18284/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.04.2024
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Bayr, MA MLS, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend: „Entwicklungspolitische Verantwortlichkeiten des Finanzministeriums“

Der letzte EZA-Unterausschuss hat zuletzt am 5. Oktober 2023 mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten stattgefunden. Das ist nun bereits ein halbes Jahr her. Seither hat – trotz beständigen Bemühens um einen Termin von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion – kein Minister einen Termin finden können, um einem EZA-Unterausschuss zu Verfügung zu stehen. Da das Bundesministerium für Finanzen rund drei Viertel der EZA-Mittel in Form von Beiträgen an Internationale Finanzinstitutionen (IFIs) verwaltet, und damit eine starke nicht nur finanz-, sondern auch entwicklungspolitische Steuerungsfunktion in diesem Bereich innehat, ersuchen wir den Bundesminister für Finanzen, zeitnah einen Termin mit uns zu koordinieren.

 

IFIs, insbesondere Multilaterale Entwicklungsbanken (MDBs), sind für Österreich von großer Bedeutung. Österreich ist Anteilseigner an diesen Institutionen, zum Teil auch Gründungsmitglied – wie dies beispielsweise bei der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) der Fall ist. Ziel der AIIB ist die Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung durch die Finanzierung von Infrastruktur und anderen produktiven Sektoren in Asien sowie die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit zur Überwindung von Entwicklungshemmnissen. Österreich ist in der AIIB Mitglied der europäischen Stimmrechtsgruppe, die Teil des Aufsichtsrats der AIIB ist. Ziel ist hier unter anderem Einfluss auf Umwelt- und Sozialstandards nehmen zu können, um die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung und der Agenda 2030 sicherzustellen. Im April 2018 wurde die Befugnis zur Genehmigung einiger Projekte an das Management der Bank delegiert, der Aufsichtsrat stimmte dieser Übertragung des Genehmigungsrechts vom Aufsichtsrat auf die Geschäftsführung zu. Mit der Delegation dieses Zustimmungsrechts bei wichtigen Geschäften wurde die Möglichkeit der vorweggenommenen Überwachung und Kontrolle durch den Aufsichtsrat, entscheidend geschwächt. Dieser Umstand gefährdet die Zusagen der Anteilseigner sicherzustellen, dass die AIIB internationale Standards und bewährte Verfahren einhält. Die Aufsichtsratsmitglieder der AIIB sind für ihre Entscheidungen gegenüber den Regierungen ihrer Länder, die Anteilseigner der AIIB sind, rechenschaftspflichtig. Die Regierungen wiederum sind ihren Bürger:innen gegenüber dafür verantwortlich, dass die Bank bei ihren Kredit- und Darlehensvergaben Umwelt- und Sozialstandards einhält. Im Wesentlichen bietet das Projektgenehmigungsverfahren durch den Aufsichtsrat der AIIB der Zivilgesellschaft und potenziell betroffenen Gemeinschaften die Möglichkeit, ihre Bedenken bei ihren Vertreter:innen vorzubringen, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen auf fundierten Informationen beruhen und potenzielle Schäden berücksichtigen. Im Jahr 2024 werden nun die Rahmenverträge zur Rechenschaftspflicht (Accountability Framework) der AIIB überarbeitet. Im Zuge dessen sollte idealerweise das gesamte Konzept der Delegierung von Genehmigungen vom Aufsichtsrat an den Präsidenten überdacht und die Delegierung zur Ausnahme und nicht zur Regel gemacht werden. Österreich kann und soll sich als Mitglied der AIIB dafür einsetzten.

 

Ein weiteres entwicklungs- und finanzpolitisches brisantes Thema betrifft die Entschuldung des Sudan. Im Prognoseszenario 2019-2027 der Budgetbeilage EZA des BMF vom Oktober 2023 ist den Jahren 2025 und 2027 die Sudan Entschuldung einberechnet.

 

Die Prognose für die österreichischen öffentlichen Entwicklungsleistungen, gemessen an der Official Development Assistance (ODA), ohne Entschuldung, gestaltet sich wie folgt:

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.    Der Bundesminister für Finanzen und die Vorsitzende des EZA- Unterausschusses haben in der Fragestunde im Nationalrat im Sommer 2023 vereinbart, zeitnah einen EZA-Unterausschuss abzuhalten, an dem der Bundesminister für Finanzen sich bereit erklärt hat, teilzunehmen. Welchen Termin kann das Ministerium hier in den kommenden drei Monaten konkret anbieten?

2.    Haben Sie Hinweise, dass die Entschuldung des Sudan tatsächlich zeitnah stattfinden wird?

      Wenn ja, welche und für welchen Zeitraum konkret?

      Wenn nein, warum ist die hypothetische Entschuldung dann im Prognoseszenario bis 2027 beinhaltet?

3.    Was ist der Grund für das drastische Absinken der ODA-Quote bis 2023?

4.    Sind Sie mit den Rahmenverträgen zur Rechenschaftspflicht (Accountability Framework) der AIIB vertraut, durch den die Entscheidungsstruktur der Bank dem chinesischen Präsidenten ein umfassendes Mandat für Investitionsentscheidungen erteilt?

      Wenn ja, wie beurteilen Sie diese Struktur?

•    Wenn nein, wie werden Sie dieses Manko ausgleichen?

5.    Sehen Sie Möglichkeiten, die Transparenz der Entscheidungsfindung zu verbessern, etwa indem Sie die Bank auffordern, die Entscheidungsbefugnis beim Aufsichtsrat zu belassen, wie es in anderen multilateralen Banken (OeEB und Weltbank) üblich ist?

6.    Welche konkreten Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die Kontrolle über die AIIB durch den Aufsichtsrat zu verbessern?

7.    Wenn Sie keine diesbezüglichen Maßnahmen ergreifen werden, warum nicht?

8.    Welche Möglichkeiten sehen Sie darüber hinaus, dem weitreichenden Einfluss Chinas in der multilateralen AIIB entgegenzuwirken, und welche Rolle sehen Sie speziell für Österreich, hier Einfluss zu nehmen?