18182/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.03.2024
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Katharina Kucharowits,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Drei Jahre Hass-im-Netz – Bekämpfungsgesetz“

Die Verbreitung von Hass und Hetze über Soziale Medien stellt ein gravierendes Problem dar. Für betroffene Personen oder Gruppen, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Das Internet bzw. Plattformen werden oftmals dazu benutzt, gezielt einzelne Personen oder Gruppen zu diffamieren, sie zu verleumden oder gänzlich aus dem Diskurs und damit der digitalen Teilhabe auszuschließen. Es sind gerade junge Frauen zwischen 16 und 24 Jahren, die besonders von Hass im Netz betroffen sind. Jede Zweite berichtet davon, bereits ungefragt Nacktfotos erhalten zu haben und jede Fünfte davon, bereits im Netz sexuell belästigt worden zu sein.[1] Aktuell Ereignisse rund um Hass-Attacken auf Journalist:innen zeigen noch einmal mehr: Hass im Netz, insbesondere auf Journalist:innen, hat System. Auch in Ländern, in denen Journalist:innen relativ sicher sind oder die Pressefreiheit unter besonderen Schutz steht, sind Hasskommentare für viele Journalist:innen nichts Ungewöhnliches.

All dies ist demokratiepolitisch brisant und es gilt dem gesamtgesellschaftlich sowie politisch entgegenzuwirken. Mit dem Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz (HiNBG) wurde ein wichtiges Fundament gelegt, um Hass und Hetze im Internet einen Riegel vorzuschieben. Gerade Mädchen und Frauen sind stark von Hass und Gewalt im Netz betroffen. Mit dem im Gesetz implementierten Verbot von Upskirting, der Reform des Cyber-Mobbing-Paragraphen sowie dem Mandatsverfahren wurde für Betroffene ein niederschwelliges Angebot geschaffen, um rechtlich gegen rassistische, sexistische und homophobe Kommentare vorzugehen.

Nach drei Jahren seit In-Kraft-Treten des Gesetzes sollten weitere Erfahrungen vorliegen. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Gem. § 107c StGB ist bereits der erste Fall von Cybermobbing strafbar, es soll kein „fortgesetztes“ Cybermobbing mehr brauchen, um eine strafbare Handlung zu begründen. Wie viele Anzeigen betreffend Cybermobbing nach §107c StGB gab es im Jahr 2023, nach in Kraft treten des HiNBG? (Bitte um Aufschlüsselung aller Antworten jeweils nach Bundesländern, Geschlecht der anzeigenden Person sowie Plattformen, auf denen das Cybermobbing nach § 107c StGB stattgefunden hat.)

a.       In wie vielen Fällen davon kam es zu einer Anklage?

b.       In wie vielen Fällen davon wurde das Verfahren eingestellt?

c.        In wie vielen Fällen kam es zu Verurteilungen?

d.       Bitte auch um Auflistung, wie viele Anzeigen von Minderjährigen bzw. von Fürsorgeberechtigten von Minderjährigen betreffend Cybermobbing nach § 107c StGB getätigt wurden, in wie vielen Fällen es zu einer Anklage kam bzw. in wie vielen Fällen das Verfahren eingestellt wurde.

2.       Der Verhetzungstatbestand nach § 283 Abs. 1 Z 2 StGB wurde ausgeweitet und umfasst auch Verhetzung gegen Einzelpersonen, nicht nur gegen ganze Bevölkerungsgruppen. Wie viele Anzeigen betreffend Verhetzung nach § 283 Abs. 1 Z 2 StGB im Netz gab es im Jahr 2023? (Bitte um Aufschlüsselung aller Antworten jeweils nach Bundesländern, Geschlecht der anzeigenden Person sowie Plattformen, auf denen die Verhetzung nach § 283 Abs. 1 Z 2 StGB stattgefunden hat.)

a.       In wie vielen Fällen davon kam es zu einer Anklage?

b.       In wie vielen Fällen wurde das Verfahren eingestellt?

