bekannt?
2. Welcher Art sind diese Beschwerden und mit welcher beauftragenden Stelle sind sie verbunden? Bitte um Auflistung nach einzelner Begutachtungsstelle.
3. Wie viele Gutachter sind für die einzelnen Stellen tätig und in welchem Vertragsverhältnis stehen diese zu den beauftragenden Stellen? Bitte Auflistung für jede Stelle getrennt.
4. Sehen Sie in der Zersplitterung der Gutachtenserstellungen ein Problem?
a. Wenn ja, was gedenken Sie daran zu ändern?
b. Wenn nein, warum nicht?
5. Gibt es Ihrerseits Pläne für eine zentrale Anlaufstelle für alle medizinischen Gutachten?
6. Wird eine Bindungswirkung für Gutachten zwischen den Behördenangedacht, die solche erstellen?
7. ln welcher Form wird die Qualität der sozialversicherungsrechtlichen Gutachten kontrolliert und welche Maßnahmen werden zur Qualitätssicherung gesetzt?
8. Existiert eine wirksame Qualitätssicherungsstrategie bzw. -kontrolle bei den einzelnen Stellen?
a. Wenn ja, was wird getan um Qualitätssicherung zu steigern
b. Wenn nein, ist eine solche Strategie in Planung?
9. Was wird getan, um sicherzustellen, dass alle Gutachter:innen am aktuellen Wissensstand sind?
a. Ist eine Erweiterung der verpflichtenden Fortbildungen geplant?
10. Wie viele medizinische Gutachten wurden von 2020 bis 2023 durch allgemein beeidete Sachverständige erstellt? (bitte nach einzelnen beauftragenden Stellen und Jahren gegliedert anführen)
11. Was kostet eine medizinische Begutachtung durch allgemein beeidete Sachverständige im Durchschnitt?
12. Gibt/gab es Fälle, in denen bei medizinischen Gutachtern keine Rezertifizierung erfolgte?
a. Wenn ja, wie viele und was waren die Gründe dafür?