18194/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.03.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

 

betreffend öffentliche Gesundheitsversorgung in Tirol

 

Tirol bzw. die Landeshauptstadt Innsbruck ist für viele Studierende aus ganz Europa ein attraktiver Studienort. Das birgt das Problem, dass ein guter Teil der Studierenden nach Abschluss des Studiums Tirol wieder verlässt. Man spricht von „asymmetrischer Mobilität“.

Massiv zugespitzt hat sich die Situation bei Studierenden der Medizin und Zahnmedizin in Innsbruck. Für Patient:innen bedeutet das: Keine Arzttermine oder enorm lange Wartezeiten, von Kassenärzt:innen oft keine Spur. Die Lage ist inzwischen derart prekär, dass in Tirol die Stimmen nach Maßnahmen immer lauter werden.

 

Anfang des Jahres 2023 wurden in Tirol acht Augenärzte gesucht, 15 Kassenarztstellen und gesamt 37 Stellen der Österreichischen Gesundheitskasse waren unbesetzt.[1]

In vielen Fachbereichen wie Gynäkologie, Innere Medizin, Pädiatrie ist es schwierig überhaupt eine Ärztin/einen Arzt zu finden, der neue Patient:innen aufnimmt – von einer Kassenärztin/einem Kassenarzt ganz zu schweigen.

Bei den Augenärzten ist in Tirol jede 4. Stelle nicht besetzt.

Anfang Jänner 2023 stellte sich die Situation in der Bezirkshauptstadt Lienz in Osttirol laut Medienberichten wie folgt dar:

Der Blick auf die augenärztliche Versorgung in Lienz ist mehr als trüb. Mit Ende des Jahres 2022 ging ein Augenarzt, der einen Kassenvertrag hatte, in Pension. Damit sind 40.000 Osttiroler Patientinnen und Patienten und auch viele aus Regionen in Oberkärnten von den anderen verbliebenen drei Augenärzten zu übernehmen – ein Kassenarzt und zwei Wahlärzte.[2]

Bei einem Augenarzt hatte sich daher am ersten Tag nach dem Weihnachtsurlaub eine lange Schlange gebildet:

„Die ersten Patientinnen und Patienten kamen bereits um 5.30 Uhr, um sicher zu gehen, einen Termin auch zu bekommen. Augenarzt Matthias Dapra sagte im kurzen Gespräch mit dem ORF Tirol, er sei selbst überrascht von dem großen Andrang. Er sei bemüht, jedem einen Termin zukommen zu lassen. Ein Interview sei ihm seitens der Ärztekammer aber untersagt worden. Die Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik (SPÖ) zeigte sich schockiert. Sie sprach von einem Skandal, dass es nur mehr eine Augenarzt-Kassenstelle in Lienz gibt.“

 

An der Medizinischen Universität Innsbruck sind jährlich 380 Plätze für Humanmedizin-Studienanfänger:innen vorgesehen. Weitere 40 Plätze für das Studium der Zahnmedizin.[3] 2334 Bewerber:innen sind im Jahr 2023 zum Aufnahmetest angetreten.

„Von insgesamt 3.200 Bewerberinnen und Bewerbern kommen heuer 1.197 aus Österreich (und Südtirol), 1.333 aus Deutschland und 670 aus anderen Ländern.“, berichtet der ORF.[4]

Eine Quotenregelung besagt, dass 75% der Studienplätze an Österreicher:innen bzw. Südtiroler:innen, 20% an EU-Bürger:innen und 5% an Nicht-EU-Bürger:innen gehen. Weniger als ein Drittel der Studienanfänger kommt allerdings aus Tirol.

Im Bereich der Zahnmedizin gibt es keine Quotenregelung. So hätten im Vorjahr 25 Deutsche und 13 Österreicher:innen das Studium in Innsbruck begonnen.