c.       In wie vielen Fällen kam es zu Verurteilungen?

d.       Wie viele der im Jahr 2023 gemeldeten Fälle von Verhetzung nach § 283 Abs. 1 Z 2 StGB im Netz waren Fälle von Verhetzung gegen Einzelpersonen?

e.       Bitte auch um Auflistung, wie viele Anzeigen von Minderjährigen bzw. von Fürsorgeberechtigten von Minderjährigen betreffend Verhetzung nach § 283 Abs. 1 Z 2 StGB im Netz getätigt wurden, in wie vielen Fällen es zu einer Anklage kam bzw. in wie vielen Fällen das Verfahren eingestellt wurde.

3.       Wie viele Anzeigen betreffend des Tatbestands der unbefugten Bildaufnahmen, insbesondere auch „Upskirting“ nach § 120a StGB gab es im Jahr 2023? (Bitte um Aufschlüsselung aller Antworten jeweils nach Bundesländern, Geschlecht der anzeigenden Person sowie Plattformen.)

a.       In wie vielen Fällen davon kam es zu einer Anklage?

b.       In wie vielen Fällen wurde das Verfahren eingestellt? (Bitte um Auflistung der gemeldeten Fälle aufgeschlüsselt nach a) Bundesland und b) Plattform.)

c.       In wie vielen Fällen kam es zu Verurteilungen?

d.       Wie viele Anzeigen von Minderjährigen bzw. von Fürsorgeberechtigten von Minderjährigen betreffend dieses Tatbestandes wurden getätigt, in wie vielen Fällen kam es zu einer Anklage bzw. in wie vielen Fällen wurde das Verfahren eingestellt?

4.       Mit dem HiNBG wurde auch die Möglichkeit eines Mandatsverfahrens nach § 549 ZPO als neues zivilgerichtliches Sonderverfahren geschaffen. Neben den strafrechtlichen Anzeigen wurde damit den Nutzer:innen auch die Option gelegt, bei einem Inhalt der gegen die Menschenwürde verstößt, einen Unterlassungsauftrag beim Bezirksgericht zu erwirken. Wie viele Unterlassungsaufträge nach § 549 ZPO wurden im Jahr 2023 erwirkt? (Bitte um Aufschlüsselung aller Antworten nach Bundesländern, Geschlecht der anzeigenden Person und Plattformen.)

a.       Gegen wie viele Unterlassungsaufträge nach § 549 ZPO wurde ein Einwand erhoben?

b.       Von allen Unterlassungsaufträgen nach § 549 ZPO, wie viele wurden durch die Nicht-Weiterverbreitung des Inhalts durch den Beklagten beendigt?

c.       Von allen Unterlassungsaufträgen nach § 549 ZPO, wie viele führten zu einem ordentlichen Verfahren?

d.       Bitte auch um Auflistung, wie viele Unterlassungsaufträge nach § 549 ZPO von Minderjährigen bzw. von Fürsorgeberechtigten von Minderjährigen getätigt wurden, in wie vielen Fällen ein Einwand erhoben wurden und wie viele Fälle zu einem ordentlichen Verfahren führten.

e.       Für die Einbringung eines solchen Unterlassungsauftrags müssen Nutzer:innen ca. 100 Euro zahlen. Gibt es hier finanzielle Unterstützung für Personen mit geringem oder keinem Einkommen?

f.        In wie vielen Fällen kam es zu einer vorläufigen Vollstreckbarkeit?

g.       Zum Formular „Klage und Antrag auf Erlassung eines Unterlassungsauftrages" (vgl. https://justizonline.gv.at/jop/web/formulare/kategorie/17/79): Die Webversion des Formulars bietet Hilfestellungen beim Ausfüllen des Formulars. Gibt es eine ähnliche Hilfestellung (zB einen Leitfaden), wenn Personen dies händisch bzw. analog ausfüllen?

