18290/J XXVII. GP

Eingelangt am 02.04.2024
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Christian Oxonitsch,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend „Ankündigung von 200.000 gratis Nachhilfestunden“

Das österreichische Bildungssystem ist auf den „Lernraum Zuhause“ ausgelegt. Für eine erfolgreiche Schullaufbahn, insbesondere um Tests, Schularbeiten und andere Prüfungen zu bestehen, reicht Aufmerksamkeit im Unterricht bei weitem nicht aus. Die Notwendigkeit von außerschulischer Vorbereitung, also das ,Zuhause Lernen‘, ist aber nicht nur ein faktisches Resultat im Zusammenhang mit Prüfungen - durch Hausübungen ist es fest in unserem Schulsystem verankert. Dieser Umstand ist einer der Hauptgründe dafür, dass Bildung in Österreich nach wie vor vererbt wird. Der Erfolg des ,Zuhause Lernens‘ hängt aber zu einem wesentlichen Teil davon ab, inwieweit Schüler:innen dabei von ihren Eltern unterstützt werden (können): Knapp 80% der Schüler:innen lernen Zuhause zumindest hin und wieder mit ihren Eltern, 25% sogar täglich. Können Eltern diese Unterstützung nicht bieten, etwa weil sie selbst über keinen Schulabschluss verfügen, ist Nachhilfe die letzte Option: So haben etwa 30% aller Schüler:innen im letzten Schuljahr externe Nachhilfe erhalten, in Mittelschulen sind es sogar knapp 40%. Für die betroffenen Familien bedeutet das, nicht zuletzt auch aufgrund der Teuerung, eine enorme finanzielle Belastung: Pro Schulkind fallen für Nachhilfe jährliche Kosten von durchschnittlich 720 Euro an. Das ist für Familien mit geringem Haushaltseinkommen (obwohl der Bedarf an Nachhilfe oft sehr groß wäre) nicht stemmbar.

Am 18.03.2024 kündigte Bildungsminister Polaschek im Rahmen eines Medientermins in der Friesgasse an, dass bis 2026 weitere 14 Millionen Euro in private Nachhilfe investiert werden. Abgewickelt werden soll das Projekt über die Lernplattform ,weiterlernen.at‘, bei der sich Studierende, pensionierte Lehrer:innen aber auch andere Schüler:innen als ,Lernbuddys‘ registrieren können und an Nachhilfe-Schüler:innen vermittelt werden.

Auch wenn diese Ankündigung im Grunde erfreulich ist, wird sich das oben beschriebene Problem nur durch strukturelle Reformen im Bildungssystem lösen lassen. Solange Schüler:innen auf das ,Zuhause Lernen‘ angewiesen sind und so von den pädagogischen und ökonomischen Fähigkeiten ihrer Eltern abhängig gemacht werden, wird es in unserem Bildungssystem keine echte Gleichberechtigung geben. Die Finanzierung von Nachhilfestunden bekämpft also nicht die Ursachen des Problems, sondern die Symptome. Sie kann also nur ein temporärer Zwischenschritt sein – und selbst das nur dann, wenn ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Das Volumen der jetzt angekündigten Investition steht aber in keinem Verhältnis zum vorliegenden Bedarf: Im letzten Jahr stiegen die privaten Ausgaben für Nachhilfe von 102,7 Millionen Euro (2022) auf 121,6 Millionen Euro (2023). Die angekündigten 14 Millionen Euro (für drei Jahre!) decken somit nicht einmal den Mehrbedarf ab, der in den letzten 12 Monaten entstanden ist.