„Bis zu 90 Patienten an einzelnen Tagen: Situation für Tiroler Zahnärzte spitzt sich zu. Wegen des gravierenden Zahnärztemangels müssen sogar Schmerzpatienten abgewiesen werden.“, schreibt die Tiroler Tageszeitung am 4.11.2023. Aktuell seien in Tirol 52 Zahnarzt-Kassenstellen unbesetzt.[5]

 

Die Situation in Tirol ist prekär. Daher wird nun eine Verschärfung für Studierende aus anderen EU-Ländern gefordert:

„An der Leopold-Franzens-Universität lag der Anteil von internationalen Studierenden im vergangenen Jahr bei fast 50 Prozent. Deshalb führte jetzt Wissenschaftsminister Martin Polaschek (VP) in Brüssel Gespräche darüber, um die Abwanderung von Akademikern aus ihren Universitätsstandorten zu bremsen. Wie auch die überproportionale Studiennachfrage etwa aus Deutschland wegen Verdrängungseffekte durch die Numerus-Clausus-Regelung. Polaschek kann sich deshalb u. a. die Einführung des Herkunftslandprinzips vorstellen: ‚Es erhalten nur jene EU-Bürgerinnen und Bürger einen Studienplatz in Österreich, die auch in ihrem Heimatland Zugang zu einem haben.‘“, so die Tiroler Tageszeitung am 1.3.2024.[6] Mindeststudienplätze seien ebenfalls ein Thema.

Studieren, wo andere Urlaub machen bzw. die Studienzeit zu nutzen, um „über den Tellerrand“ zu schauen, das ist nachvollziehbar und absolut verständlich. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass die öffentliche Gesundheitsversorgung in Tirol gefährdet wird.

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende:

 

Anfrage

 

1.    Ist Ihnen die prekäre Situation in der Gesundheitsversorgung in Tirol bekannt?

2.    Wie stellt sich die Situation in Tirol im Vergleich zu den anderen Bundesländern dar?

3.    Wie viele Kassenarztstellen sind in Tirol aktuell unbesetzt? Bitte um Auflistung nach Fachgebiet und politischem Bezirk.

4.    Wie viele Kassenarztstellen für Zahnmedizin sind in Tirol aktuell unbesetzt? Bitte um Auflistung nach politischem Bezirk.

5.    Wie viele Kassenarztstellen sind in Österreich aktuell unbesetzt? Bitte um Auflistung nach Fachgebiet und Bundesland.

6.    Wie viele Kassenarztstellen für Zahnmedizin sind in Österreich aktuell unbesetzt? Bitte um Auflistung nach Bundesland.

7.    Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um der prekären Situation in Tirol entgegen zu wirken?

8.    Planen Sie Maßnahmen, um der prekären Situation in Tirol entgegen zu wirken?

a)    Wenn ja, welche?

b)    Wenn nein, warum nicht?

9.    Welche Schritte setzen Sie, damit in Österreich genügend Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden, die auch im Land bleiben?

10. Gibt es bezogen auf Tirol spezielle Initiativen, um die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten sicherzustellen?

11. Stehen Sie im Austausch mit anderen Ressorts, um die öffentliche Gesundheitsversorgung in Tirol sicherzustellen?

a)    Wenn ja, mit welchen und mit welchem Ergebnis?

b)    Wenn nein, warum nicht?

12. Setzen Sie sich für die Einführung von Mindeststudienplätzen im Bereich Medizin und Zahnmedizin ein?

a)    Wenn ja, was erwarten Sie sich davon?

b)    Wenn ja, ist absehbar, wann und ob eine solche Quote kommen wird?

c)    Wenn nein, warum nicht?

 



[1] Vgl.: https://tirol.orf.at/stories/3190641/

[2] Vgl.: https://tirol.orf.at/stories/3189561/

[3] Vgl.: https://www.i-med.ac.at/studium/humanmedizin.html#:~:text=An%20der%20Medizinischen%20Universit%C3%A4t%20Innsbruck,ist%20interdisziplin%C3%A4r%20aus%20Modulen%20aufgebaut.

[4] Vgl.: https://tirol.orf.at/stories/3214851/

[5] Vgl.: https://www.tt.com/artikel/30868429/bis-zu-90-patienten-an-einzelnen-tagen-situation-fuer-tiroler-zahnaerzte-spitzt-sich-zu

[6] Vgl: https://www.tt.com/artikel/30877208/verschaerfungen-gefordert-mehr-uni-absolventen-sollen-in-tirol-bleiben