5.      Zusätzlich zum zivilrechtlichen Unterlassungsauftrag kann auch der/die Dienstgeber:in auf Unterlassung und Beseitigung nach § 20 Abs. 2 ABGB bzw. §33a MedienG plädieren. In der Anfragebeantwortung vom 24. Mai 2023 haben Sie angegeben, dass Ihnen dazu kein Datenmaterial vorliegt und dass eine automationsunterstützte Auswertung der von einer/einem Arbeit- oder Dienstgeber:in eingebrachten Unterlassungs- und Beseitigungsklagen nach § 20 Abs. 2 ABGB bzw. § 33a MedienG nicht möglich ist.[2] Hat sich dieser Umstand geändert?

a.    Wenn ja, wie viele Fälle von Unterlassungs- und Beseitigungsklagen nach § 20 Abs. 2 ABGB bzw. §33a MedienG, eingebracht von dem/der Arbeit- oder Dienstgeber*in, gab es im Jahr 2023 und was war das Ergebnis? (Bitte um Aufschlüsselung aller Antworten nach Bundesland, Geschlecht der anzeigenden Person und Plattform.)

6.      Wie viele Anträge auf Ausforschung nach § 71 StPO wurden im Jahr 2023 wegen des Vorwurfs einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung nach § 113 StGB gestellt? (Bitte um Aufschlüsselung aller Antworten nach Bundesländern, Geschlecht der beantragenden Person sowie Plattformen.)

a.       Wie vielen Anträgen davon wurde stattgegeben bzw. wie vielen nicht?

b.       Wie viele Anträge auf Ausforschung nach § 71 StPO wurden von Minderjährigen bzw. von Fürsorgeberechtigten von Minderjährigen getätigt, in wie vielen Fällen wurde einer Ausforschung stattgegeben bzw. in wie vielen Fällen nicht?

c.       Wie viele Anträge auf Ausforschung nach § 71 StPO wurden im Jahr 2023 wegen Beleidung nach § 115 StGB gestellt? (Bitte um Aufschlüsselung aller Antworten nach Bundesländern, Geschlecht der beantragenden Person sowie Plattformen.)

i.       Wie vielen Anträgen davon wurde stattgegeben bzw. wie vielen nicht?

ii.    Wie viele Anträge auf Ausforschung nach § 71 StPO wurden von Minderjährigen bzw. von Fürsorgeberechtigten von Minderjährigen getätigt, in wie vielen Fällen wurde einer Ausforschung stattgegeben bzw. in wie vielen Fällen nicht?

d.       Nachdem das Landesgericht der Ausforschung nach § 71 StPO stattgegeben hat, welche Behörden wurden jeweils mit der tatsächlichen Ausforschung betraut?

e.       Von welchen Personengruppen wird das Instrument der Ausforschung nach § 71 StPO vorranging genutzt?

f.        Gibt es Indizien/Fakten/konkrete Vorfälle dafür, dass das Instrument der Ausforschung nach § 71 stopp missbräuchlich verwendet wird?

7.      Zudem soll „Eine vermehrte psychosoziale und juristische Prozessbegleitung [...] Opfer von Hass im Netz dabei unterstützen, mit der außerordentlichen Belastung eines Strafverfahrens besser umgehen zu können.“

a.    Wie viele Opfer von Hass im Netz nach § 65 Z 1 StPO wurden im Jahr 2023 durch psychosoziale Prozessbegleitung nach § 66b StPO unterstützt? (Bitte um Auflistung nach Bundesland, Geschlecht der unterstützten Person und Plattform, auf der die Person Hass im Netz erfahren hat.)

i.    Wie viele Personen davon waren jeweils betroffen von beharrlicher Verfolgung nach § 107a StGB, von fortlaufender Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computergesetzes nach § 107c StGB und von Verhetzung nach § 283 StGB?

ii.   Wie viele Personen davon waren jeweils betroffen von übler Nachrede nach § 111 StGB, vom Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung nach § 113 StGB, von Beleidigung nach § 115 StGB oder von Verleumdung nach § 297 StGB, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine solche Tat im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurde?