Dass Bildungsminister Polaschek offenbar von der Schwarz-Grünen Gießkannenstrategie abweicht und ankündigt, dass Lernstunden gezielt jenen Menschen zu Gute kommen sollen, die sie wirklich brauchen, ist zwar erfreulich, die Umsetzung dieses Vorhabens jedoch fraglich: Da auf der Plattform ,weiterlernen.at‘ jeder beliebige Schüler, jede beliebige Schüler:in um Nachhilfe ansuchen kann, stellt sich die Frage, wie die tatsächliche Bedarfslage (ohne massiven bürokratischen Aufwand) erhoben werden kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.       In welchen Global- und Detailbudgets bzw. Untergliederungen wurde die angekündigte Investition in Höhe von 14 Millionen Euro veranschlagt?

2.       Im Rahmen der Präsentation des Projekts am 18.03.2024 in der Friesgasse wurde betont, dass die Nachhilfestunden „jenen Menschen zur Verfügung gestellt werden, die sie wirklich brauchen“.

a.       Nach welchen Kriterien wird der Bedarf an Nachhilfestunden errechnet?

i.     Müssen Schüler:innen, die über die Lernplattform um Unterstützung ansuchen, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihrer Eltern offen legen?

b.       Werden Mittel/Kontingente für bestimme, besonders belastete Schulen reserviert?

3.       Österreichweit werden jährlich etwa 120 Millionen Euro für private Nachhilfe ausgegeben[1], auf drei Jahre gerechnet also 360 Millionen Euro. Mit dem gegenständlichen Projekt werden 14 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren in Nachhilfestunden investiert.

a.     Welche Maßnahmen planen Sie, um den restlichen Finanzierungsbedarf in Höhe von etwa 346 Millionen Euro abzudecken?

4.       Derzeit kann man sich auf weiterlernen.at nicht als Nachhilfelehrer:in (Lernbuddy) registrieren; als Nachhilfeschüler:in ist nur eine Voranmeldung möglich.

a.       Wann werden Anmeldungen (als Schüler:in) bzw. Registrierungen (als Lernbuddy) wieder uneingeschränkt möglich sein?

b.       Warum sind Anmeldungen bzw. Registrierungen derzeit nicht möglich?

5.       Welche Qualitätssicherung ist für die Registrierung als Lernbuddy auf weiterlernen.at vorgesehen?

a.       Wie wird sichergestellt, dass registrierte Lernbuddys über ausreichend fachliche und pädagogische Fähigkeiten verfügen?

b.       Unter welchen Voraussetzungen können sich Schüler:innen als Lernbuddys registrieren lassen?

6.       Welche Qualitätskontrolle ist für die im Rahmen dieses Projekts finanzierten Nachhilfestunden vorgesehen?

a.     Wird evaluiert, inwieweit sich geförderte Nachhilfestunden positiv auf schulische Leistungen auswirken?

i.       Falls ja: Wie?

ii.     Falls nein: warum nicht?

7.       Werden die Schulstandorte in das Projekt miteinbezogen?

a.     Werden Lernbuddys über konkrete Lerninhalte bzw. Lernziele an den jeweiligen Schulstandorten informiert?

8.       Im Rahmen der Präsentation des Projekts wurde darauf hingewiesen, dass der Bedarf an Nachhilfe in den letzten Jahren stark gestiegen ist.

a.     Welche (strukturellen) Maßnahmen planen Sie, um den österreichweiten Bedarf an Nachhilfeunterricht in den nächsten drei Jahren zu verringern?

9.       Verfügen Sie über Prognosen, wie sich der österreichweite Nachhilfebedarf in den nächsten drei Jahren entwickeln wird?

a.       Falls ja: Bitte um Darstellung.

b.       Falls nein: Warum nicht und sind entsprechende Erhebungen/Studien geplant?

10.    Verfügen Sie über Erhebungen, wie sich der Nachhilfebedarf an Ganztagsschulen (im Vergleich zu anderen Schulformen) darstellt?

a.       Falls ja: Bitte um Darstellung der Erhebungen?

b.       Falls nein: Warum nicht? Sind entsprechende Erhebungen geplant?



[1] https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitundsoziales/bildung/PK-Unterlage_AK-Nachhilfebarometer_2023.pdf