18294/J XXVII. GP
Eingelangt am 04.04.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Ermittlungen zu "Staatsgeheimnissen" in den E-Mails des BKA
Im Zusammenhang mit der ÖVP-Inseratenaffäre und dem sogenannten Beinschaab-Tool hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im August 2022 die Sicherstellung der Daten im Bundeskanzleramt angeordnet. Die Sicherstellungsanordnung wurde damit begründet, dass frühere Mitarbeiter:innen vom damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz massenhaft Mails gelöscht und ihre Handys getauscht hätten.
"Die Sicherstellungsanordnung umfasst alle Daten auf E-Mail-Postfächern und persönlich zugeordneten Laufwerken sowie eOffice-Dokumente von sämtlichen Mitarbeitern des Bundeskanzleramtes, die zwischen 19. Dezember 2017 und 6. Oktober 2021 etwa im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit bzw. in der Stabsstelle für strategische Kommunikation tätig waren. Umfasst sind auch Mitarbeiter im Bereich der Informationstätigkeit der Bundesregierung (insbesondere Informationsinitiativen, Mediaplanung und -Budget) sowie jene Kabinettsmitarbeiter, die für die beiden genannten Bereiche zuständig waren. Insgesamt dürften rund 100 Mitarbeiter von der Sicherstellung betroffen sein."
Dagegen wurde von der Finanzprokuratur ein Rechtsmittel eingelegt, mit der Begründung, dass die Anordnung der Sicherstellung für einen Vollzug zu unbestimmt sei und sich möglicherweise auch private Daten auf den Servern befinden könnten. Anstatt sich der Transparenz zu verpflichten, hat die Finanzprokuratur Einspruch gegen die Sicherstellungsanordnung erhoben. Das Rechtsmittel wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien teils ab-, teils zurückgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im September 2023 vom Oberlandesgericht Wien mit Beschluss nicht Folge gegeben. In der Zwischenzeit hat die WKStA die beschriebenen Daten im Juni 2023 sichergestellt, da sie die Gefahr einer routinemäßigen Löschung sieht.
Bundeskanzler Karl Nehammer hat im Anschluss an die Sicherstellung im Juni 2023 vorgebracht, dass die sichergestellten Daten möglicherweise klassifizierte Informationen beinhalten könnten und deswegen Widerspruch eingelegt. Das Besondere daran ist, dass §112a StPO vorsieht, dass sichergestellte schriftliche Aufzeichnungen oder Datenträger von der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei nicht eingesehen werden dürfen, wenn die betroffene Behörde oder öffentliche Dienststelle dem widerspricht und wenn bestimmte Informationen enthalten sind. Darunter fallen klassifizierte nachrichtendienstliche Informationen, deren Geheimhaltung das Interesse an der Strafverfolgung im Einzelfall überwiegt (§112a Abs 1 Z 1) oder auch von ausländischen Sicherheitsbehörden oder Sicherheitsorganisationen klassifiziert übermittelte Informationen, die nur mit deren vorheriger Zustimmung zu anderen als den der Übermittlung zugrundeliegenden Zwecken verarbeitet werden dürfen (§112a Abs 1 Z 2).
Gemäß Abs 2 hat die Behörde die Teile, die der Geheimhaltung unterliegen sollen, genau zu bezeichnen und das überwiegende Interesse an der Geheimhaltung im Einzelnen anzuführen und zu begründen.
Die Anfragebeantwortung 16183/AB vom 19.12.2023 (https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/16183) auf unsere parlamentarische Anfrage 16650/J (https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/16650) zu der Causa irritiert mehr als sie Klarheit brachte und lässt befürchten, dass Kanzler Nehammer vielmehr die Ermittlungen der Korruptionsbehörden unredlich torpediert und mit der „Staatsgeheimnis“-Argumentation die Herausgabe der E-Mails ein weiteres Mal verhindert werden sollte.
Mittlerweile bat das Oberlandesgericht Wien entschieden, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nun grundsätzlich die auf Basis der Anordnung im August 2022 im Bundeskanzleramt sichergestellten Daten auswerten darf. Das Entsiegelungsverfahren am Landesgericht betreffend der möglichen "Staatsgeheimnisse" in den Mails läuft aber noch.
Quellen:
https://kurier.at/politik/inland/daten-sicherstellung-im-kanzleramt-olg-gibt-wksta-recht/402593831
https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6322410/OeVPInseratenaffaere_Datensicherstellung-im-Kanzleramt-fuer-OLG
https://www.falter.at/maily/20230725/nehammer-gegen-die-wksta
https://www.falter.at/zeitung/20230919/nehammer-gegen-die-staatsgewalt
https://www.derstandard.de/story/3000000207158/wksta-darf-sichergestellte-daten-aus-kanzleramt-auswerten
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Wenn ja, welche und welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden?
i. Wegen § 252 StGB (Verrat von Staatsgeheimnissen)?
ii. Wegen § 9 Informationssicherheitsgesetz?
iii. Wegen § 302 StGB (Missbrauch der Amtsmissbrauch)?
iv. Wegen sonstiger strafbarer Handlungen?
i. Wurde eine Verfassungsschutzrelevante Beratung iSd § 7 SNG angeboten?
1. Wenn ja, warum wurde diese nicht durchgeführt?
i. Was war der genaue Gesprächsinhalt und welche Position nahm das BMI jeweils ein?
i. Wenn ja, wann, wie oft und durch wen und mit wem?
ii. Wenn ja, welche Punkte wurden jeweils besprochen?
iii. Wenn nein, warum nicht?
1. Wurde eine Verfassungsschutzrelevante Beratung iSd § 7 SNG angeboten?
a. Wenn ja, warum wurde diese nicht durchgeführt?