b.       Wie viele Opfer von Hass im Netz nach § 65 Z 1 StPO wurden im Jahr 2023 durch psychosoziale Prozessbegleitung nach § 66b StPO unterstützt? Bitte um Auflistung nach Bundesland, Geschlecht der unterstützten Person und Plattform, auf der die Person Hass im Netz erfahren hat.

i.       Wie viele Personen davon waren jeweils betroffen von beharrlicher Verfolgung nach § 107a StGB, von fortlaufender Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computergesetzes nach § 107c StGB und von Verhetzung nach § 283 StGB?

ii.     Wie viele Personen davon waren jeweils betroffen von übler Nachrede nach § 111 StGB, vom Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung nach § 113 StGB, von Beleidigung nach § 115 StGB oder von Verleumdung nach § 297 StGB, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine solche Tat im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurde?

c.       Wie viele minderjährige Zeug:innen von Gewalt im sozialen Nahraum wurden im Jahr 2023 durch psychosoziale Prozessbegleitung nach § 66b StPO unterstützt? Bitte um Auflistung nach Bundesland, Geschlecht der unterstützten Person und Plattform, auf der die Person Hass im Netz erfahren hat.

d.       Wie viele minderjährige Zeug:innen von Gewalt im sozialen Nahraum wurden im Jahr 2023 durch psychosoziale Prozessbegleitung nach § 66b StPO unterstützt? Bitte um Auflistung nach Bundesland, Geschlecht der unterstützten Person und Plattform, auf der die Person Hass im Netz erfahren hat.

e.       Zu den Ressourcen der psychosozialen Prozessbegleitung: Wie viele Personen waren im Rahmen der psychosozialen Prozessbegleitung 2023 tätig? Bitte um Angaben aufgeschlüsselt nach Bundesländern.

f.        Wie hoch war das Budget für die psychosoziale Prozessbegleitung im Jahr 2023? Bitte um Angaben nach Bundesländern.

g.       Welche finanziellen und personellen Ressourcen wird es für 2024 und 2025 geben?

10.   Neben der Beratungsstelle #GegenHass im Netz von Verein Zivilcourage und Anti-Rassismus Arbeit (ZARA), gibt es seit 2023 weitere Beratungsstellen für betroffene Personen?

a.       Falls ja, bitte um Auflistung je nach Bundesland.

b.       Falls nein, wie wird der Beratungs- und auch Präventionsarbeit v.a. in den Bundesländern dann Rechnung getragen?

11.   Gab es im Jahr 2023 zusätzliche personelle und finanzielle Mittel für alle mit der Umsetzung des HiNBG betroffenen Stellen (Bezirks- und Landesgerichte, Beratungsstellen etc), um der adäquaten Umsetzung des Gesetzes gerecht zu werden? (Bitte um Auflistung der zusätzlichen finanziellen Mittel einerseits und personellen Mittel andererseits a) je nach Bundesland und b) je nach Stelle (Landesgerichte, Bezirksgerichte, Beratungsstellen etc.).

a.    Wird es für das Jahr 2024 zusätzliche finanzielle Ressourcen geben? Bitte wieder um Auflistung a) je nach Bundesland und b) je nach Stelle (Landesgericht, Bezirksgerichte, Beratungsstellen etc.)

b.    Wird es für das Jahr 2024 zusätzliche personelle Ressourcen geben? Bitte wieder um Auflistung a) je nach Bundesland und b) je nach Stelle (Landesgericht, Bezirksgerichte, Beratungsstellen etc.)

12. Welche Präventionsmaßnahmen werden seitens der Bundesregierung und im Besonderem in Ihrem Ressort ergänzend zum HiNBG gesetzt?



[1] https://www.kleinezeitung.at/kultur/medien/18201931/der-hass-im-netz-ist-alltag, Zugriff am 4. März 2024

[2] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/J/14621/fnameorig_1547662.html, Zugriff am 29. Februar 2024